Die Wege werden weiter

  • Katja Baumgarten, Hebamme, Filmemacherin und Redakteurin der DHZ: »Wie ist es künftig um die Wahlfreiheit der Frau bestellt, die in den eigenen vier Wänden ihr Kind zur Welt bringen möchte?«

  • In Konzepten zur zukünftigen geburtshilflichen Versorgung scheint aus Sicht der medizinischen Qualitätssicherung und der Ökonomie unvermeidlich: Noch mehr geburtshilfliche Abteilungen werden schließen, das regionale Klinik-Netz wird weitmaschiger. Die Wege, die Schwangere oder Frauen mit beginnenden Geburtswehen zurücklegen müssen, werden länger. Das Angebot wird ausgedünnt, wenn es auch medizinisch hoffentlich hochwertiger wird. Eine Frau – gerade, wenn sie schon Kinder hat – wird sich nicht mehr in ihrer Umgebung diejenige Klinik aussuchen können, deren Philosophie ihr am meisten zusagt. Falls es bei fehlendem Konkurrenzdruck überhaupt noch Unterschiede gibt, die den Wünschen der NutzerInnen Rechnung tragen. Die Frau wird vermutlich die nächstbeste Klinik ansteuern müssen, weil weite Wege für den Rest der Familie bei einem stationären Aufenthalt der Mutter schwerer zu organisieren sind. Außerdem ist das Reisen mit schmerzhaften Geburtswehen unkomfortabel und der »Wunschkreißsaal« vielleicht zu weit entfernt. Erleben nicht schon jetzt Eltern gar nicht so selten die Geburt ihres Kindes im Auto auf ihrem Weg in die Klinik? Nicht nur für sie selbst ist das meist ein Albtraum – auch mit Fokus auf die Patientensicherheit ist das keine wünschenswerte Gebärsituation. Wird das Abenteuer der unfreiwilligen Alleingeburt zunehmen?

    Bei den PlanerInnen wird das »Boarding«, die Unterbringung von Frauen in der Nähe vom Geburtskrankenhaus, großzügig mit einkalkuliert. Können sie sich vorstellen, was es beispielsweise für eine Drittgebärende bedeuten muss, sich von ihrer Familie – vielleicht mit Schulkindern, die vor Ort bleiben müssen – zu verabschieden, um in der Nähe der Klinik rechtzeitig Stellung zu beziehen? Der Vater hat sich um die Kinder zu kümmern, sie bringt den Rest der Schwangerschaft ohne ihren Partner, ohne ihre Familie und ihren gewohnten Alltag an einem fremden Ort zu – gerade jetzt. Wann ist der richtige Moment, um in diese Klausur aufzubrechen – vielleicht für mehrere Wochen? Oder wird dann doch kurzerhand eingeleitet nach ein paar Tagen in Warteposition?

    Und wie ist es künftig um die Wahlfreiheit der Frau bestellt, die in den eigenen vier Wänden ihr Kind zur Welt bringen möchte? Falls sie überhaupt noch eine Hebamme für die Betreuung findet. Welches Sicherungssystem im Fall von medizinischen Problemen wird für die Hausgeburtshilfe vorgehalten – gerade in ländliche Regionen, wo die nächste Klinik immer weiter entfernt liegt? Ein Transport mit dem Hubschrauber sei im Notfall billiger als die Klinikversorgung flächendeckend aufrecht zu erhalten, wird argumentiert. Das ist einleuchtend. Aber welchen Erfolgsdruck trägt diese vielleicht notwendige Option in die Geburtsarbeit? Wenn man sich eine solche Verlegungssituation in einem kleinen Ort vor Augen führt, die nicht einmal mit Lebensgefahr, sondern einfach mit vorausschauender Vorsicht zu tun haben kann, ist die Privatsphäre der Familie in jedem Fall dahin, das Drama und das Gespräch darüber auf Jahre garantiert.