Gemeinsam für die Kleinsten

  • Der Begriff „Frühchen" hat sich eingebürgert für Neugeborene, die vor der Zeit zur Welt kommen. Das klingt niedlich, die schutzbedürftigen kleinen Kinder mit den unvorstellbar winzigen Fingernägeln rühren unsere Emotionen – und lassen uns ihre Welt im Mutterleib erahnen, die ihnen zu früh verloren gegangen ist. Für Eltern und Angehörige hat das Wort einen zärtlichen Klang. Es versucht den Kontrast zur Hochleistungsmedizin zu versöhnen, die die Kleinsten für ihr Überleben brauchen. Ist es für uns Fachleute die angemessene Bezeichnung für diese Persönlichkeiten, die stark sein müssen, wenn sie um ihr Leben kämpfen?

    Gerade in Familien mit Frühgeborenen sollten Hebammen ihre originären Aufgaben nicht aus dem Auge verlieren. Sie können mit medizinischem Fachwissen und gleichzeitig salutogenetischer Perspektive Ressourcen erschließen und stärken. Diese Kompetenz ist angesichts der Erschütterungen einer vorzeitigen Geburt besonders wichtig. Alles was wir über die Bedeutung geglückter Bindung wissen, gilt umso mehr für Frühgeborene, die durch die Krise gehen müssen, vorzeitig auf sich gestellt zu sein. Sie brauchen ihre Eltern möglichst nah an ihrer Seite, die ihnen im besten Fall Geborgenheit und Zuversicht schenken können. Und alle Familienmitglieder brauchen die Ermutigung, dass in dieser Ausnahmesituation nicht alles entgleist ist, sondern dass auch vieles Gesunde normal funktioniert.

    Manchen Kindern gelingt das Ankommen nicht, die Familie muss ihren Abschied hinnehmen. Manche überleben mit starken gesundheitlichen Einschränkungen. Und manche überstehen die verfrühte Geburt gesund, haben aber das Trauma eines Lebensbeginns mit Ängsten und Schmerzen durch notwendige Eingriffe zu verkraften. Bei allen Herausforderungen, vor denen Familien mit Frühgeborenen stehen, kann die Hebamme ein ruhender Pol für die Familie sein – idealerweise ist sie schon aus der Schwangerenvorsorge bekannt und vertraut. Ihre aufsuchende kontinuierliche Begleitung ist zum einen notwendig, um gezielt die grundlegenden „normalen" gesundheitlichen und seelischen Bedürfnisse der Wöchnerin zu erkennen und zu erfüllen. Zum anderen brauchen die Eltern für die belastenden Seiten dieser Geburt ein kompetentes stabilisierendes Gegenüber. Wer Frühgeborene und ihre Familien im multiprofessionellen Team mitbetreut, muss über fundiertes Fachwissen verfügen und die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit mitbringen. Warum machen diese lohnende Aufgabe noch viel zu wenige Kolleginnen zu ihrer Sache?