Gute Nahrung zur richtigen Zeit

  • Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Frauen wünschen sich von Hebammen mehr Detailwissen nicht nur zum Stillen, sondern auch über Flaschenernährung und Beikost.«

  • Ab Februar 2020 gelten für die Säuglings- und Folgenahrungen neue EU-Standards. Irritierender Unterschied: Vorgeschrieben ist zwar der Zusatz von Docosahexaensäure (DHA) – sogar zwei- bis dreifach höher konzentriert als in Muttermilch und bisherigen Säuglingsnahrungen. Arachidonsäure (AA) muss dagegen nicht mehr zugesetzt werden. Dabei ist diese Fettsäure der Muttermilch, die vom Körper nur begrenzt gebildet werden kann, unentbehrlich für die Entwicklung von Intelligenz, Sehschärfe und Immunsystem. Prof. Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit spricht daher von einer Fehlentscheidung. Gemeinsam mit der Europäischen Akademie für Kinderheilkunde rät er dringend dazu, nicht oder nicht voll gestillten Säuglingen auch künftig nur solche Nahrungen zu geben, die neben DHA mindestens die gleiche Menge AA enthalten. Dies wird nun heftig diskutiert.

    Hebammen sollten solche Kontroversen einordnen können. Lea Beckmann, Hebammenwissenschaftlerin und Studiengangsleiterin an der Hochschule 21 in Buxtehude, betont, dass zur ressourcenorientierten und empathischen Begleitung von Familien in Ernährungsfragen auch eine fachkundige Beratung über Formula gehöre. Eine Studie der Hebammenwissenschaftlerin Dr. Gertrud Ayerle von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ergab zudem, dass sich Frauen mehr Detailwissen nicht nur zum Stillen, sondern auch über Flaschenernährung und Beikost wünschen sowie Aufklärung bei Ernährungsproblemen.

    Dass Hebammen über Ernährung Bescheid wissen müssen, ist wohl unbestritten. Dennoch verwunderte in den vergangenen Wochen eine Stellenausschreibung für den Aufbau eines Hebammenstudiengangs – manche verärgerte sie auch: Für eine der beiden ProfessorInnenstellen wurden auch ÖkotrophologInnen angesprochen. Es gab Einspruch von Hebammen, da dies der Etablierung einer eigenständigen Hebammenwissenschaft entgegenstehe.

    Die WHO hat 2020 zum Jahr der Pflegenden und Hebammen auserkoren. Die dafür angekündigte »Nightingale Challenge« soll Arbeitgeber motivieren, ihnen durch Qualifizierung zu Führungspositionen zu verhelfen. Geehrt wird damit die britische Krankenschwester und Begründerin der modernen Krankenpflege Florence Nightingale zu ihrem 200. Geburtstag im Mai. In ihrem Text zur Säuglingsversorgung »Minding Baby« mahnte sie 1861 knapp, Kinder regelmäßig mit der richtigen Nahrung zu füttern: »Feeding it with proper food, at regular times«. Dass viele Kinder damals nicht annähernd adäquat ernährt werden konnten, zeigt ihr Zusatz: »Es ist so einfach, das Leben eines kranken Babys auszulöschen wie die Flamme einer Kerze. Zehn Minuten Verspätung beim Füttern können bereits den Unterschied machen.« Daneben steht heute eine ganz andere Zeitdefinition: Wenn das Füttern 45 Minuten dauert, vermuten ErnährungstherapeutInnen eine frühkindliche Fütterstörung. Die Mutter müsse dann gecoacht werden, um das Füttern ritualhaft und als entspanntes »Zwiegespräch« zu gestalten.