Immunität genießen

  • Immunität genießen nur wenige, nämlich die, die vor einer Strafverfolgung geschützt sind – Di­plomaten zum Beispiel. Wer genießt sonst schon bewusst seine Immunität? Immerhin besitzt jeder Mensch über zehn Arten davon, etwa unspezifische und natürliche Immunitäten genetischer Natur, auch angeborene, die pränatal aus mütterlichen Antigenen aufgebaut werden, oder adaptive Immunitäten, die mit der Muttermilch durch Impfungen in den Körper gelangen oder durch Erkrankungen erworben werden. Immunität heißt „Freiheit von", im medizinischen Sinne Freiheit von Krankheit. Diesen Freiheiten liegen spezielle Abwehrmechanismen gegen bestimmte Viren und Bakterien zugrunde.

    Verwechselt der Körper eigene Zellen mit solchen schädlichen Eindringlingen, spricht man von Autoimmunität. Nun entsteht Krankheit! Die Abwehrmechanismen zielen nun gegen sich selbst (auto), gegen die eigenen Organe. Eine Autoimmunerkrankung kann sich manifestieren, etwa als Schuppenflechte (Psoriasis), bei der Verhornungszellen der Haut attackiert werden, oder als Myasthenia gravis, bei der Autoantikörper gegen Acytylcholinrezeptoren Lähmungen hervorrufen. Diese irrtümlichen Angriffe des Abwehrsystems, bei der die T-Zellen eine wichtige Rolle spielen, dauern unbehandelt in der Regel lebenslang oder bis zur vollständigen Zerstörung der Zielstruktur. Die meisten Autoimmunerkrankungen stammen aus dem rheumatischen Formenkreis.

    Da die Genese dieser Erkrankungen noch nicht geklärt ist, gibt es auch noch keine optimalen Behandlungen, vor allem, wenn sich die Erkrankung etabliert hat. Doch viele Symptome lassen sich inzwischen lindern. Jedenfalls weiß man, dass das Immunsystem von den im Darm lebenden Bakterien geprägt wird, die sich dort schon pränatal ansiedeln und deren Zusammensetzung sich im Laufe des Lebens ändert, abhängig etwa von Ernährung, Entzündungen und Antibiotikabehandlungen.

    Die Wechselwirkung von Bakterien und Immunsystem steht im Verdacht, die Entstehung von Autoimmunerkrankungen zu beeinflussen. Untersucht wird, ob Frauen deshalb häufiger daran erkranken, weil sie eine andere Darmflora haben als Männer. Eine der Theorien ist, dass ein zu niedriger Vitamin D-Spiegel eine Rolle spielen könnte. Auch Hormone scheinen mitverantwortlich zu sein. Oft bricht die Krankheit nach hormonellen Umstellungen aus, wie Geburt oder Menopause. Aber Östrogene können auch Linderung bringen: Vielen Rheumapatientinnen geht es in der Schwangerschaft deutlich besser. Gut betreut können sich Autoimmunkranke heute nahezu ohne Angst um ihre Gesundheit für eine Schwangerschaft entscheiden. Manche können in dieser Zeit sogar die Freiheit von Krankheit, also Immunität, genießen.