Mit der Muttermilch eingesogen

  • Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Ein erheblicher Aufwand wird betrieben, um die wertvolle Milch bis in die kleinsten Bausteine der individuellen und wandelbaren Rezeptur zu ergründen.«

  • Weltweit sind die Bemühungen groß, alles über die Inhaltsstoffe der Muttermilch herauszufinden. Es gibt regelmäßig Kongresse, bei denen sich alles um die Zusammensetzung der Milch sowie um das Stillen dreht. Ein erster internationaler Forschungskongress der European Milk Bank Association (EMBA) befasste sich im vergangenen Herbst in Mailand ausschließlich mit Spendermilch. Thema waren etwa neue Sterilisationsverfahren und Stoffe, mit denen man bei bestimmten Bedarfen die Muttermilch anreichert, sogenannte Fortifier. Derzeit existieren 233 Muttermilchbanken in Europa. Die Erfahrungen damit sind groß: Frauenmilchbanken feiern dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. 1919 wurde in Magdeburg die erste deutsche Frauenmilchsammelstelle von der Kinderärztin Marie Elise Kayser gegründet.

    In dieser Ausgabe berichtet die Ernährungsforscherin Melissa Theurich von dem spannenden Kongress der International Society for Research in Human Milk and Lactation (ISRHML) in Japan. Sie stellt Forschungseinrichtungen sowie Studien vor: etwa die vom Department Ernährungswissenschaften an der Universität Complutense in Madrid, die darauf hinweist, dass in den Industrieländern durch Antibiotika die Anzahl der Bakterien in der Muttermilch kleiner geworden ist.

    Ein erheblicher Aufwand wird betrieben, um die wertvolle Milch bis in die kleinsten Bausteine der individuellen und wandelbaren Rezeptur und seine Wirkung zu ergründen. Sogar neue Lehrstühle werden dafür etabliert mit Hilfe großer Geldsummen von Firmen, die Formula oder Milchpumpen herstellen. Die Verquickung von Wissenschaft und Wirtschaft ist auch in anderen Fachbereichen nicht unüblich. Es gibt aber Kritik daran: JuristInnen sehen erhebliche Interessenverwicklungen.

    Die Ökotrophologin Dr. Frauke Schocker macht deutlich, wie aufwendig und kompliziert es ist, einzelne Stoffe wie beispielsweise das Erdnussallergen zu identifizieren und Rückschlüsse zu ziehen. Und in weiteren Beiträgen werden einzelne Bestandteile genauer vorgestellt, die dazu führen, dass Muttermilch ein Alleinstellungsmerkmal in der Ernährung von Säuglingen zukommt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt sie als einzige Nährstoffquelle für Säuglinge in den ersten sechs Monaten und als wichtige Quelle für Kinder unter zwei Lebensjahren. Würden weltweit mehr als die derzeit 40 % der Säuglinge unter sechs Monaten gestillt, könnte das Leben von zusätzlich 820.000 Kindern gerettet werden.

    Humane Milch reduziert im Verhältnis zu anderen Ernährungsmöglichkeiten erheblich das Risiko, krank zu werden oder gar zu sterben. Sie unterstützt die Entwicklung des Kindes mit den vielfältigsten Nährstoffen, beispielsweise die des Immunsystems und des Gehirns. Hunderte von wichtigen bioaktiven Stoffen interagieren mit dem Mikrobiom im Darm des Kindes, um es vor Infektionen zu schützen. Der Gynäkologe und Neonatologe Dr. Sebastian Hentsch geht der Frage nach, ob Muttermilch epigenetisch wirkt und erläutert dies am Beispiel des Futtersafts der Bienenköniginnen. Gesichert ist bereits, dass Muttermilch die Grundbausteine der DNA modifiziert.

     

    Titelbild

    Auf der Titelseite finden Sie eine mikro­skopische Aufnahme von Brustgewebe einer Maus während der Laktation: Mit Milch gefülltes Gewebe (rot) ist umgeben von kleinen Muskelzellen, die Milch (gelb) ausdrücken, und Immunzellen (blau). Die Gewebe bei Mäusen und Menschen sind sehr ähnlich.

    Das Foto des PhD-Studenten Caleb Dawson vom Department of Stem Cells and Cancer, Melbourne, Australien, erzielte 2018 den 17. Preis beim Wettbewerb »Nikon Small World«. Der Preis wurde 1974 gegründet, um herausragende Leistungen in der Fotografie, die beim Blick durchs Mikroskop entsteht, zu würdigen.