Mit Respekt und Demut

  • Hella Wiese, Hebamme, Pflege­wissenschaftlerin und freie Redakteurin der DHZ: »Jede Blutung braucht Respekt, egal ob sie in der Schwangerschaft oder während der Geburt auftritt.«

  • Die Blutung und die Infektion galten – und gelten bis heute – als die beiden großen Gefahren in der Geburtshilfe. Wie viel Respekt sollte eine Hebamme heute vor Blutungen in der Schwangerschaft oder unter der Geburt haben? In der Schwangerschaft ist eine Blutung grundsätzlich nicht »normal«, ohne in jedem Fall gleich pathologisch zu sein. Hier kommt es darauf an, mit Hilfe einer strukturierten Anamnese und Differenzialdiagnose einen sinnvollen Umgang mit der Situation zu finden. Das ist keine leichte Aufgabe vor dem Hintergrund, dass bei etwa 50 % der Blutungen in der Schwangerschaft die Ursache nicht identifiziert werden kann. Erst recht nicht, wenn jede leichtere Blutung der Beginn eines schweren Notfalls sein kann. Da ist guter Rat teuer!

    Wo geboren wird, fließt Blut. Doch was, wenn es einfach zu viel wird oder die Frau einen scheinbar geringen Blutverlust nicht gut kompensieren kann? Woran ist der Schweregrad einer Blutung zu erkennen? Was ist wann zu tun? Auf diese Fragen sollte jede Hebamme, unabhängig vom Geburtsort, Antworten parat haben. Ebenfalls unabhängig vom Geburtsort ist das Handwerk, das bei Blutungen zum Einsatz kommt: Handgriffe und Drucktechniken, die anstelle oder zusätzlich zu einer medikamentösen Behandlung bekannt sein müssen und angewendet werden.

    Abhängig vom Geburtsort sind die medikamentösen Möglichkeiten zur Behandlung einer Blutung. Der Zugang dazu ist ohne Zweifel innerhalb einer Klinik gesichert. Ist die Ausstattung mit Medikamenten zur Behandlung einer Blutung im Geburtshaus und für Hausgeburtshebammen noch zeitgemäß? Unabhängig vom Geburtsort ist die Bedeutung eindeutiger Kommunikation und funktionierender Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Berufsgruppen als beste Voraussetzung für die Frau, am Ende unversehrt aus einem Blutungsereignis hervorzugehen.

    Fließend sind die Grenzen zwischen einer normalen, einer starken und einer zu starken Blutung nach der Geburt. Einer starken Blutung kann eine normale Blutung aus einer Geburtsverletzung bei kontrahiertem Uterus vorangehen. Der Übergang zu einer Atonie ist schwer vorhersehbar. Ein zunächst gut kontrahierter Uterus ist bei anhaltender Blutung kein Garant dafür, dass die Situation unter Kontrolle ist.

    Jede Blutung braucht Respekt, egal ob sie in der Schwangerschaft oder während der Geburt auftritt. Zu unspezifisch sind die Prädispositionen für Blutungen mit schweren Verläufen und zu unterschiedlich die Kompensationsfähigkeiten der Frauen. Die Sorgfalt der Hebamme liegt im Wissen darum und im bedachten Umgang mit jeder Blutung. Im Wesen einer Hebamme liegt die Demut und Dankbarkeit für jede gelungene Geburt, erst recht, wenn die Mutter zu stark geblutet hat.