Nachhaltige gesellschaftliche Wertschöpfung

  • Hebammenarbeit und das Konzept der Salutogenese passen gut zusammen. Das hebammenspezifische Betreuungsmodell, das von Schwangerschaft und Geburt als gesunde und physiologische Prozesse ausgeht und dabei die Frauen kompetent und partnerschaftlich begleitend in ihren Ressourcen und ihrer Selbstwirksamkeit stärken will, ist von Grund auf salutogenetisch. Hebammen können bei ihrer Arbeit täglich erleben, wie die Ideen von Kohärenz (Stimmigkeit) und Resilienz (psychischer Widerstandskraft) die Erfahrungen und Reaktionen der Frauen erklären können – oder dass das Lernen an Vorbildern das Handeln nachhaltig verändern kann. Wir wissen, dass es in der physiologischen Krise des Übergangs zum Mutterwerden darauf ankommt, aus welcher Perspektive und mit welcher Haltung Frauen begleitet werden – ob nachhaltige Gesundheit daraus entsteht oder eine dauerhafte Schwächung der Ressourcen durch Traumatisierung oder eine Betreuung, die eben nicht Salutogenese im Blick hatte. Mit unserer Arbeit unterstützen wir die Frauen darin, ihre Kraftquellen zu finden oder sich wieder an diese anzubinden, wenn sie in Dysbalance geraten sind. Auf diese Weise wirkungsvoll tätig zu sein, ist eine der wichtigsten und schönsten Aufgaben – eine tragende Säule der Frauen- und Familiengesundheit. Es ist nachhaltige gesellschaftliche Wertschöpfung. In einer Medizinkultur, die die lebensstarken Prozesse um Schwangerschaft und Geburt pathologisiert und medikalisiert – und einem Gesundheitssystem, das in Zeiten von DRGs mehr als je die Diagnose des Kranken und Interventionen belohnt – steht salutogenetisches Wirken nicht im Fokus. Hebammenarbeit, auch wenn sie noch so nachhaltig ist, ist wenig sichtbar – ebenso wenig wie die alltägliche Care-Arbeit von Frauen und Müttern auf der ganzen Welt. In einer Zeit, in der die Hebammenarbeit und das Gebären so grundlegend bedroht sind, ist es eine gesundheits- und sozialpolitische sowie ebenso eine ethische Herausforderung, die Bedeutung unserer Arbeit immer wieder – gemeinsam mit den Frauen – öffentlich zu kommunizieren. Unser Einsatz kann einen Unterschied machen. Er kann maßgeblich dazu beitragen, die Zahl der Kaiserschnitte, der Frühgeburten und der Wochenbettdepressionen zu reduzieren. Das funktioniert allerdings nicht ohne entsprechende finanzielle Grundlagen. Basis und Ausgangspunkt für dieses Engagement ist die eigene Gesundheit. Die Frage „Was gibt mir Kraft, was hält mich gesund?“, ist gerade für Hebammen elementar. Nur wenn wir unseren Werten entsprechend arbeiten und uns selbstwirksam fühlen, können wir unsere schöne und wichtige Aufgabe so erfüllen, dass sie tatsächlich salutogenetisch ist. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen erholsame und besinnliche Weihnachtstage und Gesundheit für das kommende Jahr!