Nur das Beste fürs Kind!

  • Peggy Seehafer, Hebamme, Anthropologin und Redakteurin der DHZ: »Ist der Schutz der Frau immer der beste Schutz fürs Kind?«

  • Sind Mutter und Kind ab der Schwangerschaft symbiotisch miteinander verwoben oder autonome Personen? Ist der Schutz der Frau immer der beste Schutz fürs Kind? Und: Wie sehr sind Kinder ihren Müttern ausgeliefert? Klar dürfte sein, dass die Mutter nicht nur ein »Fruchthalter« für das Kind ist. Einige Frauen fühlen sich dennoch so behandelt, sei es bei Empfehlungen zu Ernährung und Genussmittel, bei Urlaubsreisen oder der Wahl des Geburtsmodus. Wo endet die Selbstbestimmung der Frau zugunsten der Gesundheit ihres Kindes?

    »Too much, too soon« – die Übermedikalisierung von Schwangerschaft und Geburt führt zu unnötigen Eingriffen. Kann durch eine im frühen Ultraschall entdeckte Insertio velamentosa mit direkter Empfehlung einer primären Sectio wirklich Kinderleben gerettet werden? Das greift nicht nur der Entscheidung und Verantwortlichkeit der Geburtsklinik vor, sondern ist auch übergriffig hinsichtlich der mütterlichen Entscheidungsfindung.

    »Wollen Sie, dass Ihr Kind stirbt oder behindert ist?«, ist der »Killersatz«, der jeden Machtmissbrauch in der Geburtshilfe rechtfertigt. Das geht von der Wahl des Geburtsortes, über den Zeitpunkt der Geburt bis hin zu intrapartalen Interventionen ohne informierte Zustimmung der Mutter. Dabei gibt es geburtshilfliche Maßnahmen, die das Wohlbefinden der Kinder stabilisieren können, wie zum Beispiel das Auspulsierenlassen der Nabelschnur.

    Andererseits gibt es in Deutschland keine Aufzeichnungen darüber, wie viele Geburtsläsionen an Neugeborenen wir beobachten und welche Ursachen bedeutend sind. Wie hoch ist die Inzidenz von Claviculafrakturen, Plexuslähmungen und Schnittverletzungen bei Sectio durch Interventionen? »Die Fragestellung finde ich sehr interessant, aber es fehlen die Daten, kindliche Geburtsverletzungen werden letztlich nicht erhoben«, so Prof. Dr. Evelyn Kattner, emeritierte Neonatologin In Hannover.

    »Too little, too late« – das umfasst die fehlende, verzögerte oder unzureichend evidenzbasierte Versorgung. Eltern sind Schicksal für ihr Kind, manchmal auch Schicksalsschläge. Hebammen können sich noch so sehr um frühes Bonding bemühen, für manche Eltern-Kind-Paare scheint das keine Hilfe zu sein. Jede Woche sterben zwei bis drei Kinder in Deutschland, weil sie von ihren Eltern misshandelt werden. Umso wichtiger ist es, die Verletzlichsten in diesem Eltern-Kind-System zu schützen.

    Im Grundgesetz im Artikel 6 heißt es: »Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.« Hebammen können und müssen Brücken schlagen zu den staatlichen Hilfesystemen, wenn unsere eigene Berufskompetenz überschritten, wenn das Recht der Kinder auf Unversehrtheit nach Artikel 2 Grundgesetz gefährdet ist.