Ohne exakte Problemanalyse keine Lösungen

  • Wie gewohnt wurde im Juni eine strittige Teilverhandlung zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) und Hebammenvertreterinnen mangels Einigung an die Schiedsstelle verwiesen, wo sie derzeit bearbeitet wird.

    Die Probleme, die der freiberuflichen und vor allem der außerklinischen Hebammenarbeit derzeit die Luft abschnüren, sind nicht die Symptome, an denen seit Jahren erfolglos herumgeschraubt wird. Ohne Ansehen der viel tiefer liegenden Ursachen wird fast trotzig über diese Symptome gestritten und beide Parteien reden weitgehend aneinander vorbei. Den Hebammenverbänden ist es nicht gelungen, das spezifische, an physiologischen Prozessen orientierte Hebammenhandeln als wertvoll darzustellen – trotz aller wissenschaftlichen Studien zur physiologischen Geburt und Eins-zu-eins-Betreuung sowie mit belastbaren Zahlen von nachgewiesener Qualität. So kann es nie eine Anerkennung als eigenständige, hoch kompetente Profession geben. Daher werden die Hebammen nicht als primär Zuständige für gesunde Schwangere angesehen. Und so gibt es auch keine angemessenen Rahmenbedingungen und Vergütungen.

    Logischerweise kann eine an physiologischen Prozessen orientierte Geburtshilfe auch nicht in Verknüpfung der Risiken versichert werden, die mit invasiver Geburtsleitung verbunden sind. Angesichts der wenigen, besonders schweren Schadensfälle wird deutlich, dass die Vermischung salutogenetisch fundierter, zurückhaltender Geburtshilfe mit oft indikationslosen Manipulationen des Geburtsprozesses neben Organisationsdefiziten die Hauptursache von fatalen Geburtsverläufen ist.

    Irgendwelche Zuschläge für Versicherungskonzerne auszuhandeln oder klinisch-medizinische „Erlaubnisscheine" einzufordern, führt zu nichts. So werden die – vorgeblichen – Ziele des Gesundheitsministers, Hebammenhilfe und freie Wahl für alle ratsuchenden Frauen zu erhalten, nicht erreicht. Die Bewertung und Kontrolle des Hebammenhandelns aus ärztlicher oder Kliniksicht führt auch nicht zu besserer, Gesundheit erhaltender und weniger traumatisierender Geburtshilfe. Respekt vor und Förderung der Physiologie müssen immer Vorrang haben vor Pathologie. Inzwischen fordern auch viele anerkannte ÄrztInnen und psychosoziale Fachleute eine Senkung der Kaiserschnittrate und Reduzierung unbegründeter Eingriffe.

    Große Aufgaben liegen vor uns. Die Hebammenbetreuung und -geburtshilfe hat keine Zukunft ohne ein radikales „Zurück auf Los!" Wir brauchen eine sofortige, tragfähige Aufarbeitung und gesetzliche Neuregelung der fehlenden Grundlagen. Diese muss sich der wirklichen Ursachen aller Symptome annehmen, die sich in den ergebnislosen Verhandlungen und nicht nachhaltigen Notlösungen der Haftpflichtversicherungsprobleme zeigen. Es gibt da einen für die Hebammenfrage zuständigen obersten Juristen. Sie sind dran, Herr Gesundheitsminister Gröhe!