Pioniergeist, Leidenschaft, Herzblut

  • Dr. Angelica Ensel, Hebamme, Ethnologin und Redakteurin: »Geburtshäuser sind gesundheitsfördernd. Sie stehen für eine gemeindenahe, ganzheitliche, frauen- und familienfreundliche, individuelle und sichere Versorgung.«

  • »Bringing birth back into community« – die Geburt wieder in die Gemeinschaft zurückbringen. Unter diesem Titel lief das Programm, das der kanadische Hebammenverband und der dortige National Aboriginal Council of Midwives entwickelten, um den indigenen Frauen nach Jahrzehnten des fremdbestimmten und enteigneten Gebärens – weit weg von Zuhause und wochenlang von ihren Familien getrennt – wieder eine menschenwürdige Geburt zu ermöglichen. Die daraus entstandenen Geburtshäuser, in denen evidenzbasiertes Wissen, traditionelle Praktiken und Werte leitend sind, haben nicht nur den Frauen, sondern auch ihrer Gemeinschaft Würde und Selbstbewusstsein zurückgegeben – ein wichtiger Schritt.

    Pioniergeist, Leidenschaft und Herzblut haben in Deutschland in den 1980er Jahren Hebammen, Eltern und frauenbewegte AktivistInnen motiviert, sich auf den Weg zu machen, um die Geburt wieder »zurückzubringen«, um das Ereignis selbst und die Arbeit von Frauen und Hebammen zu würdigen. Sie gründeten Geburtshäuser und auch dieser Einsatz entwickelte sich zum Erfolgsmodell. Nicht nur in Bezug auf die Zufriedenheit der Frauen und Hebammen, sondern auch auf die Sicherheit und Gesundheit von Müttern und Kindern.

    Heute, nach mehr als 30 Jahren, sind Geburtshäuser in Deutschland mit all ihrer Erfahrung, Qualitätssicherung, Teambildung und der beständigen Weiterentwicklung ihrer Arbeit ein bewährtes und zukunftsfähiges Konzept, das noch viel weiteren Entwicklungsraum bietet. Das zeigt auch die große Nachfrage der Eltern, die das Angebot bei weitem übersteigt.

    Was es jetzt braucht, ist eine gelingende Übergabe an eine neue Generation von Hebammen, die mit Leidenschaft und Herzblut bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, das Erbe anzutreten und es nach ihren eigenen Vorstellungen und Bedarfen weiterzuentwickeln – in den Gemeinden, gemeinsam mit den Eltern, in interprofessioneller Zusammenarbeit und in Vernetzung. Mut machende Beispiele wie auf der Insel Föhr zeigen, dass dies gelingen kann: Dort begründen Hebammen momentan ein Geburtshaus, um die Lücke zu füllen, weil eine geburtshilfliche Abteilung schließt.

    Geburtshäuser sind gesundheitsfördernd. Sie stehen für eine gemeinde­nahe, ganzheitliche, frauen- und familienfreundliche, individuelle und sichere Versorgung. Für Hebammen bieten sie Räume, selbstbestimmt, im Team und interprofessionell zu arbeiten – zum Wohl von Frauen, Kindern, Familien und Gemeinden und zur eigenen Freude. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass die Übergabe des Staffelstabes gelingt und eine neue Generation von Hebammen mit Begeisterung und Engagement das Bewährte weiterentwickelt.