Sie haben vier Minuten!

  • Ein Notfall ist ein plötzliches, oft nicht vorhersehbares Ereignis, bei dem sich jemand in einer schlimmen Lage befindet und dringend Hilfe braucht. In der Geburtshilfe betrifft das Gefühl der Verzweiflung und Angst nicht zwangsläufig nur die Gebärende. „Eine Fruchtwasserembolie ist der Horror. Ich habe selbst noch keine mit­erlebt. Und ich bete, dass es mir erspart bleibt", sagt ein Kollege.

    Von den Profis wird aber zu Recht erwartet, dass sie in jeder Situation fachgerecht handeln und ihre Nerven im Zaum halten. Die Qualität einer Klinik oder Praxis lässt sich nicht nur damit sichern, dass in Routineabläufen alles perfekt funktioniert, sondern ganz besonders in scheinbar ausweglosen Situationen. Deshalb ist es wichtig, auch für seltene Hochrisikosituationen gut vorbereitet zu sein.

    Als Not kann auch ein seelischer Zustand mit einem Gefühl von Ausweglosigkeit bezeichnet werden. Traditionell spielen „schwächliche Kinder" an der Grenze zur Überlebensfähigkeit eine große Rolle in der Geburtshilfe. Dabei hat sich der Zeitpunkt in der Schwangerschaft immer weiter nach vorn verlagert. Auch hier ist es gut wissen, wie man als Hebamme angemessen reagiert. Und bisweilen ist eine Nottaufe die einzige professionelle Handlung, die man als Hebamme noch anbieten kann.

    Aber wie soll man einen Notfall managen, wenn er nicht vorhersehbar ist? In der Notfallmedizin hat sich die klassische Konditionierung des Behaviorismus bewährt, auch wenn sich sonst in der Lehre konstruktivistische, das heißt selbstgesteuerte, ergebnisoffene Lernkonzepte durchsetzen. Bestimmte Reize müssen reflexartig die richtigen Handlungen nach sich ziehen, sei es bei einer postpartalen Blutung, einem plötzlichen Kreislaufversagen oder einem Brand auf der Wochenstation. Dennoch muss ein „auf Nummer sicher gehen" ganz genau gegen die unerwünschten Nebenwirkungen einer Intervention abgewogen werden, so zum Beispiel im Fall einer Transfusion. „Man muss in der Geburtshilfe viel wissen, um wenig zu tun", sagte einst der Frauenarzt Prof. Willibald Pschyrembel. Aber manchmal reicht es nicht „Midwife" zu sein, wenn „Medwife" gefordert ist. Zu den effektvollen Maßnahmen des Notfallmanagements gehören regelmäßige Simulationstrainings, die die Wahrscheinlichkeit der plötzlichen Überforderung verringern. Diese sogenannten Maternal Code Drills wirken insofern präventiv, als dass sie aus dem Notfall ein immer noch seltenes, aber zu bewältigendes Ereignis machen.

    Zur Ihrer Unterstützung enthält dieses Heft Notfallkarten und -grafiken, die Sie ausschneiden und sammeln können. Ich habe auch schon in Kliniken gearbeitet, in denen diese Art Notfallschema auf Augenhöhe gegenüber der Personaltoilette klebte. Im Wechselrahmen ist es wirkungsvoller als in einem QM-Ordner, in den womöglich keiner reinschaut.

    Die Chance, einen Herz-Kreislaufstillstand unbeschadet zu überleben, nimmt ohne Therapie pro Minute um etwa zehn Prozent ab. Hören Sie auf, über Simulationstraining zu sprechen. Üben Sie! ... Sie haben vier Minuten!