So viel Gesundheit wie möglich!

Eine Schwangerschaftserkrankung wie Präeklampsie oder HELLP-Syndrom gefährdet Mutter und Kind. Es versteht sich von selbst, dass medizinisches Wissen und therapeutische Aktion hier zum vollen Einsatz kommen müssen – eine Überwachung der Schwangerschaft im besten Sinne. Aber dabei darf es nicht bleiben. Die riskante Erkrankung erschüttert die Schwangere und ihre ganze Familie in ihren Grundfesten. Neben der Kontrolle und Behandlung ihrer messbaren Körperfunktionen sollten vor allem ihre vorhandenen Kräfte gestärkt werden. Dafür ist eine problembewusste, einfühlsame und fachlich kompetente Hebamme die ideale Partnerin. Sowohl in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den beteiligten Berufsgruppen als auch bei der unmittelbaren Betreuung der Schwangeren und ihrer Familie kann sie Fürsprecherin der Gesundheit sein. Die physiologischen Vorgänge und ihr besonderer Schutz sind die berufliche Domäne der Hebamme. Gleichzeitig hat sie das Fachwissen, komplexe Zusammenhänge von pathologischen Entwicklungen und Entgleisungen einzuordnen.

Die Grundgedanken der Salutogenese sind gerade für Hochrisikopatientinnen wertvoll. Es ist ein erster Schritt, wenn die erkrankte Schwangere sich der Quellen ihrer Kräfte bewusst wird. Es mag eine Gratwanderung sein – umso entscheidender ist es, dass sie der Herausforderung, die eine schwere Gestose ihr abverlangt, mit möglichst viel Selbstvertrauen entgegen tritt. Damit sie sich weiterhin als Handelnde erlebt und sich dem unter Umständen dramatischen Geschehen nicht hilflos ausgeliefert fühlt bis hin zur persönlichen Kapitulation, dem Gefühl von Versagen und Ohnmacht. Wie eine Frau ihre krisenhafte Schwangerschaft durchlebt hat, wird für ihren künftigen Umgang mit ihrer Gesundheit nicht ohne Folgen bleiben.

Die bislang verborgenen Schwachpunkte des eigenen Körpers, die unter der Belastung der Schwangerschaft zutage getreten sind, fordern langfristig von der betroffenen Frau die Kompetenz, mit ihnen zu leben. Sie muss in ihren kommenden Lebensjahren mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen rechnen. Wie geht es der Mutter und ihren Angehörigen, wenn sie sich nach einer schweren Gestose im Bann einer statistisch deutlich reduzierten Lebenserwartung wiederfindet? Frühzeitig sollte sie Lebensgewohnheiten ändern, um ihrem Körper auch langfristig gute Bedingungen zu schaffen, unter denen er so gut wie möglich „funktionieren“ kann. Auch die Lebensgefahr, in der die Mutter und ihr Kind möglicherweise geschwebt haben – vielleicht hat sie ihr Kind sogar verloren – wird bleibende Spuren hinterlassen. Manchmal äußert sich dies in einer posttraumatische Belastungsstörung. Die Mutter und ihre Familie brauchen kompetente professionelle Begleitung und Behandlung. Hier ist Hebammenhilfe gut eingesetzt!