Wachsen oder weichen?

  • Lilo Edelmann: „Kliniken werden zukünftig mit möglichst wenigen Hebammen hohe Geburtenzahlen bewältigen.“

  • Vor einigen Jahren stand ich im Operationssaal einer Klinik in Uganda. Beim Aufräumen fand ich einige Abradate in Cuvetten. Als ich sie ins Labor bringen wollte, teilte man mir mit, ich könne sie entsorgen: Die Patientinnen würden nicht über das Geld für die Laboruntersuchung verfügen.

    In Frankreich bezahlen PatientInnen 35 Prozent der Kosten aller Eingriffe selbst, 65 Prozent beträgt der Eigenanteil für Medikamente. Da sieht „unsere Gesundheitsreform" ja noch blendend aus. Allen im Gesundheitswesen Beschäftigten war seit Jahren klar, dass die Ausgabenpolitik nicht so weiter gehen könne. Ist den PolitikerInnen mit der Reform im Gesundheitswesen nun der große Wurf gelungen? Wie positioniert sich die Hebamme in diesem auf Wirtschaftlichkeit ausgelegten Gefüge?

    Gesunde Frauen, bei denen eine komplikationslose Geburt erwartet wird, werden in ein neues, wiederum risikoorientiertes Schema, gepresst. Kliniken werden zukünftig mit möglichst wenigen Hebammen hohe Geburtenzahlen bewältigen. Letztere werden in einigen größeren Zentren anfallen, weil ein Drittel der Abteilungen schließen wird. Leider glauben noch immer viele Hebammen einer Verwaltung, die ihnen große Versprechungen macht für die Umwandlung ins Belegsystem. Anschließend werden ihnen Verträge angeboten, die den Hebammen das Risiko der Selbstständigkeit aufbürden und sie gleichzeitig weiterhin als „Gehilfinnen" einbinden. Tipp: Überprüfung der Scheinselbstständigkeit!

    Wie können sich Hebammen noch für ihre Klientel einsetzen, wenn sie verstärkt darauf zu achten haben, dass „der Fall" korrekt weiter geführt wird und zum Teil sehr großzügig der Wunsch der korrekt kodierten Gebärenden nach Sectio erfüllt wird? Anstelle der beruhigenden Unterstützung tritt inzwischen immer häufiger das Management für eine sekundäre Sectio – stets mit Blick auf den Erhalt der Arbeitsplätze und der Abteilung.

    Im Rahmen der Einführung der DRGs ist auch die Qualitätssicherung vorgeschrieben und ausgeweitet worden. Nehmen alle Beteiligten diese ernst und übertragen sie auf die Geburtshilfe, müsste die Spontangeburt – als das beste zu erwartende Ergebnis eines Falles – höher bewertet werden als die Sectio. Hebammen und ihre Verbände sollten Einfluss nehmen auf allen Ebenen, damit für die Geburtshilfe künftig nicht gilt: Diagnose: Risiko – Geburt.