Wehemutter – eine alte Berufsbezeichnung wieder mit Leben füllen

  • Die Gebärmutter ist ein Hohlmuskel aus glatter Muskulatur und sie ist unwillkürlich kontraktionsfähig: während der Menstruation, beim Orgasmus, in der Schwangerschaft und natürlich während der Geburt.

    „Wehen haben“ wird heute als Form von Besitz ausgedrückt und dies geht mit dem Irrtum einher, ihr Vorhandensein wäre steuerbar oder gar vermeidbar. Die Misserfolge bei den Tokolysen, Geburts­einleitungen und Wehenstimulationen belehren uns täglich eines Besseren. „In den Wehen liegen“, aber auch die englische Aussage „She is in labour“ sind bildhafte Beschreibungen dafür, dass die Frau sich in einem Prozess befindet, der nicht aufzuhalten ist und bei dem jede Intervention zur Störung führen kann. „Die Hebamme hüte sich vorzüglich die Beendigungszeit der Geburt genau anzugeben, weil diese weder von dem Wunsche der Gebärenden noch von dem Willen der Hebammen abhängt, und sie dadurch leicht das Zutrauen verlieren kann“, schreibt A. J. Jungmann 1824 in seinem Werk „Das Technische der Geburtshülfe“.

    Etymologisch findet sich das Wort Wehe in den germanischen Sprachen (dänisch: ve, norwegisch: ri, isländisch: hridir, schwedisch: värk) im Zusammenhang mit dem Ausdruck des Unbehagens, des Schmerzes, des Klagens und des Ausgesetzseins eines gewaltsamen Geschehens, das sich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Seele auswirken kann. In den romanischen Sprachen, wie beispielsweise in Spanien mit dem Wort contracción, wird der Begriff direkt aus dem Lateinischen contractio – Zusammenziehung – übernommen. Im Englischen wird die Formulierung „being in labour“ mit den Mühen des Körpers beschrieben und ist wahrscheinlich aus dem Französischen entlehnt: Labeur bedeutet auch mühevolle Arbeit.

    Weil die Sprache das Schmerzempfinden steuert, wäre zu erwarten, dass Frauen in den Ländern, in denen das Wort Wehe nicht mit Schmerz assoziiert ist, mutiger und angstfreier in die Geburt gehen könnten. Erstaunlicherweise sind die Zahlen für PDA und Sectiones aber umgekehrt proportional zur Sprachverwendung. Während die nordischen Länder bei der Sectio unter 20 Prozent liegen, wird in den Mittelmeerländern jede zweite Schwangerschaft per Kaiserschnitt beendet.

    In der Geburtsmedizin haben sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts zeiträumliche Beschreibungen der Wehen etabliert: Schwangerschaftswehen, Vorwehen, Geburtswehen, Nachwehen. Damit wird eine bestimmte Funktion impliziert, die anschließend in normal und unnormal eingeteilt wird. Schwangere fühlen sich von Wehen oft unnötig bedroht. Mehrgebärende befürchten starke Nachwehen. Ungeduldige Frauen möchten den Geburtsbeginn nicht immer abwarten, sondern nehmen die Wehenstimulation selbst in die Hand mit Maßnahmen, die selten evidenzbasiert sind. Diese zeitlichen Zuordnungen sagen allerdings nichts zum jeweiligen Befinden der Frau aus.

    Eine Hebamme wurde in früheren Zeiten auch als Wehemutter bezeichnet. Sehr bildhaft stellt sich hier ihre Tätigkeit dar: Sie betreut und begleitet die Frau während der Wehen, sei es in der Schwangerschaft, zur Geburt oder danach.