Englisch als Must-have

Die internationale Wissenschaftssprache ist Englisch. Wer studieren, forschen oder akademisch lehren will, kommt nicht daran vorbei. Aber mit ein paar Tricks und Kniffen ist es gar nicht so schwer, englischsprachige Studien oder Artikel zu lesen – zumal die englische Fachsprache schlichter und kürzer ist als die deutsche. Sabine Torgler
  • Um wissenschaftlich arbeiten zu können, benötigen Hebammen geburtshilfliche Fachbegriffe in englischer Sprache.

»Lernen und Forschen – an Introduction in English«: Dieser Titel steht für die Moduleinheit, die ich über Jahre an deutschen Universitäten in Bachelor- und Master-Studiengängen der Pflegepädagogik unterrichte. Denn wer heutzutage eine akademische Laufbahn einschlagen möchte, muss Englisch beherrschen. Die Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Berta Schrems betont: »Englisch ist die Wissenschaftssprache, das ist auch in der Pflege so, ohne Englisch ist man sozusagen von der Welt der Wissenschaft abgeschnitten.« (Schrems 2013, 240)

Das Lesen, Verstehen und Interpretieren von englischen Texten ist wesentlich, wenn man Forschung betreibt. Durch diese »Einheitssprache« bekommt man internationale Einblicke, was für die Weiterentwicklung eines Berufstandes enorm wichtig ist. Ich behaupte: Wer absolut kein Englisch kann, sollte sich nicht immatrikulieren! Sonst würde die Qualität der akademischen Ausbildung beeinträchtigt, was sich dann in der Pflegepraxis beziehungsweise der Hebammenpraxis niederschlägt. Das hätte wiederum zur Konsequenz, dass die Kompetenzen (Skills) nicht professionell entwickelt werden beziehungsweise nicht praktiziert werden könnten. Daran hängt schließlich die Autonomie des Berufsstandes.

Nicht nur als Student:in und Wissenschaftler:in sollte man Englisch beherrschen. Es ist mittlerweile in den Gesundheitssektoren der nicht englischsprachigen Ländern eine Zweitsprache. Die Anzahl der zu betreuenden Frauen aus diversen Sprachräumen nimmt überall zu, so dass die Kommunikation allein in deutscher Sprache an ihre Grenzen stößt.

 

Effizient lesen

 

Für das Lesen von englischsprachigen akademischen Texten gibt es Hilfestellungen von der Fachsprachenlehrerin Yvonne Ford. Sie sagt, dass man sich folgende Fragen stellen sollte, wenn man einen wissenschaftlichen Text auf Englisch liest (Ford 2013):

  • Was möchten Sie für Ihre Praxis durch diesen Artikel/dieses Paper/diese Studie erreichen?
  • Welches neue Wissen bekommen Sie dadurch?
  • Welche Informationen haben Sie bereits erhalten? Gibt es ähnliche Theorien zu diesem speziellen Thema, mit denen Sie arbeiten?
  • Kennen Sie die Autor:innen des Artikels, Papers oder der Dissertation?
  • Wie kann dieser Artikel Sie weiter beeinflussen?

Diese Art kritischen Denkens sollte man sich unbedingt aneignen – am besten an einer Hochschule, wo dies im Studium vermittelt wird! Generell ist zu sagen: Wenn man englische Studien, Papers, Artikel liest, ist das Abstract bedeutsam. Versteht man dieses, dann kann man sich gut auf die weiteren Seiten einlassen.

Im Folgenden wird deutlich, wie sehr sich eine (englische) Studiengliederung am gedanklichen Prozess orientiert (siehe Tabelle).

Im Vergleich deutschsprachiger mit englischsprachigen Studien lässt sich feststellen, dass die englischen Papers oftmals einfacher geschrieben sind. Natürlich werden die Fachtermini benutzt, aber vom Satzkonstrukt her erscheint die englische Sprache einfacher als die deutsche.

Der Satzbau deutscher Studien ist oftmals sehr verschachtelt, langatmig und nur für diejenigen verstehbar, die aktiv in der Forschung tätig sind. Das darf jedoch nicht der Fall sein! Denn Pflegewissenschaft und die Hebammenwissenschaft forschen für die Praktiker:innen, die die Forschungsergebnisse in die Praxis umsetzen müssen, beispielsweise im Rahmen von Leitlinien, die sich wiederum auf die Forschungsfelder beziehen. Es muss demnach eine Fachsprache der Meta-Ebene gewählt werden, die gut verständlich ist. Und diesen Aspekt spiegelt die englischsprachigen Studien wider. Sie sind in vielen Bereichen viel kürzer. Die Seitenzahl sprengt nicht allzu oft den Rahmen. Wie man eine englische Studie, ein Paper oder einen Article liest, beschreibt der Kasten in sechs Punkten.

 

Englische Studien und Papers lesen

 

Von der Vorbereitung zur Erkenntnis für die Praxis

 

1. Get ready to read. (Bereite Dich auf das Lesen vor!)

  • What do you already know about this topic? (Was weißt du über dieses Thema?)
  • What questions do you have? (Welche Fragen hast du zu diesem Thema?)

2. Look over the paper, be curious! (Schau dir das Paper an, sei neugierig!)

  • Who wrote the paper and when? (Wer hat wann dieses Paper wann geschrieben?)
  • What structure does the paper have? (Wie ist das Paper aufgebaut? Struktur, Methode …)

3. Skim the whole paper (read the paper superficially, not every word). (Überfliege das Paper und lies es oberflächlich! Nicht jedes einzelne Wort muss verstanden werden!)

  • Read the abstract, the introduction and the conclusion. (Lies das Abstract, die Einführung und die Schlussfolgerung.)
  • Mark the words you see repeated. (Unterstreiche Wörter im Text, die häufiger auftreten!)

4. Read the paper more careful. (Lies das Paper genauer, denn du weißt nun, um was es geht!)

  • Look up the most important words. (Schlage die wichtigsten Wörter nach.)
  • Create your own way of recording the new words. (Erstelle deine eigene Vokalbelliste – analog oder digital).
  • Notice words that introduce the paragraphs! (Beachte die Wörter, die die Absätze einleiten!)

5. Work on a visual image of the paper – for example, a chart, table etc.. (Visuelles Arbeiten kann bei der Textarbeit helfen – beispielsweise mit Tabellen, Mappen, Listen.)

6. Check your comprehension. (Überprüfe, ob du den Text verstanden hast.)

  • What is the core message of what you have just read? (Was ist die Kernaussage des Textes?)
  • What is the author‘s opinion? (Welche Meinung hat der Autor/die Autorin?)
  • What new knowledge was presented? (Welche neuen Erkenntnisse wurden präsentiert?)
  • Can you give examples of your own? (Hast du aus deiner Hebammenpraxis eigene Beispiele, die zu diesem Artikel passen?)
  • Decide how you will use the text. (Entscheide, wie du die neuen Erkenntnisse in deinem Berufsalltag verwenden wirst.)

Quelle: Ford 2013, 100; Übersetzung: Sabine Torgler, 2021

 

Lehre: Verbindung aus Theorie und Praxis

 

In der Lehrtätigkeit ist es wichtig, die Theorie mit der Praxis zu verbinden. Ich muss die Theorie so gut verstehen, dass ich mein theoretisches Fachwissen professionell in meine Pflegepraxis umsetzen kann und auch professionell lehren kann.

Mit »English for Midwives« unterrichte ich die praktische Hebammenkunde, als sei die Frau gleichsam im Raum anwesend. Kernfrage: Wie können Hebammen, die Englisch nicht als Muttersprache haben, professionell mit den »internationalen Frauen« kommunizieren? Das lehre und diskutiere ich mit Kolleg:innen in Sprachworkshops.

Auch das theoretische Englisch mit Bezug auf Pflegepädagogik, Pflegewissenschaft oder Pflegeforschung lehre ich. In englischer Sprache diskutieren wir die Fachtermini aus Pflege und Pflegewissenschaft. Den Forschungsprozess auf Englisch zu diskutieren, ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Denn es regt zum Nachdenken, Reflektieren und Handeln an.

 

Übung macht die Meisterin

 

Viele Themen in Studien sind gut nachvollziehbar, denn sie beziehen sich auf die Praxis. Das hat einen positiven Aspekt, denn wir finden uns in diesen Texten wieder. Es weckt somit unser Interesse.

Liest man das Abstract einer Studie/eines Papers und versteht es auch im Querlesen, dann ist schon viel gewonnen. Dieser positive Prozess soll zum Weiterlesen und zum Weiterforschen anregen. Stellt man sich die richtigen Fragen und entwickelt zielführende Gedanken, ist man schon auf dem richtigen Weg des kritischen Nachdenkens auf Englisch.

 

Kursinhalte »English for Midwives«

 

  1. Welcome and Introduction
  2. Woman Admission & Basic Nursing Care
  3. Abdominal & Vaginal Examination
  4. Foetal Positioning
  5. First Stage of Labour and Coping with Pain
  6. Second Stage of Labour
  7. Third Stage of Labour
  8. Postpartum or After Care
  9. Woman & Baby Discharge

Zu diesem Kurs gibt es weitere Moduleinheiten, die über den DHV und in Frauenkliniken in Deutschland und der Schweiz gelehrt werden. Alles ist Dank der Digitalisierung nun gut möglich.

Die Hebammenkunde hat ihre Fachsprache, auch die damit einhergehende Hebammenwissenschaft. Je häufiger man wissenschaftliche Texte liest, desto schneller lernt man das Fachvokabular und kann es auch in der Wissenschaft auf der Meta-Ebene anwenden.

Last but not least sollte man nie vergessen, dass man es kann! You can do it! Die emotionale Ebene, nämlich das Selbstvertrauens, dass man wissenschaftliche Texte lesen kann, spielt eine ganz wichtige Rolle. Das Selbstvertrauen der Pflegenden und Hebammen in den deutschsprachigen Ländern kann noch weiter gepusht werden. Das erste Paper auf Englisch gelesen zu haben, ist der Start für akademisches Arbeiten!

 

Vorgestellt

 

Bildungsnetzwerk »English for Nurses«

 

2011 hat Sabine Torgler das internationale Pflegenetzwerk »English for Nurses« gegründet, das mittlerweile ein Bildungsnetzwerk ist – mit Englisch-Fachkursen aus der Pflege, Hebammenkunde, Medizin, Physiotherapie und Krankenhausverwaltung. Inzwischen wurde es im Erasmusprojekt verankert. English for Nurses kooperiert mit sechs EU-Ländern, in denen die Sprachworkshops unterrichtet werden.

Kontakt: Sabine Torgler: sabine@englishfornurses.org

www.englishfornurses.org

Rubrik: Ausbildung & Studium | DHZ 11/2021

Literatur

Ford Y: Effective Reading Strategies for academic Texts. In: Panfil E-M (Hrsg.): Wissenschaftliches Arbeiten in der Pflege – Lehr- und Arbeitsbuch für Pflegende. Huber Verlag. Bern 2013

Ford, Y: Nursing English Essentials. Hogrefe Verlag 2017

Schrems B: Eine gute Frage ist der halbe Weg. In: Panfil E-M (Hrsg.): Wissenschaftliches Arbeiten in der Pflege – Lehr- und Arbeitsbuch für Pflegende. Huber Verlag. Bern 2013
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