Sternenkinder bestatten

Die Bestattungsgesetze der Bundesländer sind unterschiedlich und mitunter sogar widersprüchlich, wenn es um früh verstorbene Kinder geht. Hebammen sollten sich damit auskennen, um betroffene Eltern gut beraten, schützen und ermutigen zu können. Dr. Clarissa Schwarz, Lea Gscheidel
  • Die Eltern eines lebend geborenen Sternenkindes müssen sich selbst um eine Bestatterin oder einen Bestatter kümmern und ihr Kind nach den Gesetzen beisetzen, die in ihrem Bundesland gelten.

Der Begriff »Sternenkind« hat sich in den letzten Jahren für alle Kinder herausgebildet, die während der Schwangerschaft oder im ersten Lebensjahr sterben. Für den Alltag, das Trauern und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Betroffenen ist es ein guter Begriff – gerade, weil er keinen Unterschied macht zwischen Schwangerschaftswochen, Grammzahlen, Lebenszeit außerhalb des Mutterleibs und Todesursache. Der Begriff eint all jene, die um ihr Baby trauern. Die meisten Familien (nicht alle) fühlen sich mit diesem Wort wohler als mit den medizinisch und juristisch korrekteren.

Wenn es jedoch darum geht, eine Familie nach dem Tod ihres Kindes gut zu begleiten, sollten alle beteiligten Fachleute wissen, mit welcher »Art« Sternenkind wir es zu tun haben. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen und damit auch die Rechte und Pflichten der Eltern sind sehr unterschiedlich.

Grundsätzlich gilt: Es ist das Kind seiner Eltern, und die Eltern dürfen – und müssen teilweise auch – Entscheidungen für ihr Sternenkind treffen. Das Kind ist nicht Eigentum der Klinik, auch wenn diese oft dazu verpflichtet ist, einen ethisch einwandfreien Umgang mit dem toten Körper zu gewährleisten. Hier kommt es in der Praxis oft zu Missverständnissen. Beispielsweise werden Eltern nicht selten daran gehindert, ihr totes Kind noch einmal nach Hause zu holen, es selbst in den Sarg zu betten oder im eigenen Garten zu begraben – owohl es in dem jeweiligen Bundesland vielleicht gar keine Gesetze gibt, die dies verbieten. Und die meisten Eltern würden noch nicht einmal fragen, weil sie nicht wissen, dass sie das dürften. Hier kann die Begleitung einer empathischen und gut informierten Hebamme einen großen Unterschied machen für das weitere Leben dieser Familie und ihren Weg der Trauer.

 

Gesetzliche Rahmenbedingungen

 

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Umgang mit dem toten Körper regeln, sind von Bundesland zu Bundesland verschieden und im jeweiligen Bestattungsgesetz zu finden. Es werden unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet, die leider oft nicht ordentlich definiert werden: Leibesfrucht, Fetus, Embryo, Ungeborenes, Fehlgeborenes, Fehlgeburt, Totgeborenes, Totgeburt, Neugeborenes, Lebendgeburt. Grob kann man vier Kategorien unterscheiden.

 

Das Fehlgeborene: vom »Zellklumpen« bis 500 g oder mit 1000 g Geburtsgewicht und ohne Lebenszeichen geboren

 

Ein fehlgeborenes Kind ist vor dem Gesetz noch keine Person, keine Leiche und damit auch nicht bestattungspflichtig. Es muss aber zumindest »ethisch einwandfrei und dem sittlichen Empfinden entsprechend entsorgt« werden. Die Definitionen für Fehlgeborene unterscheiden sich in den Bundesländern (siehe Tabelle als pdf-Datei zum Download).

Eltern dürfen ihre fehlgeborenen Kinder in allen Bundesländern individuell beisetzen, wenn sie das wünschen. Sie müssen aber selbst für die Kosten aufkommen und haben leider kein Recht auf finanzielle Unterstützung vom Sozialamt, da sie nicht dazu verpflichtet sind. Manche Familien können sich eine individuelle Beisetzung ihres fehlgeborenen Sternenkindes schlicht nicht leisten.

Da Fehlgeborene nicht als Leichen gelten, dürfen Eltern sie in manchen Bundesländern selbst transportieren, aufbewahren und eigenständig beisetzen, wo immer sie möchten. Das kann eine offizielle Beisetzung in einem Grab auf dem Friedhof sein, es kann aber auch privat im Garten sein. BestatterInnen sind nicht immer notwendig, können aber hilfreich sein. In vielen Regionen gibt es Sternenkindervereine, die die Familien ehrenamtlich unterstützen und oft auch praktisch bei der Bestattung helfen. Allerdings gibt es auch Bundesländer, in denen die Beisetzung außerhalb der dafür vorgesehenen Orte eine Ordnungswidrigkeit darstellt, allerdings keine Straftat. Das gilt zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Es empfiehlt sich daher, sich über die Regelungen im eigenen Arbeitsumfeld genau zu informieren. Vielleicht durch einen Anruf bei einer örtlichen Bestatterin, beim lokalen Friedhof, bei der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas e.V. oder dem nächsten Sternenkinderverein.

Möchten die Eltern ihr Kind nicht individuell beisetzen, wird es in den meisten Bundesländern tiefgefroren oder anderweitig konserviert und bis zur nächsten Sammelbeisetzung aufbewahrt. Manche Einrichtungen führen Erdbestattungen durch, andere Feuerbestattungen und einige lassen mit Rücksicht auf religiöse Vorstellungen der Eltern beides zu.

Insbesondere bei relativ frühen kleinen Geburten außerhalb eines Krankenhauses können die Eltern frei gestalten, wie sie Abschied nehmen und ihr Sternenkind bestatten möchten. Die betreuende Hebamme ist dann vielleicht die Einzige, die sie mit Fachwissen unterstützen und auf die verschiedenen Möglichkeiten hinweisen kann.

Auch wenn in vielen Bundesländern eine Aufklärungspflicht besteht, werden viele Frauen von ihren GynäkologInnen kaum über ihre Rechte aufgeklärt. Nicht wenige fragen sich noch Jahre später, was eigentlich mit ihrem fehlgeborenen Kind passiert ist und hätten es vielleicht gerne nochmal zu Hause gehabt oder selbst bestattet. Das kann nicht nur die Trauer um dieses Kind stark belasten, sondern sich auch auf Folgeschwangerschaften auswirken.

Besonders bei frühen spontanen Fehlgeburten oder auch bei Schwangerschaftsabbrüchen ist eine gut informierte und empathische Hebamme oft die Einzige, die Unterstützung anbieten kann. Und vielleicht entscheidet sich eine Frau dann anders über den Ort für das kleine Sternenkind, wenn ihre Möglichkeiten zum Abschiednehmen und Bestatten dadurch besser werden.

 

Die Leibesfrucht aus einem Schwangerschaftsabbruch oder das Ungeborene: oft einem Fehlgeborenen gleichgestellt – mit einigen Abweichungen

 

In keinem der 16 Bestattungsgesetze wird der »Schwangerschaftsabbruch« genauer definiert. Mal ist es eindeutiger, mal ungenauer beschrieben, was mit einer »Leibesfrucht aus einem Schwangerschaftsabbruch« eigentlich gemeint ist. Manchmal ist auch von einem Fetus, Embryo oder Ungeborenen die Rede und manchmal gibt es Angaben von Schwangerschaftswochen. Man kann davon ausgehen, dass meist eher ein früherer Abbruch gemeint ist und kein Spätabbruch. Späte Abbrüche werden eher den Totgeburten gleichgesetzt.

Nach einem Schwangerschaftsabbruch haben die Eltern in einigen Bundesländern weniger Rechte, als wenn es sich um ein Fehlgeborenes handeln würde. In anderen Ländern sind sie komplett gleichgestellt mit Fehlgeborenen und in manchen ist es möglich, die »Leibesfrucht aus einem Schwangerschaftsabbruch« in die Sammelbestattung zu geben, wenn sie über 500 g wiegt. Es lohnt sich also, sich gut zu informieren, etwa bei der Klinikleitung oder in der hauseigenen Pathologie.

Abgesehen von den Bestattungsgesetzen der Länder, gibt es ein relevantes Bundesgesetz, das überall gleich gilt: das Personenstandsgesetz.

Seit 2013 können Eltern für ihre Kinder, die unter 500 g Geburtsgewicht hatten, auf dem Standesamt eine Geburtsbescheinigung ausstellen lassen, die aussieht wie eine Geburtsurkunde und in das Familienbuch integriert werden kann – ein Eintrag in das Personenstandsregister ist damit allerdings nicht verbunden. In die Bescheinigung können Angaben zum Kind (Vor- und Familienname, Geschlecht, Geburtstag und Geburtsort), zu Mutter und Vater (Vor- und Familienname, gegebenenfalls Geburtsname sowie Religion) aufgenommen werden. Für die Ausstellung einer solchen Geburtsbescheinigung gibt es keine Frist, dies kann noch Jahre später erfolgen und auch für Kinder, die vor 2013 geboren sind. Es gibt Familien, denen das sehr hilft.

 

Die Totgeburt: ab 500 g oder 1.000 g Geburtsgewicht und ohne Lebenszeichen geboren

 

Ein totgeborenes Kind über 500 g ist eine Person, bekommt einen Eintrag ins Personenstandsregister des Standesamtes und eine Geburtsurkunde. Im Zuge dessen müssen die Eltern entscheiden, ob sie ihrem Kind einen Vornamen geben möchten – wenn nicht, wird nur der Nachname und das Geschlecht vermerkt.

In den Bestattungsgesetzen werden Totgeborene zumeist als Leiche definiert, sind daher auch fast überall bestattungspflichtig und unterliegen denselben Vorgaben wie erwachsene Verstorbene (siehe Tabelle, online zum Artikel). In wenigen Bundesländern ist eine Sammelbestattung dennoch möglich, insbesondere nach einem Schwangerschaftsabbruch. Meistens bedeutet es aber, dass die Eltern verpflichtet sind, BestatterInnen zu beauftragen und sich selbst um die Beisetzung ihres Kindes zu kümmern.

Die Todesumstände spielen im Standesrecht keine Rolle und in den Bestattungsgesetzen wird kein Unterschied in den Rechten und Pflichten der Eltern gemacht. Auch nach einem Spätabbruch bekommt das Kind eine reguläre Geburtsurkunde und die Eltern sind finanziell und organisatorisch für die Bestattung verantwortlich. Mit der Bestattungspflicht haben Eltern aber auch das Recht auf finanzielle Unterstützung vom Sozialamt, wenn sie für die Bestattung nicht aufkommen können – Stichwort »Sozialbestattung«.

 

Lebendgeborene: Kinder, die mit Lebenszeichen geboren wurden, unabhängig vom Geburtsgewicht

 

Für die Bestattung macht es keinen Unterschied, ob ein Mensch drei Minuten gelebt hat und 270 g wog, mit 5 Monaten und 8 Kilo am plötzlichen Kindstod gestorben ist oder 94 Jahre alt wurde und 80 Kilo wiegt. Dieser Mensch ist geboren, hat gelebt und ist gestorben. Dieser Mensch bekommt somit sowohl eine Geburtsurkunde als auch eine Sterbeurkunde und ist in jedem Fall bestattungspflichtig.

Die Eltern eines lebend geborenen Sternenkindes müssen sich daher immer um eine Bestatterin oder einen Bestatter kümmern und ihr Kind nach den Gesetzen bestatten, die in dem jeweiligen Bundesland gelten. Auch sie haben das Recht auf Unterstützung vom Sozialamt, wenn die eigenen finanziellen Mittel nicht reichen.

 

Beisetzungsmöglichkeiten

 

Grundsätzlich muss in Deutschland jede Person ein eigenes Grab haben und auf einem öffentlichen Grabfeld bestattet werden (Friedhofszwang). Eine Erdbeisetzung darf nur auf Friedhöfen stattfinden. Nach einer Kremation darf die Asche auf speziell ausgewiesenen Gebieten auf See und seit einigen Jahren auch auf speziellen Waldflächen beigesetzt werden. In manchen Bundesländern gibt es Ausnahmen von der Regel, dass jede Person ihr eigenes Grab haben muss: für Mehrlingsbabys, Mutter und Kind, wenn beide bei der Geburt verstorben sind oder die Mutter schwanger verstorben ist. Die Möglichkeit der Sammel- oder Gemeinschaftsbestattung für Sternenkinder gibt es in den Bestattungsgesetzen daher nur, wenn die Kinder nicht bestattungspflichtig sind.

Allerdings ist es kompliziert festzustellen, welche Kinder genau bestattungspflichtig sind, da das bundesweit geltende Standesrecht ein Kind ab 500 g zur Person definiert, die Bestattungsgesetze der Länder aber oft andere Grenzen ziehen und teilweise noch nicht einmal in sich einheitlich sind (siehe Tabelle unter www.dhz.de, zum Beispiel Schleswig-Holstein). Einige Bundesländer definieren Kinder ab 500 g als Leichen und sagen, dass Leichen bestattungspflichtig sind, aber machen dann für Totgeborene zwischen 500 und 1000 g eine Ausnahme (zum Beispiel Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern). Es empfiehlt sich daher, für den eigenen Wirkungskreis einen Spickzettel zu schreiben – zumindest in den Bundesländern, wo es etwas kompliziert ist.

Wenn die Geburt in einer Klinik stattgefunden hat, müssen die Eltern oft noch vor der Entlassung ein Formular unterschreiben, in dem sie sich entweder für eine individuelle Bestattung oder für eine Sammelbestattung entscheiden. Viele Eltern wissen in dem Moment weder, was das für sie bedeutet, noch, was für sie der richtige Weg ist. Manche können sich später nicht einmal erinnern, was sie angekreuzt haben. Hier wäre eine frühzeitige, empathische und fundierte Aufklärung sehr hilfreich. Vielleicht sogar so frühzeitig, dass die Eltern noch eine Nacht darüber schlafen können, bevor sie das Formular unterschreiben.

 

Sammelbestattung

 

Nicht-bestattungspflichtige Sternenkinder können in den meisten Bundesländern in einer Sammelbestattung beigesetzt werden (auch Gemeinschaftsbestattung genannt). Manchmal müssen die Eltern einen kleinen Beitrag selbst übernehmen, manchmal übernimmt dies ein Verein oder die Kirchengemeinde und in manchen Bundesländern ist die Klinik verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Oft ist es so, dass das Krankenhaus die Kinder zwar aufbewahrt und sich verantwortlich für eine »ethisch einwandfreie« Bestattung fühlt, die konkrete Umsetzung wird aber oft von einer örtlichen Kirchgemeinde, der Krankenhausseelsorge oder von einem Sternenkinderverein organisiert.

Je nach Größe des Krankenhauses finden die Gemeinschaftsbeisetzungen mehrmals im Jahr statt. Die konkrete Umsetzung ist sehr unterschiedlich. Es kann sehr liebevoll geschehen und die Eltern haben manchmal die Gelegenheit, den Sarg oder die Urne für die gemeinsame Asche der Sternenkinder zu bemalen, an einer Trauerfeier und der Beisetzung teilzunehmen – es kann aber auch sehr technisch und nüchtern sein. So sind die Erfahrungen der Eltern mit dieser Möglichkeit der Beisetzung sehr verschieden. Die Wartezeiten können sehr unterschiedlich lang sein. Es hat daher schon Eltern gegeben, die sich umentschieden haben und dann doch individuell beisetzen wollten. Solange das Kind noch in der Kühlung des Krankenhauses ist, sollte das kein Problem sein. Wenn Eltern im Prinzip gerne eine individuelle Bestattung möchten, vielleicht sogar im eigenen Garten oder bei Oma im Grab, sich aber unsicher sind, ob und wie das möglich ist, können sie sich an einen örtlichen Sternenkinderverein wenden oder auch an engagierte BestatterInnen. In den meisten Fällen lassen sich gute Lösungen finden. Über diese individuellen und teils kostengünstigen Möglichkeiten werden die Eltern meist nicht informiert.

 

Individuelle Bestattung

 

Für individuelle Bestattungen müssen in der Regel BestatterInnen beauftragt werden, die dann die Familie weiter begleiten.

Grundsätzlich sind alle Bestattungen, die es für Erwachsene gibt, auch für Sternenkinder möglich. Es ist vielleicht gut zu wissen, dass bei einer Kremation von einem Sternenkind, je nach Knochenstruktur des Kindes, nicht mehr viel übrig bleibt. Während der Einäscherung verbrennt alles, was nicht mineralisch ist, und da die Knochen der Kleinen noch nicht ausgehärtet sind, wird der Körper eigentlich der Luft übergeben. Es bleibt vielleicht eine Prise bis ein Fingerhut Asche, die dann noch bestattet werden kann.

Rubrik: Beruf & Praxis | DHZ 1/2021

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