Leseprobe: DHZ 06/2019
20 Jahre Qualitätskontrolle der außerklinischen Geburtshilfe

Forschung im Sinne der Wahlfreiheit

Eine Stellungnahme des Beirats der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG e.V.) zur Wahl des Geburtsortes.

In Deutschland hat jede Versicherte gemäß § 24f. des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) einen Anspruch auf eine ambulante oder stationäre Geburt. Dabei kann die Geburt ambulant in einem Krankenhaus, in einer von einer Hebamme geleiteten Einrichtung, in einer ärztlich geleiteten Einrichtung, in einer Hebammenpraxis oder im Rahmen einer Hausgeburt stattfinden. Für den Beirat der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG e.V.) ist die Wahlfreiheit der Frauen in Bezug auf den Geburtsort ihres Kindes selbstverständlich. Die Datenanalysen von QUAG e.V. ergeben seit 20 Jahren, dass für die Frauen in Deutschland, die hebammenbegleitet einen außerklinischen Geburtsort wählen, dieser eine sichere und zudem durch geringe Interventionsraten geprägte Alternative zur Klinikgeburt darstellt. Ob, und wenn ja, für welche Frauen, in welchem Land, eine Klinik der sicherste Geburtsort ist, ist wissenschaftlich immer noch nicht ausreichend untersucht.

Wie die GesundheitswissenschaftlerInnen Ole Olsen und Jette A. Clausen 2012 in ihrem Cochrane-Review anhand der einzigen eingeschlossenen Studie von Therese Dowswell und Forschungsteam aus dem Jahr 1996 zeigen konnten, werden sich dazu randomisierte kontrollierte Studien in Ländern, in denen Frauen bereits das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes besitzen, nicht durchführen lassen. Stattdessen muss die wissenschaftliche Evidenz auf sorgfältig realisierte Beobachtungsstudien zurückgreifen.

Für »Low risk«-Schwangere liegt die – wenn auch noch relativ schwache – wissenschaftliche Evidenz vor, dass der außerklinische Geburtsort sicher ist, sowohl für die Mutter als auch ihr erstes und alle folgenden Kinder (NICE Guideline 2014; Scarf 2018). Hier kann in einem Beratungsgespräch der Wunsch der Frau nach Schmerzmitteln eher den Ausschlag geben, sich für die Klinikgeburt zu entscheiden, während eine Präferenz der interventionsarmen Geburt oder einer erfolgreichen Stillbeziehung den außerklinischen Geburtsort nahelegen. Für Schwangere, die Befunde aufweisen und damit Risiken mitbringen, lässt sich keine wissenschaftliche Evidenz finden, da Frauen mit Risiken in den meisten Studien ausgeschlossen werden. Allerdings weist eine neue Studie aus Island darauf hin, dass Schwangere ohne Befunde für sich und ihr Kind in der außerklinischen Geburt ein besseres Outcome erreichen als bei einer Klinikgeburt, während Schwangere mit Befunden an jedem Geburtsort Komplikationen wie Verlegung oder Kaiserschnitt ausgesetzt sind, wenn auch unterschiedlicher Art (Halfdansdottir 2018).

Der Beirat empfiehlt deshalb: Frauen sollten auf der Grundlage der bestehenden wissenschaftlichen Evidenz zur Frage des Geburtsorts je nach ihren individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen beraten werden.

 

Ergebnisse aus rund 200.000 Geburten

 

Die Daten von QUAG e.V. werden zur Qualitätssicherung erhoben. Der Beirat der Gesellschaft berät die außerklinische Geburtshilfe in Deutschland regelmäßig anhand der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage zur Weiterentwicklung ihrer Qualitätssicherung und weist auch auf Möglichkeiten der Sekundäranalyse im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen hin. Es ist nicht angebracht, die erhobenen Daten direkt als Material zum Vergleich von Klinikgeburt und außerklinischer Geburt zu verwenden. Zunächst müsste ein Abgleich der Eingangsvoraussetzungen der Frauen, die den jeweiligen Geburtsort wählen, und eine einheitliche Einschätzung des Schweregrades des dokumentierten Befundes erfolgen. Eine prospektiv angelegte Studie wäre wünschenswert. Randomisierte Studien könnten dagegen am ehesten in Ländern durchgeführt werden, in denen Hausgeburten heute nur sehr selten auftreten und Frauen mit der Studie eine Möglichkeit erhalten, auch diesen Geburtsort zu realisieren.

Der inzwischen umfangreiche Datensatz der QUAG e.V., der insgesamt rund 200.000 Geburten umfasst, erlaubt Studien in Form von Sekundäranalysen wie die der Hebamme und Gesundheitswissenschaftlerin Lea Beckmann und ihren KollegInnen aus dem Jahr 2014. So entstanden beispielsweise Erkenntnisse zu den Ergebnissen und zur Motivation von Gebärenden, die sich nach vorangegangenem Kaiserschnitt in einer Folgeschwangerschaft für den außerklinischen Weg entscheiden.

In Deutschland wurde im Zuge der Entwicklung des Nationalen Gesundheitsziels 13 »Gesundheit rund um die Geburt« ein detaillierter und wegweisender Maßnahmenkatalog entwickelt und etabliert (siehe Link). Zu seinen wichtigsten Forderungen gehören die interventionsarme, frauenzentrierte Geburt (Teilziel 2.1.) und die bessere Zusammenarbeit zwischen den Professionen (Teilziele 1.7.und 2.3.).

Die interdisziplinär erstellte Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, den der Beirat teils auch personell unterstützt. Auf die Bedeutung des nationalen Gesundheitsziels und den Beitrag der außerklinischen Geburtshilfe hierzu weist der Beirat ausdrücklich hin. Ein weiterer Schritt wäre eine mit Vertreterinnen der werdenden und gewordenen Eltern gemeinsam erstellte Leitlinie zur Wahl des Geburtsortes, die unter anderem in eine Informationsbroschüre zu den Vor- und Nachteilen eines Geburtsortes im individuellen Fall mündet.

 

Die AutorInnen

 

Bei den Autorinnen handelt es sich um die Beiratsmitglieder der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG) e.V.: Prof. Dr. Beate Schücking (Rektorin Universität Leipzig), Dr. Susanne Bässler-Weber (Arbeitskreis Frauengesundheit/AKF), Prof. Dr. Rainhild Schäfers (Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft/DGHWi), Dr. Björn Misselwitz (GQ-Hessen), Prof. Dr. Mechthild Groß (Medizinische Hochschule Hannover – Bereich Hebammenwissenschaft) und Dr. Dirk Olbertz (Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin/GNPI).

Rubrik: Politik & Gesellschaft | DHZ 06/2019

Literatur

Beckmann L, Barger M, Dorin L, Metzing S, Hellmers C: Vaginal birth after cesarean in German out-of-hospital settings: maternal and neonatal outcomes of women with their second child. Birth 2014. 41(4), 309–315

Dowswell T, Thornton JG, Hewison J, Lilford RJ, Raisler J, Macfarlane A et al.: Should there be a trial of home versus hospital delivery in the United Kingdom? Br Med J 1996. 312 (7033): 753-757

Halfdansdottir B, Hildingsson I, Smarason, AK, Sveinsdottir H, Olafsdottir OA: Contraindications in planned home birth in Iceland: A retrospective cohort study. Sexual & Reproductive Healthcare 2018. https://doi.org/10.1016/j.srhc.2017.11.002. 15, 10–17
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