Leseprobe: DHZ 09/2016
Ratgeber der Verbraucherzentrale

Frei und unabhängig

Was muss ich wissen, um die richtigen Fragen zu stellen? Brauchte es einen weiteren Ratgeber zu Schwangerschaft und Geburt? Ja, einen ganz anderen als die üblichen, meinte die Verbraucherzentrale und mit ihnen die Autorinnen, weil Eltern für eine bewusste Entscheidung unabhängige Informationen benötigen. Elke Mattern, Carina Frey,
  • Schon in der Schwangerschaft sollte die Frau sich informieren und den Geburtsort und -modus bewusst wählen können.

Frauen, die ihre Geburt selbst gestalten möchten, brauchen Informationen über die unterschiedlichen geburtshilflichen Herangehensweisen der Kliniken, die zur Auswahl stehen. Bei Befunden wie Mehrlingen, einer Beckenendlage oder nach vorangegangenem Kaiserschnitt müssen sie beispielsweise herausfinden, wie damit in den jeweiligen Kliniken verfahren wird. Rät das geburtshilfliche Team der Klinik in diesen Fällen automatisch zum Kaiserschnitt oder versucht es zunächst eine Spontangeburt? Betroffene Frauen benötigen objektive Informationen über Vor- und Nachteile der Sectio, damit sie eine bewusste Entscheidung für oder gegen diese Intervention treffen können. Die Aufklärung spielt somit eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung für oder gegen einen Kaiserschnitt.

Am Anfang des Buchprojektes stand daher eine Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Sie wollte wissen, wie die Geburtskliniken in NRW zum Thema Kaiserschnitt aufklären. Das Ergebnis war ernüchternd: Die Mehrzahl der Kliniken informiert unzureichend, lückenhaft und viel zu spät. Teilweise klären Kliniken erst dann über den Kaiserschnitt auf, wenn die Schwangere schon angemeldet oder aufgenommen ist, und dann auch nur, wenn erkennbare Risiken vorliegen. Frauen, die nicht um eine Beratung bitten oder eine unauffällige Schwangerschaft haben, müssen auf diese Informationen verzichten. Treten während der Geburt Komplikationen auf, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in den Eingriff einzuwilligen. Für eine Abwägung möglicher Alternativen ist es dann zu spät. Das ist bei einem unkalkulierbaren Notfall vertretbar. Doch bei der Mehrzahl der Sectiones ist umstritten, ob es sich um einen Notfall handelt. Die Kliniken haben Handlungsspielräume. Entsprechend routinemäßig sollten sie zum Kaiserschnitt aufklären. Sie tun es nicht.

Hier kommt das Buch „Schwangerschaft und Geburt selbstbestimmt" der Verbraucherzentralen ins Spiel (Bertelsmann Stiftung 2012). Es war bewusst als Alternative zu der Flut an Wohlfühl-Schwangerschaftsratgebern gedacht. Die Autorinnen und die Verbraucherzentrale wollten nicht das x-te Buch verfassen, in dem die Schwangerschaft Woche für Woche beschrieben wird. Davon gibt es genug. Unabhängige Informationen zu finden, ist dagegen ungleich schwerer. Dafür steht dieses Buch. Nur wer weiß, dass die meisten Kaiserschnitte nicht zwingend erforderlich sind, hinterfragt sie und informiert sich über Alternativen. Nur wer weiß, dass Kliniken Geburtsrisiken sehr unterschiedlich einschätzen, besichtigt beim Infotag nicht nur den Kreißsaal, sondern erkundigt sich auch nach dem Umgang mit schwierigen Geburten und der Kaiserschnittrate des Hauses. Nur wer unabhängige Informationen bekommt, hat die Basis für überlegte Entscheidungen.

Die Sectio ist nur ein Thema im Buch. Pränataldiagnostik, Vorsorgeuntersuchungen und Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in der Schwangerschaft oder Gebärhaltungen und Schmerzlinderung unter der Geburt sind weitere Themen.

Schwangere sollen in die Lage versetzt werden, gut informiert Entscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Sie sollen wählen können, wie viele medizinische Leistungen sie während der Schwangerschaft in Anspruch nehmen möchten.

 

Kaiserschnitt – Entwicklung und regionale Verteilung

 

Der Kaiserschnitt hat in dem Ratgeber eine besondere Rolle eingenommen. Denn über 90 Prozent der Kinder in Deutschland werden in einer Klinik geboren und jede zweite oder dritte Schwangere muss dort mit einem Kaiserschnitt rechnen – und immerhin noch jede siebte Gebärende, die im physiologischen Geburtszeitraum mit einem Kind in Schädellage mit dem Wunsch einer spontanen Geburt in eine Klinik kommt (AQUA 2014). Allerdings sind es meist nicht die üblichen Risikofaktoren wie höheres Alter der Mutter, Mehrlinge, Frühgeburt, Adipositas oder Diabetes, die zur sekundären Sectio führen. Der Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann-Stiftung hat 2012 ergeben, dass wesentlich häufiger die Entscheidung, die Geburt zu beenden, eine unterschiedliche Auslegung der weichen Indikationen zum Kaiserschnitt die Ursache sind (Bertelsmann Stiftung 2012). Demnach haben weniger als 10 von 100 Frauen, deren Kind durch Kaiserschnitt geboren wurde, einen Kaiserschnitt aus zwingendem Grund beziehungsweise absoluter Indikation erhalten. Auch gibt es starke regionale Unterschiede, wie großzügig weiche und harte Indikationen ausgelegt werden.

Eine Übersicht und ein einfacher Vergleich zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten ist im Internet zu finden unter https://faktencheck-gesundheit.de/de/faktenchecks/kaiserschnitt/ergebnis-ueberblick/.

 

Absolute Indikation für die Sectio

 

Der Ratgeber klärt auf, dass ein zwingender Grund, also eine absolute Indikation für einen Kaiserschnitt, lebensrettend ist und aus medizinischen Gründen nicht angezweifelt werden kann (Mattern, Ensel & Frey 2015). Als geplante Kaiserschnitte werden die Querlage bei etwa 1 von 200 Kindern (AQUA 2014), Einstellungsproblematiken des kindlichen Kopfes aufgrund der Form des mütterlichen Beckens und die Placenta praevia erwähnt. Ein geplanter oder zumindest frühzeitiger Kaiserschnitt sei auch bei Präeklampsie oder HELLP-Syndrom indiziert. Für die LeserInnen werden als absolute Indikation für einen sekundären Kaiserschnitt die Gefahr der Uterusruptur und die Minderversorgung des Kindes durch Plazenta- oder Nabelschnurprobleme benannt. Für Fachpersonen zeigt sich bei den beiden letzten Indikationen ein erster geburtshilflicher Ermessensspielraum.

Ein vorangehendes Kapitel erläutert neben häufigen Interventionen wie Wehentropf, Amniotomie, Dammschnitt, VE oder Zange auch den Notkaiserschnitt. Dort wird die Gefährdung für das Leben von Mutter oder Kind durch eine vorzeitige Plazentalösung, eine fetale Azidose, einen Nabelschnurvorfall und Probleme bei Eklampsie und HELLP-Syndrom erläutert und darauf hingewiesen, dass ein Notkaiserschnitt innerhalb von 20 Minuten zu erfolgen hat und dass immerhin eine von 100 Schwangeren von einem Notkaiserschnitt betroffen ist (AQUA 2014).

 

Relative Indikation für die Sectio

 

Der Ratgeber weist die LeserInnen darauf hin, dass bei relativer Indikation zum Kaiserschnitt zwar ein medizinischer Grund vorliegt, es aber immer noch Alternativen gibt, die eine Spontangeburt ermöglichen. Der sekundäre Kaiserschnitt mit relativer Indikation ist abhängig von der Einschätzung der Ärztin oder des Arztes, von dem üblichen Vorgehen in der Klinik und von der gemeinsamen Entscheidung von Ärztin oder Arzt, Hebamme und der Gebärenden. Entsprechend der Publikation des Faktenchecks Gesundheit wird darauf hingewiesen, dass nicht eine deutschlandweite ungleiche Verteilung auffälliger Schwangerschaften oder von Frauen mit Geburtsrisiken zu den regional stark unterschiedlichen Kaiserschnittraten führt. Vielmehr ist ein Kaiserschnitt mit relativer Indikation bei üblichem Vorgehen in der Klinik zusätzlich abhängig von dem medizinischen Umgang mit Geburtsrisiken, mit Re-Sectiones bei Zustand nach Sectio und von der (nächtlichen) personellen Besetzung im Kreißsaal und im OP.

Der Ratgeber weist darauf hin, dass bei den weichen Indikatoren die Re-Sectio als häufigster Grund einer erneuten Sectio angegeben wird. Bei 15 von 100 Kaiserschnitten wird sie als einziger Grund angegeben (AQUA 2014). Als zweithäufigster Grund gelten auffällige Herztöne des Kindes. Dann folgt der Geburtsstillstand in der Eröffnungs- oder Austreibungsphase, obwohl – auch darauf weist der Ratgeber hin – es für den Geburtsstillstand keine einheitliche Definition gibt. Er weist auch darauf hin, dass das Phänomen „Geburtsstillstand" vermehrt nach Einleitung oder PDA beobachtet wird.

Die Beckenendlage (vier Prozent aller Geburten) führt in 90 Prozent zu einem Kaiserschnitt (AQUA 2014). Den Frauen wird geraten, ab der 33. Schwangerschaftswoche die Drehung durch bestimmte Körperhaltungen oder durch Moxibustion zu unterstützen und sich über die Möglichkeit einer Spontangeburt zu informieren. Nur Ärztinnen und Ärzte einer Klinik, die Spontangeburten bei Beckenendlage auch tatsächlich begleiten, sollten diese Beratung durchführen. Bedauerlicherweise haben Frauen nicht überall Zugang zu solchen Beratungsangeboten, was der Ratgeber nicht verschweigt. Alternativ bleibt die äußere Wendung, die am besten in der 38. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden sollte. Immerhin 50 von 100 Kindern lassen sich manuell in die Schädellage drehen (Vaz de Macedo et al. 2015).

Auch Zwillinge (drei bis vier Prozent aller Geburten) werden gehäuft durch Kaiserschnitt geboren. Etwa 75 Prozent dieser Frauen haben einem geplanten Kaiserschnitt zugestimmt (AQUA 2014), auch wenn Fachgesellschaften und auch das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) aus Großbritannien bei einer Geburt im Geburtszeitraum eine vaginale Geburt empfehlen, wenn der erste Zwilling in Schädellage liegt (NICE 2011). Auch hier wird den Frauen im Ratgeber geraten, eher längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, wenn eine näherliegende Klinik aus Erfahrungsmangel eine Spontangeburt bei Zwillingsschwangerschaft nicht durchführen kann.

Wunschkaiserschnitte sind etwa zwei Prozent aller Kaiserschnitte (Bertelsmann Stiftung 2012). Der Ratgeber erwähnt, dass es ärztliche KritikerInnen und BefürworterInnen des Wunschkaiserschnitts gibt.

 

Planung im Dialog mit der Frau

 

Die Unterstützung von Hebammen in Schwangerschaft und Geburt kann Frauen dazu befähigen, die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen, wenn es um Alternativen zu einem möglichen Kaiserschnitt geht. Hebammen können sie dazu anregen, nachzufragen, was die ärztlichen GebursthelferInnen in ihrem Fall vorgeschlagen, um die Situation zu verbessern, und in welcher Zeitspanne eine Maßnahme greifen soll. So können im gemeinsamen Dialog zielgerichtete Handlungen geplant, durchgeführt und das Ergebnis bewertet werden. Denn die Entscheidung zum Kaiserschnitt ist nicht allein die Entscheidung des Arztes, sondern auch und in erster Linie die der Frau oder des Paares.

Solange die Aufklärung zum Kaiserschnitt unzureichend, lückenhaft und viel zu spät erfolgt, wird schwangeren Frauen ihr Recht auf informierte Entscheidung genommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Frauen und ihre PartnerInnen Vor- und Nachteile einer Geburt per Kaiserschnitt oder der vaginalen Geburt kennen. Was spricht dagegen, ihnen neutrale Informationen bereits in der Schwangerschaft zu geben? Unter der Geburt könnte es dann um die konkrete Indikation und das unmittelbare Prozedere gehen. Eine Befragung der PartnerInnen von gebärenden Frauen in Schweden bestätigt eine bewusstere Beteiligung an der Entscheidung zum Kaiserschnitt, wenn die PartnerInnen Vor- und Nachteile der Optionen kennen (Johansson et al. 2014). Vorbereitungskurse in der Schwangerschaft können zu weniger interventionsreichen Geburten und weniger Angst vor der Geburt bei informierter, bewusster Teilnahme an der Geburt führen (Karabulut et al. 2016).

 

Vorteile und Risiken der Sectio

 

Der Ratgeber weist darauf hin, dass ein Aufklärungsgespräch vor einem Kaiserschnitt stattfinden muss: immer dann, wenn die Schwangere um ein Gespräch bittet, spätestens dann, wenn der Kaiserschnitt als Alternative zur vaginalen Geburt im Raum steht. Vor- und Nachteile des Kaiserschnitts hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) auf ihrer Homepage aufgelistet (DGGG 2012). Alle Aspekte sollten in einer frühzeitigen Beratung, spätestens aber im Aufklärungsgespräch zur Sectio thematisiert werden.

Der Ratgeber erläutert Vorteile und Risiken für Kind und Mutter. Es wird jeweils darauf hingewiesen, dass bei einem Kaiserschnitt mit absoluter Indikation die Vorteile immer überwiegen. Für das Kind werden als Risiken bei 1 von 100 Kindern das Atemnotsyndrom, bei 2 von 100 Kindern Schürf- und Schnittwunden und der Zug an der Halswirbelsäule thematisiert (Remus & Höfer 2009; Höfer & Szasz 2012). Es wird auch darauf hingewiesen, dass ein siebenfach höheres Risiko des Kindes für eine Allergie besteht bei Müttern, die an einer Allergie leiden, ein doppeltes Risiko für Fettleibigkeit und erhöhte Risiken für Diabetes Mellitus Typ I und Asthma (Cho & Norman 2013).

Für die Mütter werden neben den unmittelbaren Risiken durch die Anästhesie und die Bauchoperation (Benommenheit, Übelkeit, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Thrombose, verzögerter Stillbeginn und schlechte Beweglichkeit), die bakterielle Infektion der Narbe bei 4 von 100 Müttern (Smaill & Gyte 2010), Verwachsungen und bei 1 von 1.000 Müttern die Narben-Endometriose thematisiert (Andolf et al. 2013). Risiken für eine zweite Schwangerschaft nach einem Kaiserschnitt liegen im Promillebereich, sind aber wegen hoher Blutungsgefahr besonders schwerwiegend, so dass die kommende Schwangerschaft per se als Risikoschwangerschaft eingestuft wird. Bei 9 von 1.000 Schwangerschaften wird es zu einer Placenta praevia kommen (Gurol-Urganci et al. 2011), bei 3 von 1.000 Schwangerschaften zu einer Placenta accreta/increta (Silver et al. 2006) und bei 4 von 1.000 Schwangerschaften zum Reißen der Uterusnarbe sub partu (Lannon et al. 2015). Diese Werte steigen an mit der Anzahl der Kaiserschnittgeburten einer Frau (Silver et al. 2006).

Aber wissen Frauen bei der Geburt, dass es wichtig ist, gerade den ersten Kaiserschnitt zu vermeiden? Ist ihnen bekannt, dass ein Kaiserschnitt in drei von vier Fällen eine Re-Sectio nach sich zieht (Bertelsmann Stiftung 2012)? Welche Frau ist in dem Moment der Entscheidung zum Kaiserschnitt in der Lage, die Einwilligung zum Kaiserschnitt zu verweigern, zumal wenn die Aufklärung über die Folgen unzureichend ausfällt? In dem Ratgeber raten wir den Frauen schon durch die Auswahl des Geburtsortes Einfluss auf den Geburtsverlauf zu nehmen.

Rubrik: Schwangerschaft | DHZ 09/2016

Nachgefragt

„Frauen müssen darum kämpfen, eine Wahlmöglichkeit zu haben"

Carina Frey im Gespräch mit Regina Behrendt, Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und Co-Gutachterin des Ratgebers „Schwangerschaft und Geburt selbstbestimmt"

Carina Frey: Welchen Status haben Schwangere? Sind sie Verbraucherin, Kundin oder Patientin?

Regina Behrendt: Das ist fließend. Eine Schwangere ist erst einmal Verbraucherin und Kundin und wird als solche von den Kliniken stark umworben. Als Verbraucherin sucht sie sich ihren Geburtsort aus, das kann neben der Klinik auch ein Geburtshaus oder die Hausgeburt sein. Falls es in der Schwangerschaft zu Komplikationen kommt, wird sie auch zur Patientin.

Sind Schwangere autonom oder eher abhängig? Müssen sie um den Status Verbraucherin kämpfen?

Ich denke, sie müssen teilweise kämpfen: Es ist zum Teil sehr schwierig geworden, eine freiberufliche Hebamme für die Nachsorge oder eine Beleghebamme zu finden. Frauen müssen darum kämpfen, eine Wahlmöglichkeit zu haben zwischen der klinischen und der außerklinischen Geburtshilfe.

Dürfen Frauen als Kundinnen Geburtshelfer auffordern, ihnen eine gewünschte Dienstleistung, etwa einen Kaiserschnitt, zu liefern?

Es gibt kein verbrieftes Recht auf einen Wunschkaiserschnitt. Aber wenn die Frau ihn haben möchte, kann sie ihn bekommen. Jeder kann medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, auch wenn sie nicht indiziert sind. Ein Beispiel sind Schönheitsoperationen. In diesem Fall muss die Krankenkasse theoretisch nicht zahlen. Praktisch findet sich aber fast immer eine Indikation. Häufig wollen Frauen einen Kaiserschnitt aus Angst: Sie fürchten um ihre und die Gesundheit des Kindes. Der Gesetzgeber fordert hier eine besonders gründliche Aufklärung: Je weniger ein Eingriff indiziert ist, desto mehr müssen Ärztinnen und Ärzte aufklären. Die Frauen müssen wissen, dass auch ein Kaiserschnitt Risiken hat.

Dürfen GeburtshelferInnen einen Kaiserschnitt verwehren, wenn sie eine Spontangeburt für sinnvoller halten?

Ich denke, ja. Denn es liegt in der Entscheidung des Arztes, ob er einen Eingriff verantworten kann. Es ist völlig legitim zu sagen: „Ich mache es nicht." Doch das ist ein eher theoretisches Problem. Die meisten Frauen werden mit dem Wunsch nach einem Kaiserschnitt auf wenig Widerstand stoßen.

Wie weit geht die Selbstbestimmung der Frau, wo liegen die Grenzen?

Es gibt Frauen, die unter der Geburt einen Kaiserschnitt bekommen, obwohl sie ihn gar nicht wollen. In dieser Situation können sie aber nicht mehr abwägen, ob er wirklich notwendig ist. Ein Großteil der Kaiserschnitte ist nicht zwingend erforderlich. Die Ärzte haben Handlungsspielraum. Und mitunter hat ein Kaiserschnitt nichts mit dem Gesundheitszustand der Frau zu tun, sondern mit organisatorischen Fragen des Krankenhauses. Als Faustregel gilt: Für Schwangere, die in einer Klinik gebären, liegt die Chance, einen Kaiserschnitt zu bekommen, bei mehr als 30 Prozent.

Was können Frauen tun?

Wir raten Frauen, sich so früh wie möglich über das Thema Kaiserschnitt zu informieren, möglichst schon in der Phase der Familienplanung. In der Schwangerschaft möchten sie sich oft nicht mehr mit allen Eventualitäten auseinandersetzen. Wenn eine Frau für sich beschließt, dass sie eine natürliche Geburt zumindest probieren möchte, muss sie das bei der Wahl des Geburtsortes bedenken. Es gibt Kliniken mit einem guten Konzept zur Vermeidung von Kaiserschnitten. Andere haben gar kein Konzept.

Literatur

Andolf E, Thorsell M, Kallen K: Caesarean section and risk for endometriosis: a prospective cohort study of Swedish registries. BJOG: an international journal of obstetrics and gynaecology 2013. 120 (9): 1061–5

AQUA: Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2013. 16/1 – Geburtshilfe 2014

Bertelsmann Stiftung: Faktencheck Gesundheit. Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung 2012
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