Leseprobe: DHZ 02/2022
Dokumentation im geburtshilflichen Notfall

Schnell und sicher

In Notfällen und Stresssituationen ist eine lückenlose Dokumentation schwierig, aber umso wichtiger für mögliche Haftungsfälle. Welche Regeln gelten für nachträgliche Änderungen sowie für die gemeinsame Dokumentationen bei Übergaben oder in der Zusammenarbeit mehrerer Heilberufe? Matthias Diefenbacher,
  • Die Dokumentation dient dazu, Tätigkeiten, Qualitätssicherung, Abrechnungsüberprüfung und -hilfe darzustellen, Beweise zu sichern und sich bei möglichen Haftungsfällen abzusichern.

Was die Dokumentation der Behandlung erfordert, regelt § 630 f BGB. Nach Abs. 1 ist die behandelnde Person und damit die Hebamme »verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen«. Nach Abs. 2 ist sie »verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen«.

Der Umfang der Dokumentation ergibt sich aus dem Leistungsumfang, der Betreuungsdauer und der Art der Behandlung durch die Hebamme. Die Dokumentation dient unter anderem dazu, Tätigkeiten, Qualitätssicherung, Abrechnungsüberprüfung und -hilfe darzustellen, Beweise zu sichern und sich bei möglichen Haftungsfällen abzusichern.

 

Darf ich die Dokumentation nachträglich ändern?

 

Berichtigungen und Änderungen dieser Einträge sind zulässig, allerdings muss der ursprüngliche Inhalt erkennbar sein und der Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen worden sind (§ 630f Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Nachtrag stellt keine nachträgliche Änderung dar, etwa wenn der Hebamme nachträglich noch ein Gesichtspunkt der Behandlung einfällt. Ein Nachtrag ist mit Datum, Uhrzeit, Grund und Unterschrift in das Originaldokument einzutragen. Möglicherweise kann dies auch durch Zeug:innen bestätigt werden.

§ 630 g BGB ergänzt diese Vorschrift insoweit, als den Patient:innen auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, sie betreffende Patientenakte zu gewähren ist. Dieses Einsichtsrecht dient den Interessen der Patient:innen, zum einen ihre Daten zu kennen, zum anderen die Art und Prognose der Behandlung kennenzulernen.

Vorschriften in den Landesberufsordnungen für Hebammen ergänzen diese Regelungen. So wird beispielsweise in Baden-Württemberg vorgeschrieben, dass »Hebammen über die in Ausübung ihres Berufs getroffenen Feststellungen und Maßnahmen bei Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen, Müttern, Neugeborenen und Säuglingen sowie die Anwendung von Arzneimitteln Aufzeichnungen abzufassen« haben und dies durch eine »Richtlinie für die Dokumentation der Hebammenhilfe« ergänzt wird (§ 6 Abs. 1 HebBO B-W).

Nach Ziffer 4 im »Anhang 3a Qualitätsmanagement« zur »Anlage 3 Qualitätsvereinbarung« zum »Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach §134a SGB V« muss die Dokumentation der freiberuflich tätigen Hebamme unter anderem folgende Angaben und Unterlagen enthalten:

  • Personalien und Kontaktdaten
  • gegebenenfalls Krankenversicherungsträger
  • errechneter und ggf. korrigierter Geburtstermin
  • Geburtenrang
  • Anamnese
  • geplanter und tatsächlicher Geburtsort
  • ggf. betreuende:r Gynäkolog:in und Kinderärzt:in
  • Dokumentation des Versorgungsverlaufes.

 


Wer ist wann zur Dokumentation verpflichtet?

 

Den gesetzlichen Vorschriften ist zu entnehmen, dass zur Dokumentation »der Behandelnde« verpflichtet ist, also die Hebamme. Sie muss für ihren Bereich die Dokumentation selbst vornehmen. »Behandler« im Sinn des Behandlungsvertrags in den §§ 630a ff. BGB ist stets die Vertragspartnerin der Patientin. § 630f BGB bezieht sich hierbei auf § 630a BGB, wonach eine behandelnde Hebamme, die einen Behandlungsvertrag abgeschlossen hat, zur Leistung der versprochenen Behandlung verpflichtet ist, und die Patientin im Gegenzug zur Gewährung der vereinbarten Vergütung. Soweit die Hebamme Gehilf:innen einsetzt, muss sie deren Dokumentation anordnen und sicherstellen.

Sind mehrere Personen an der Behandlung beteiligt, muss jeder Eintrag so gekennzeichnet sein, dass erkennbar und nachvollziehbar bleibt, wer wann welchen Eintrag vorgenommen hat. Auch die Übernahme einer Betreuung muss zweifelsfrei gekennzeichnet sein. Werden Hebammen und/oder Ärzt:innen im Rahmen einer beruflichen Kooperation tätig, müssen sie getrennt die jeweilige Tätigkeit dokumentieren, jeweils nach den entsprechenden Berufsordnungen.

Ist die Hebamme im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Krankenhaus (Erfüllungs-)gehilfin (§ 278 BGB) des Krankenhauses zur Erfüllung des Behandlungsvertrags der Klinik, kann es durchaus Dienstanweisungen zur Dokumentation geben. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Hebamme – auch als Gehilfin – die Aufzeichnung des Behandlungsgeschehens durchführt. Immerhin kann eine mangelhafte Dokumentation zu einer Beweislasterleichterung zugunsten der Patientin führen (§ 630h Abs. 3 BGB).

Die Dokumentation ist eine Nebenpflicht des Behandlungsvertrags, so dass deren Verletzung zu einer Schadensersatzverpflichtung der Hebamme führen kann (§ 280 Abs. 1 BGB). So sind durchaus Fälle bekannt, in denen sich ein grober Behandlungsfehler erst aus einer mangelhaften Dokumentation ergeben kann.

 

10 Tipps für die Praxis

 

  1. Zu dokumentieren sind Tatsachen und objektive Befunde, keine Wertungen.
  2. Abkürzungen können verwendet werden. Ein Abkürzungsverzeichnis ist sinnvoll, da es lokale Unterschiede geben kann. Auch Unterschriften und Namenskürzel sind verlässlich zu hinterlegen (Handzeichenverzeichnis).
  3. In die Dokumentation sollten auch Umstände aufgenommen werden, die nicht unmittelbar in der gesetzlichen Vorschrift genannt sind. Hierzu zählen Gefahrensituationen, Unfälle, Überlastungen oder beispielsweise Umstände, die zur Erkenntnis der Einsichtsfähigkeit einer minderjährigen Patientin geführt haben (da von der Einsichtsfähigkeit unter anderem abhängt, ob eine Minderjährige ohne Hinzuziehung ihrer Eltern aufgeklärt und ihre Einwilligung eingeholt werden kann).
  4. Differenzen zwischen Hebamme und Arzt oder Ärztin müssen ebenfalls dokumentiert werden (Remonstrationspflicht, z.B. § 3 Abs. 4 HebBO B-W; Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.04.2007, Az.: 8 U 37/05). Gleiches gilt für Meinungsverschiedenheiten unter Hebammen.
  5. Nach telefonischer Anordnung einer Maßnahme sollten Name, Anordnung und Ausführung dokumentiert und von der anordnenden Person gegengezeichnet werden.
  6. Werden in Notfallsituationen zunächst nur Stichworte notiert, sind diese danach schnellstmöglich in der Patientenakte auszuformulieren. Gleiches gilt für Notizen, die erst einmal eine dritte Person für die Hebamme anfertigt. Wird in einer Notsituation auf Notizzetteln dokumentiert, müssen diese Aufzeichnungen schnellstmöglich in die Patientenakte übertragen werden.
  7. Auch die Ablehnung von Maßnahmen durch die Patientin (Verlassen der Klinik gegen den Rat der Hebamme) oder Konflikte mit Begleitpersonen sind zu dokumentieren.
  8. Die handschriftliche Dokumentation stellt eine Urkunde dar, so dass sie auch dokumentenecht geführt werden muss. Deshalb sind Füller (Tintenkiller!) und Bleistift unzulässig, ebenso das Überkleben, vollständiges Schwärzen mit schwarzem Marker oder Übermalen mit Korrekturflüssigkeit. Es bestünde dann der Verdacht einer Manipulation.
  9. Nach § 630f Abs. 3 BGB muss »die Patientenakte für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden«. Aus Verjährungsgründen kann nach § 199 Abs. 2 BGB sogar die Auffassung gelten, dass die Dokumentation 30 Jahre aufgehoben werden muss. Das muss so geschehen, dass nicht nur der unberechtigte Zugriff Dritter, sondern auch schädlich Einflüsse wie UV-Licht und Feuchtigkeit vermieden werden. Die Dokumentation muss jederzeit lesbar sein.
  10. Es kann sinnvoll sein, neben der Dokumentation noch ein persönliches Gedächtnisprotokoll als Erinnerungsstütze anzufertigen. Hierin kann der Sachverhalt ausführlicher niedergeschrieben werden, auch mit Stimmungen, Empfindungen und Wertungen. Das Gedächtnisprotokoll bleibt bei der Hebamme. Es ist nicht Teil der Dokumentation, sondern ein Schriftstück für sie selbst. Dies bietet sich insbesondere in kritischen Situationen an, in denen die Hebamme fürchten muss, dass es für den Fall einer späteren Auseinandersetzung auf mehr ankommt als das, was in der Dokumentation niedergelegt werden muss.

 

 

Rubrik: Beruf & Praxis | DHZ 02/2022

Literatur

Knobloch R, Selow M: Dokumentation im Hebammenalltag, Urban & Fischer. München 2010

Fey C, Gruber P, Knobloch R: Hebammenkunst sichtbar machen. Hebammenforum 2013. (7) 616 ff

Selow M: Praxisgerecht dokumentieren. Deutsche Hebammen Zeitschrift 2016. (11): 64–68
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