Leseprobe: DHZ 12/2020
Postpartale Urinretention

Wenn die Blase nicht mitmacht

Postpartale Urinretentionen verschwinden zumeist in den ersten drei bis vier Tagen nach der Geburt, wenn sie aufmerksam behandelt werden. Was aber, wenn die Blase sich weiterhin nicht spontan entleeren lässt? Eine Entlassung nach Hause mit Dauerkatheter oder mit Selbstkatheterisierung für die ersten Wochen fallen in den Betreuungszeitraum der Hebamme. Wie kann sie fachgerecht helfen? Peggy Seehafer, Daniela Branz,
  • Die Modelle für die Eingangskatheteri­sierung unterscheiden sich von den herkömmlichen Klinik­modellen nicht nur in Größe und Verpackung, sondern auch im Design, das an die Handhabung angepasst wird.

Eine Fallgeschichte: Eine 29-jährige II. Gravida I. Para mit Status nach Spontangeburt kommt zur Geburtseinleitung am Termin wegen eines SGA-Kindes (small for gestational age). Die Geburtseinleitung erfolgt zunächst mit einem Ballon, der nach knapp 24 Stunden von allein herausfällt. Die Frau erhält Angusta (Minprostin) zur Wehenstimulation. Im Verlauf der Geburt erhält sie auf Wunsch eine PDA, die einen Wehentropf und schließlich eine Vakuumextraktion bei Stirnlage, eine Episiotomie und eine verstärkte Blutung von 800 ml nach sich zieht. Das neugeborene Mädchen wiegt 2.570 g.

Der postpartale Zustand der Mutter ist schlecht, sie fühlt sich schwach, kann kaum aufstehen und Wasserlassen gelingt nicht ausreichend. Der erste gemessene Resturin beträgt mehr als 500 ml. Sie erhält einen Dauerkatheter. In den nächsten Tagen wird ihr Zustand besser, die Blase schmerzt noch, aber Wasserlassen gelingt. Am fünften Tag post partum wird sie aus der Klinik entlassen. Drei Tage später stellt sie sich mit starken Unterbauchschmerzen in der Arztpraxis vor. Sie hat Zeichen einer Harnwegsinfektion und der Wochenfluss riecht infektiös – sie wird in die Klinik überwiesen. Dort wird aufgrund der Anamnese (Kürettage wegen Plazentaresten post partum nach der ersten Geburt) zunächst unter Antibiose und Kontraktionsmitteln abgewartet, um schließlich doch eine Kürettage durchzuführen, bei der sich jedoch kaum Plazentareste finden. Wieder stellt sich die Blasenentleerung als Problem dar. Die Frau erhält erneut einen Dauerkatheter, um die Polyurie (>2.000 ml/d) zu behandeln.

Nach zwei weiteren Tagen wird die Frau mit Dauerkatheter und unter Antibiose entlassen. Nach drei Tagen mit Dauerkatheter zu Hause wird die Mutter erneut aufgenommen, sie kann den Dauerkatheter nicht ertragen, die Schmerzen sind zu stark. Einen Tag lang wird getestet, ob sie die Blase spontan gut entleeren kann. Dazu wird die jeweilige Spontanurinmenge gemessen, anschließend ein Blasen-Ultraschall durchgeführt und bei zu hohem Resturin mittels Einmalkatheter die Blase vollständig entleert. Diese Prozedur ist nicht nur sehr aufwendig für die Mutter, sondern bei schon bestehenden Schmerzen zusätzlich belastend. Komplementärmedizinische Maßnahmen wie Akupunktur und Dampfbad helfen ihr nicht.

Es zeigt sich, dass die Frau innerhalb von zwei bis drei Stunden jeweils mehr als 700 ml Urin produziert, aber nur zwischen 20 und 50 ml spontan entleeren kann, obwohl sehr wenig trinkt und außerdem voll stillt. Eine Zystoskopie am folgenden Tag zeigt eine Zystitis, die aufgrund der Überdehnung und vielen Entleerungen wenig überrascht.

Die Laborwerte aus Blut und Urin zeigen weder Entzündungszeichen noch einen entgleisten Mineralhaushalt. Eine Blutzuckerkontrolle zum Ausschluss einer Stoffwechselstörung zeigt einen normalen Befund (siehe DHZ 12/2017, Seite 10, Interview mit Lars Weisbach).

Der Zustand der Mutter wird immer schlechter. Sie bewegt sich ausschließlich zwischen Bett und Toilette hin und her, mag nichts essen und droht in eine Wochenbettdepression zu gleiten. Wegen der Corona-Pandemie darf auch sie keinen Besuch empfangen.

Sobald die Abstände für die Blasenentleerung drei bis vier Stunden überschreiten, füllt sich die Blase wieder auf 600 bis 800 ml. Die sinnvolle Einlage eines Dauerkatheters lehnt die Frau wegen der Schmerzen aber rigoros ab. Also bleibt nur die intermittierende Katheterisierung. Für den nächsten Tag ist eine CT angesetzt, die keine bahnbrechenden Erkenntnisse liefert. Eine Urotherapeutin lehrt die Frau, sich selbst zu katheterisieren. Die Frau möchte vorerst nicht nach Hause, das Neugeborene ist immer bei ihr. Da die Frau still und verschlossen ist, laut Angehörigen auch im normalen Leben, ist es beinahe unmöglich an sie heranzukommen, um mögliche andere Belastungsmomente zu erfahren.

Die Selbstkatheterisierung funktioniert ebenfalls nur unter Schmerzen. Zu Beginn setzt die Frau den Katheter richtig ein, aber nicht tief genug, so dass es immer einen kleinen Schubs der Hebamme braucht, damit der Urin anfängt zu fließen. Sobald es anfängt zu brennen, stoppt die Frau die Entleerung, entfernt den Katheter und hat weiterhin zwischen 200 und 600 ml Rest­urin in der Blase. Es folgen eine weitere Schulung und ein striktes Blasenregime inklusive gestörter Nachtruhe.

Alle zwei Stunden: Blase spontan entleeren, Menge messen, Resturinmenge per Ultraschall bestimmen – bei mehr als 200 ml sofort selbst katheterisieren, erneut Blasenscan – wenn nicht leer, sofort vollständig entleeren, zwei Stunden Pause, dann von vorn.

Am 20. Tag post partum kann die Frau dann unter strengen Auflagen der Selbstkatheterisierung nach Hause entlassen werden. Der Hb-Wert hatte sich in der Zwischenzeit auf 10,9 erholt, CRP < 2. Die weitere urologische Betreuung erfolgt über die lokale Gesundheitsstation, inklusive psychologischer Nachbetreuung.

 

Risikofaktoren für eine Urinretention

 

  • PDA
  • lange Geburtsperiode
  • lange Plazentaperiode
  • operative Geburtsbeendigungen
  • Episiotomien und ausgeprägte Rissverletzungen
  • Vulvaödeme und -hämatome
  • Wehentropf
  • Erstgebärende
  • fetale Makrosomie
  • Status nach Urinretention
  • lange Zeit von der Geburt bis zur ersten Blasenentleerung
  • hohe Anzahl peripartaler Katheterisierungen
  • In der Chirurgie wird außerdem über die Anwendung von opioidhaltigen Schmerzmitteln als Auslöser für den Harnverhalt diskutiert (de Boer et al 2017).

Quelle: Mulder et al. 2012; Polat et al. 2018; Dolezal et al. 2019; Lamblin et al. 2019

 

Betreuung in der Klinik

 

Als betreuende klinische Hebamme über viele Tage war ich hin- und hergerissen mit meinen Gefühlen. Das Legen eines Katheters ist immer schmerzhaft, warum tut sie sich das an, statt mit einem Dauerkatheter der Blase die schnellstmögliche Retraktion zu ermöglichen? Wir haben zehn- bis zwölfmal täglich einen Katheter gelegt, ohne die Polyurie wirklich abmildern zu können. Bei Schmerzen mit voller Blase müsste die vollständige Entleerung doch das große Ziel sein, warum gibt sie vorher auf und entfernt den Katheter wieder? Gibt es einen sekundären Krankheitsgewinn aus der Situation? Ich habe die ganze Zeit überlegt, was wir übersehen. Welche, möglicherweise sehr schwere Krankheit stellt sich hier camoufliert dar? Erste Anzeichen einer Multiplen Sklerose? Die Betreuung der Frau fand innerhalb eines größeren klinischen Teams statt und niemand konnte eine stimmige Antwort finden.

 

Die postpartale Urinretention

 

Die Häufigkeit einer postpartalen Urinretention schwankt in der Literatur zwischen 0,7 und 22,1 % nach vaginaler Geburt und zwischen 3,3 und 24,1 % nach Sectio, abhängig von den verwendeten Definitionskriterien (Glavind et al. 2003; Polat et al. 2018). Die häufigste Definition ist das Ausbleiben einer spontanen Miktion sechs Stunden post partum oder nach Entfernen des Dauerkatheters und/oder des Verbleibs von mehr als 150 ml Resturin.

In einer großen Studie mit 5.558 Frauen zeigte sich, dass nach sechs Stunden nur noch 0,9 % und bei Entlassung nur noch 0,1 % mehr als 150 ml Resturin aufwiesen (Buchanan et al. 2014). Bei einer von 60 Frauen findet sich am ersten Wochenbetttag ein Harnverhalt (Ischuria puerpuralis), der meistens zwischen 12 und 24 Stunden anhält (Zaki 2004).

Die Ursachen können multifaktoriell sein, einschließlich physiologischer, neurologischer oder mechanischer Gründe. Die Blasenkapazität nimmt ab dem dritten Schwangerschaftsmonat aufgrund einer Verringerung des Detrusormuskeltonus zu.

Die Ätiologie der Retention ist noch unklar, scheint jedoch zumindest teilweise durch den Druck des vorangehenden Teils sub partu bedingt zu sein, der zu einem Harnverhalt als Folge einer Ödembildung am Blasenhals, einer Hämatombildung im kleinen Becken oder zu einer Nervenläsion (Neurapraxie) führt. Aber auch Entzündungen können zum Harnverhalt führen.

Die Prognose ist zumeist gut. In den meisten Fällen regelt sich die Urinretention in den ersten drei bis vier Tagen post partum, wenn nicht beim ersten spontanen Wasserlassen mehr als 500 ml Rest-urin in der Blase verblieb und sie aufmerksam durch regelmäßige Blasenentleerungen behandelt wird. In Deutschland findet sich noch keine Leitlinie für ein angemessenes Blasenmanagement. In der DHZ 12/2017 wurde die norwegische Leitlinie vorgestellt (Seehafer 2017, Seite 68ff).

Ein chronischer Harnverhalt liegt gemäß der American Urological Association erst vor, wenn mehr als 300 ml zu zwei verschiedenen Zeiten gemessen werden und dies mindestens sechs Monate anhält.

Wöchnerinnen liegen mit ihren Entleerungsstörungen zwischen der akuten und der chronischen Erkrankung. Blasenentleerungsstörungen über das erste Jahr post partum hinaus wurden bei 0,07 % der Frauen beobachtet (Beaumont 2019; Ching-Chung et al. 2002).

 

Abbildung 1: Häufigkeit der Urinretention in einer Studie mit 5.558 Wöchnerinnen, gemessen mittels Blasen-Ultraschall.

 

Wissenschaftliche Studien fehlen

 

Ob eine schnelle, vollständige Entleerung oder eine allmähliche Entleerung der Blase klinisch relevante Nachteile birgt, konnte bisher mit keiner randomisierten Studie belegt werden. Alle verfügbaren Studien unterstützen eine schnelle, vollständige Entleerung der Blase zur Entlastung der Beschwerden. Hämaturie, Hypotonie und postobstruktive Diurese können nach einer schnellen Dekompression der überdehnten Harnblase auftreten, sind aber klinisch selten signifikant. Die zügige und vollständige Entleerung ist sicher, einfach, wirksam und wird als optimale Methode zur der obstruierten Harnblase empfohlen (Nyman et al 1997). Es gibt bisher keine randomisierten Studien, die die Wirkung von Beckenbodentraining nach einer postpartalen Urinretention- oder Blasenverschlussstörungen untersucht haben (Deffieux et al. 2015).

Während für die Geburtshilfe viel über die frühen Maßnahmen zur Prävention und Behandlung geforscht wird, gibt es keine Empfehlungen für den Fall der nicht vermeidbaren und über den vierten Tag post partum hinausgehenden Urinretention. Eine Mitbehandlung durch UrologInnen erscheint sinnvoll, ist aber nicht in allen Kliniken verfügbar. Es gibt nur Therapieempfehlungen aus den chirurgischen Fächern, zumeist für Männer nach Prostata-Operationen.

Zunächst muss geklärt werden, ob die Entleerungsstörung auf eine Verschlussproblematik oder eine Detrusorstörung zurückgeht, also öffnet sich der Harnröhrenschließmuskel nicht richtig oder zieht sich die Blase ungenügend zusammen?

Für kurze Zeit kann ein suprapubischer Blasenkatheter eine sinnvolle Alternative zum urethralen Dauerkatheter sein. Er wird unter Lokalanästhesie durch die Bauchdecke, direkt über der Symphyse in die Blase eingeführt und verbleibt dort.

Suprapubische Katheter verbessern den Patientenkomfort und verringern kurzfristig das Risiko für eine Bakteriurie und die Notwendigkeit einer Rekatheterisierung. Sie können auch bei Wöchnerinnen angewendet werden. Aber Vor- und Nachteile für die Frau sollten gut abgewogen werden.

 

Der Katheter für die Eigen­katheterisierung ist klein und für die Handtasche diskret verpackt.

 

Die Selbstkatheterisierung

 

Wöchnerinnen mit einem anhaltenden Harnverhalt aufgrund einer neurogenen Blasenstörung müssen lernen, ihren Zustand mit einem intermittierenden Selbstkatheterismus zu bewältigen. Das lernen die Frauen in der Klinik, häufig unter Anleitung einer speziell geschulten Urotherapeutin (Gesundheits- und Krankenpflegerin).

Für die Hebammen in der Wochenbettbetreuung kann es sinnvoll sein, Frauen dabei zu unterstützen, wenn sie die beschriebenen Probleme zeigen.

 

Anleitung zur Selbstkatheterisierung

 

Von Daniela Branz

Die meisten Patientinnen fühlen sich bei dem Gedanken, sich selbst katheterisieren zu müssen, zunächst völlig überfordert. Daher sollte die Anleitung in Ruhe und mit großer Sorgfalt angegangen werden. Dabei gilt es als erstes, Ängste abzubauen und durch empathische Wissensvermittlung Vertrauen aufzubauen. Verschiedene Kathetermaterialien werden gezeigt und besprochen. Anschließend wird gemeinsam mit der Patientin der für sie optimale Einmalkatheter ausgewählt.

Tipp: Das Einführen des Katheters wird einfacher und komfortabler, wenn er über eine gute Gleitfähigkeit verfügt. Ein Katheter mit Folienumhüllung ermöglicht berührungsfreies, hygienisches Einführen. Das reduziert die Gefahr von Harnwegsinfekten und Verletzungen der Schleimhaut.

Hygienische Vorkehrungen

  • Hände waschen und einen möglichst keimreduzierten Bereich vorbereiten
  • Desinfektion der Hände vor und nach dem Katheterisieren
  • Wird auf die Desinfektion der Harnröhrenmündung verzichtet oder wird die notwendige Einwirkzeit des Schleimhautdesinfektionsmittels nicht eingehalten, birgt dies ein markant höheres Risiko, Haut- und Darmkeime in die Harnröhre und in die Blase zu verschleppen.

Tipp: Ein sauberes und desinfiziertes Küchentablett zum Ablegen der benötigen Hilfsmittel ist hilfreich, ebenso eine saubere Unterlage auf dem Platz, auf dem die Frau sitzt.

Notwendige Ausstattung

  • mit Hautdesinfektionsspray getränkter Tupfer
  • ein kleiner Spiegel, der so positioniert wird, dass er nach der Desinfektion der Hände nicht mehr berührt werden muss

Tipp: In der Lernphase wird am besten mit einer halbsitzenden Rückenlage begonnen. Später kann die Selbstkatheterisierung im Stehen oder im Sitzen auf der Toilette oder im Badezimmer durchgeführt werden.

Instruktion

  • Die Labien mit den Fingern spreizen und die Scheidenöffnung oberhalb mit dem bereitgelegten Hautdesinfektionsspray oder desinfizierenden Reinigungsmittel säubern und desinfizieren. Es ist wichtig, die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels gemäß den Herstellerangaben einzuhalten.
  • Dabei wird nur einmal über den Harnröhreneingang gestrichen. Häufiges Hin- und Herwischen mit dem Tupfer erhöht die Desinfektionswirkung nicht, sondern bewirkt das Gegenteil.

Tipp: Die Frau sollte sensibilisiert werden darauf zu achten, nach der Händedesinfektion nichts mehr anzufassen außer den sterilen Hilfsmitteln und Instrumenten. Muss doch noch einmal etwas anderes angefasst werden, die Frau bitten, die Desinfektion zu wiederholen, bevor es weitergeht.

  • Anschließend die äußeren und inneren Labien mit den Fingern spreizen und leicht nach vorne oben in Richtung Symphyse ziehen, sodass die Harnröhrenöffnung gut sichtbar wird.
  • Den Katheter dort anfassen, wo er durch die Hülle geschützt ist. Langsam tief ein- und ausatmen und in der Ausatmungsphase den Katheter jeweils langsam in die Harnröhre vorschieben, bis der Urin abfließt.

Tipp: Ist die Patientin angespannt oder nervös, sind meistens auch der Beckenboden und der Schließmuskelapparat verkrampft. Hier hilft es, die Entspannung in der Ausatmungsphase zu nutzen.

  • Sobald der Urin abläuft, den Katheter noch ungefähr 1 cm weiter vorschieben. Der Urin wird entweder in einem integrierten Beutel aufgefangen oder in ein Gefäß oder die Toilette entleert.

Tipp: Patientinnen mit erhöhter Sensibilität im Genitalbereich kann ein Gleitgel mit lokalanästhetischer Wirkung angeboten werden. Die Einwirkzeit von mindestens 5 bis 10 Minuten ist einzuhalten, bevor mit der Katheterisierung begonnen wird.

Zu beachten

  • Ist das Becken stark nach vorn gekippt, verläuft die Harnröhre tendenziell nach oben anstatt parallel zur Unterlage. Das hat zur Folge, dass der Katheter häufig in die Scheide abrutscht.
  • Verwendet man einen Tiemann-Katheter (Katheter für den Mann), bei dem man die gebogene Spitze nach oben Richtung Schambein zeigen lässt, vermeidet man das Abrutschen. Dieser Katheter gleitet nicht so leicht in die Scheide ab, da er den Weg des geringsten Widerstandes in die Blase und nicht in die Scheide nimmt.
  • Auch durch das Unterlagern des Beckens erreicht man einen zum Katheterisieren günstigeren Winkel der Harnröhre.
  • Fast alle Menschen treffen mit geschlossenen Augen die Nasenspitze, obwohl man sie ohne Berührung nicht fühlt. Dies kann man auch für die Harnröhrenmündung ausnutzen. Nachdem der Katheter mit Hilfe des Spiegels gelegt wurde, lernen die Frauen, mit geschlossen Augen zu versuchen, bei liegendem Katheter die Harnröhrenmündung mit den Fingerspitzen zu treffen. Hilfreich ist es, die Patientin dahin fühlen zu lassen. Dies sollte bei jedem Katheterismus mehrmals geübt werden. Auf diese Weise vermittelt sich so langsam ein Gefühl für die Lage der Harnröhrenmündung, und die meisten Frauen sind in der Lage, die Harnröhre blind zu treffen.

Rubrik: Wochenbett | DHZ 12/2020

Nachgefragt

Peggy Seehafer: Sollen die Frauen vorher spontan urinieren? Gehört es dazu, dass die Frauen die Urinmenge erfassen, damit man irgendwann sagen kann, sie kann damit aufhören?

Daniela Branz: Wenn man wissen möchte, wie hoch der Restharn ist, ja. Eventuell kann dann die Häufigkeit der intermittierenden Katheterisierung an die Restharnmenge angepasst werden. Bei Restharnwerten < 100 ml muss nicht mehr katheterisiert werden. Ein Trink- und Blasentagebuch (Miktionsprotokoll) zu führen, ist hilfreich und wichtig, um mehr über das Ausscheidungsverhalten zu erfahren.

 

Peggy Seehafer: Wie oft sollen sich die Frauen katheterisieren?

Daniela Branz: Die Katheterisierungsfrequenz kann von Patientin zu Patientin aufgrund von medizinischer Situation, Trinkmenge und persönlichem Lebensumstand variieren. Wichtig: Ein Blaseninhalt über 500 ml ist zu vermeiden.

 

Peggy Seehafer: Können Frauen damit auch auf öffentliche Toiletten gehen oder erfordert es so viel Hygiene, dass sie ans Haus gebunden sind?

Daniela Branz: Sobald die Frauen die Technik beherrschen, können sie die Katheterisierung überall und jederzeit vornehmen. Hat der Katheter einen Auffangbeutel, können sie sich auch unter einer Decke katheterisieren.

 

Peggy Seehafer: Bezahlt die Krankenkasse die Ausstattung? 

Daniela Branz: Katheter, Desinfektionsmittel und Gleitmittel werden bezahlt, wenn die Indikation zum Katheterisieren gegeben und auf dem Rezept dokumentiert ist.

Literatur

Beaumont T: Prevalence and outcome of post partum urinary retention at an Australian hospital. Midwifery 2019. 70:92–99

Blok BF, Sturms LM, Holstege G: Brain activation during micturition in women. Brain 1998;121

Buchanan J, Beckmann M: Postpartum voiding dysfunction: identifying the risk factors. Aust N Z J Obstet Gynaecol 2014. 54(1): 41–45
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