Dezelerationen im Geburts-CTG

Ein Handlungsleitfaden

Ein auffälliges CTG unter der Geburt verunsichert und wirft viele Fragen auf. Zwei werdende Hebammen haben sich der oft großen Unklarheit in dieser Situation gestellt und einen evidenzbasierten Handlungsleitfaden erarbeitet. Diesen haben sie auf ihrem Poster im Rahmen des 6. DHZCongress vorgestellt. Kathrin Winkler, Alena Richstein
  • Ausschnitt aus dem Poster »Dezeleration im Geburts-CTG« von Alena Richstein und Kathrin Winkler (das komplette Poster steht als Download zur Verfügung)

Vielen Hebammen dürfte die folgende Situation aus dem Kreißsaal-Alltag bekannt vorkommen: Nach einem unauffälligen Geburtsverlauf kommt es in der Austrittsphase zu Dezelerationen. Mit zunehmender Sorge betrachten Ärzt:in und Hebamme das CTG und führen nach gemeinsamer Beratung eine oder mehrere Mikroblutuntersuchungen (MBU) durch. Je nach Ergebnis wird weiterhin ein Spontanpartus angestrebt oder eine umgehende Geburtsbeendigung (vaginal-operativ oder per Sectio) bevorzugt.

In dieser Situation fühlt man sich als Hebammenstudentin manchmal unsicher, was wann zu tun ist. Dies war für uns der Grund, uns in einem Poster genauer mit dem Thema »Dezelerationen im Geburts-CTG« zu befassen. Dabei ist ein Handlungsleitfaden entstanden, welchen wir im Folgenden vorstellen.

Ausgangspunkt unserer Recherche war die neue S3-Leitlinie »Vaginale Geburt am Termin« (DGGG & DGHWi, 2020). Diese sieht nicht zwingend eine kontinuierliche Überwachung des fetalen Gesundheitszustands per Cardiotokografie vor, diese ist in vielen Krankenhäusern jedoch weiterhin im Hausstandard enthalten. Daraus resultiert die Notwendigkeit, bei Auffälligkeiten im CTG frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um eine Interventionsspirale zu vermeiden. In unserem Handlungsleitfaden geben wir Empfehlungen, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt durchzuführen sind.

 

1. Herztonableitung überprüfen

 

Erster Schritt bei einem auffälligen CTG sollte stets die Überprüfung der fetalen Herztöne sein. Es muss sichergestellt werden, dass die Herztöne korrekt abgeleitet werden und keine Verwechslung mit der maternalen Herzfrequenz vorliegt. Hierzu ist ein regelmäßiger Abgleich mit dem maternalen Puls notwendig, welcher auch entsprechend dokumentiert werden muss. Gegebenenfalls sollte die Anlage einer Kopfschwartenelektrode erfolgen.

 

2. Beurteilung des CTGs

 

Wird das CTG beurteilt, so sollten alle aufgezeichneten Werte mit einbezogen werden. So kann es im Einzelfall schwierig sein, das CTG eines sehr aktiven Feten von einem pathologischen CTG mit wiederholten Dezelerationen abzugrenzen. Wurden sicher Dezelerationen identifiziert, sollten neben Art und Häufigkeit dieser auch weitere Zusatzkriterien in die Beurteilung miteinbezogen werden. Dabei sind eine verzögerte Rückkehr zur Baseline, ein genereller Baselineanstieg oder eine Abnahme der Oszillation innerhalb der Dezeleration negativ zu bewerten.

 

3. Einordnung in den Gesamtkontext

 

Das CTG sollte nicht isoliert, sondern immer im Gesamtkontext betrachtet werden. Insbesondere sind der bisherige Geburtsverlauf und eventuell vorhandene Risikofaktoren in die Bewertung mit einzubeziehen. Die Risikofaktoren lassen sich in drei Kategorien einordnen, die die Geburtshelfer Edwin Chandraharan und Sabaratnam Arulkumaran zusammengetragen haben (siehe Tabelle).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte unbedingt eine erste Rücksprache mit dem ärztlichen Personal erfolgen, um gemeinsam eine Einschätzung der Situation zu treffen. Dabei sollte geklärt werden, wie dringend der Handlungsbedarf gerade ist und welche Maßnahmen sinnvoll sein könnten.

 

4. Konservative Maßnahmen umsetzen

 

Als erste Maßnahme zur Verbesserung des CTGs sollten konservative Maßnahmen erfolgen. In der S3- Leitlinie empfohlen werden maternale Positionswechsel, Volumengabe (Getränk/Infusion), Paracetamolgabe bei Fieber und gegebenenfalls eine Verringerung der Wehentätigkeit durch reduzierte Oxytocingabe oder Tokolyse (DGGG & DGHWi , 2020). Darüber hinaus sind eine Vielzahl weiterer Maßnahmen bekannt, die zwar nicht alle evidenzbasiert sind, jedoch das maternale Wohlbefinden steigern können. Hier ist zum Beispiel die Aromatherapie zu nennen.

 

5. Reevaluation des CTGs

 

Spätestens 30 Minuten nach Beginn der konservativen Maßnahmen sollte eine erneute Bewertung des CTGs nach dem FIGO-Schema erfolgen. Dabei gibt es drei Möglichkeiten.

Erstens: Das CTG ist wieder physiologisch. In diesem Fall kann die Geburt unter engmaschiger Überwachung fortgeführt werden. Eine eventuell folgende ruhige Phase sollte jedoch zur Aufklärung der Frau und ihrer Partner:in über die bisherigen Auffälligkeiten und das zunächst abwartende Vorgehen genutzt werden.

Zweitens: Das CTG ist pathologisch. In diesem Fall sollten sofort weitere konservative Maßnahmen ergriffen und ärztliche Hilfe angefordert werden. Gegebenenfalls ist eine MBU durchzuführen und je nach Ergebnis die sofortige notfallmäßige Geburtsbeendigung anzustreben.

Drittens: Das CTG ist auch nach 30 Minuten noch suspekt. Auch in dieser Situation ist die Überprüfung des fetalen Wohlbefindens indiziert. Neben einer MBU ist dafür auch die Fetal Scalp Stimulation in Betracht zu ziehen. Dabei wird bei einer vaginalen Untersuchung das kindliche Köpfchen mit dem Finger stimuliert. Ein darauffolgender Anstieg der Herztonfrequenz ist als positives Zeichen zu bewerten. Die Reaktion auf die Stimulation beziehungsweise das Ergebnis der MBU ist dann mit dem gesamten bisherigen Geburtsverlauf in die Bewertung mit einzubeziehen. Je nach weiterem Geburtsverlauf sollte nach 30 bis 60 Minuten eine erneute MBU durchgeführt werden.

 

6. Weiterer Verlauf

 

Zu jedem Zeitpunkt muss in Abhängigkeit von CTG, Zustand der Frau und gegebenenfalls weiteren Faktoren entschieden werden, ob der angestrebte Spontanpartus weiterhin für Mutter und Kind die beste Option darstellt. Andernfalls ist eine Geburtsbeendigung per Vakuumextraktion/Forceps oder sekundärer Sectio in Betracht zu ziehen.

 

Fazit

 

Bei der Erarbeitung des Leitfadens hat sich die CTG-Analyse zusammen mit gegebenenfalls wiederholten Mikroblutuntersuchungen als derzeit beste Möglichkeit zur Bewertung des kindlichen Wohlergehens bei Dezelerationen herausgestellt. Dabei ist eine frühzeitige und kontinuierliche Rücksprache mit dem ärztlichen Personal entscheidend für die gemeinsame Entscheidungsfindung. Schon bei einem suspekten CTG sollten umgehend konservative Maßnahmen umgesetzt und alle verfügbaren Informationen in die Bewertung miteinbezogen werden. Auf diese Weise kann das Wohlergehen von Mutter und Kind bestmöglich sichergestellt werden.

Rubrik: Aus- und Weiterbildung | DHZ 02/2023

Literatur

DGGG, DGHWi. (2020). Vaginale Geburt am Termin (S3-Leitlinie). Registernummer 015 – 083. AWMF, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-083

Chandraharan, E., Arulkumaran, S. (2007). Prevention of birth asphyxia: responding appropriately to cardiotocograph (CTG) traces. Best PractRes ClinObstetGynaecol, 21(4):609–24.

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