Plazentagesundheit und Gerinnung im Wechselspiel

In der Schwangerschaft schützt das physiologische Zusammenspiel zwischen Gerinnungsfaktoren, Thrombozytenfunktion und Plazentakreislauf sowohl vor Blutungen als auch vor übermäßiger Gerinnung. Hebammen sollten Anzeichen von Komplikationen frühzeitig erkennen, um eine drohende Präeklampsie oder andere Risiken für Mutter und Kind abzuwenden. Désirée Forstner | Prof. Dr. rer. nat. Berthold Huppertz
  • Der Verbrauch der Thrombozyten steigt während der Schwangerschaft, vor allem im Plazentakreislauf. Daher kommt es bei gleichbleibender Produktion der Thrombozyten zu einer verringerten Anzahl.

Während der Schwangerschaft unterliegt der Körper der werdenden Mutter physiologischen Veränderungen, um das Wachstum des ungeborenen Kindes zu unterstützen. Eine dieser Anpassungen betrifft das Blutgerinnungssystem, in dem die Thrombozyten eine zentrale Rolle spielen (Michelson et al., 2019).

Das Gleichgewicht zwischen Blutgerinnung und Blutungsneigung ist ein sehr komplexer und streng regulierter Prozess, bei dem die Thrombozytenaktivierung und die Funktion der Plazenta beteiligt sind. Wird dieses Gleichgewicht gestört, kann es einerseits bereits zu Beginn der Schwangerschaft Probleme bei der Einnistung des Embryos in die Uterusschleimhaut geben, anderseits kann der Blutfluss in der Plazenta gestört werden. Bei einem erhöhten Blutverlust auch während der Geburt können erhebliche Komplikationen bei Mutter und Kind auftreten.

Hebammen sind oft die ersten, die Anzeichen von Gerinnungsstörungen oder plazentaren Problemen erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind wesentliche Bestandteile der pränatalen Überwachung, einschließlich der Bestimmung von Thrombozytenzahl, Fibrinogen und seiner Spaltprodukte (D-Dimere). Eine fundierte Aufklärung der Schwangeren über die Bedeutung einer gesunden Gerinnungsfunktion und Plazentagesundheit ist daher entscheidend.

 

Das Gerinnungssystem

 

Thrombozyten sind kernlose scheibenförmige Zellen, die mit einem Durchmesser von 1,5–3 Mikrometern (μm) die kleinsten Blutzellen sind. Sie werden bei der Bildung im Knochenmark von Megakaryozyten abgeschnürt und tragen wesentlich zur Blutstillung, Wundheilung und Entzündungsreaktion bei (Michelson et al., 2019). Diese Blutplättchen werden durch verschiedene Aktivatoren aktiviert, zum Beispiel Thrombin, Kollagen oder Adenosindiphosphat (ADP), wodurch es zu einer Formänderung ihres Zellkörpers und zur Ausschüttung ihrer gespeicherten Faktoren kommt. Diese sind hauptsächlich Adhäsionsmoleküle, Wachstumsfaktoren oder Entzündungsmediatoren. Die Zusammensetzung der verschiedenen Faktoren unterliegt einem dynamischen Prozess. Zudem konnte in einer Studie gezeigt werden, dass sich die Zusammensetzung der ausgeschütteten Plättchenfaktoren auch während der Schwangerschaft verändert (Szklanna et al., 2019).

Das Blutgerinnungssystem ist ein streng reguliertes und vor allem dynamisches Netzwerk, das sich im Wesentlichen aus der Blutviskosität, dem Endothel und den Änderungen der Strömungsgeschwindigkeiten zusammensetzt und als sogenannte Virchow-Trias bezeichnet wird.

 

Aktivierung der Thrombozyten

 

Um den Blutverlust während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett möglichst zu minimieren, entwickelt sich im Körper der werdenden Mutter ein Zustand der Hyperkoagulabilität und einer Hypofibrinolyse, es kommt also zu einer erhöhten Blutgerinnung und zu einem verringerten Abbau von Blutgerinnseln (Hale et al., 2012). Gleichzeitig kann diese erhöhte Gerinnungsbereitschaft aber auch das Risiko für thrombotische Komplikationen erhöhen. Deshalb ist es für Hebammen wichtig, ein fundiertes Verständnis über Thrombozyten und die Mechanismen der Blutgerinnung zu haben.

Das Thromboserisiko ist während der Schwangerschaft im Vergleich zu Nicht-Schwangeren um das Vier- bis Fünffache erhöht: Im Wochenbett erhöht es sich sogar um das 20-Fache. Dieses Risiko kann sich als tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie manifestieren und potenziell lebensbedrohlich werden. Unspezifische Symptome wie Atembeschwerden und Schwellungen der unteren Extremitäten sind sehr schwer zu deuten. Daher sollte die Betreuung dieser Schwangeren unbedingt interdisziplinär erfolgen, um möglichst schnell eine primäre Diagnose zu sichern (Schnabl & Strölin, 2015).

 

Thrombozytopenie

 

Obwohl die Aktivität der Thrombozyten während der Schwangerschaft zunimmt, verringert sich deren absolute Anzahl. Mehrere Studien haben gezeigt, dass bei komplikationslosen Schwangerschaften zum Zeitpunkt der Geburt 10 % weniger Thrombozyten vorhanden sind als vor der Schwangerschaft. Die Abnahme der durchschnittlichen Thrombozytenzahl verringert sich über den Verlauf der Schwangerschaft kontinuierlich, bis sie schlussendlich im dritten Trimenon in einer schwangerschaftsassoziierten Thrombozytopenie enden kann.

Die schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie, die etwa 10 % aller Schwangeren entwickeln, ist mit einer Thrombozytenzahl unter dem physiologischen Normwert von 150 x 109 Thrombozyten pro Liter definiert. Eine schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie bildet sich in der Regel innerhalb weniger Tage bis maximal zwei Monate nach der Geburt wieder zurück (Michelson et al., 2019).

Bei weniger als 1 % aller Schwangerschaften sinkt die Plättchenzahl sogar unter 100 x 109/L und stellt ein hohes Risiko für Mutter und Kind dar. Daher ist es besonders wichtig, in diesen Fällen das Auftreten von Bluthochdruck und/oder einer Proteinurie zu untersuchen, um den Beginn einer Präeklampsie oder eines HELLP-Syndroms (hämolytische Anämie, erhöhte Leberenzyme, Thrombozytopenie) auszuschließen.

Die verringerte Thrombozytenzahl kommt einerseits durch eine Erhöhung des Blutplasmavolumens zustande, auch Hämodilution genannt, und somit durch eine Verdünnung der Thrombozyten. Anderseits ist der Verbrauch der Thrombozyten während der Schwangerschaft erhöht, vor allem im Plazentakreislauf. Daher kommt es bei gleichbleibender Produktion der Thrombozyten zu einer verringerten Thrombozytenzahl.

Neben der herkömmlichen schwangerschaftsassoziierten Thrombozytopenie, die vorrangig im dritten Trimenon voll ausgeprägt ist, ist die Immunthrombozytopenie (ITP) bereits im ersten Trimenon ausgeprägt. Dies betrifft 1–4 % aller Schwangerschaften. Meist ist die Ursache einer ITP eine Antikörper-vermittelte Reaktion gegen Thrombozyten oder Megakaryozyten, wobei sie auch in Zusammenhang mit anderen Autoimmunerkrankungen auftritt, wie dem Systemischen Lupus Erythematodes (SLE).

Die schwangerschaftsassoziierte thrombotische Mikroangiopathie (TMA), bei der es zu Endothelschäden und der damit verbundenen Bildung von Thromben in arteriellen und venösen Mikrogefäßen kommt, tritt oft in Zusammenhang mit der Prä­eklampsie, dem HELLP-Syndrom oder dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) auf. Eine systematische Diagnostik beziehungsweise Klassifizierung und eine zielgerichtete Therapie sind bei einer schwangerschaftsassoziierten Thrombozytopenie deswegen von besonderer Bedeutung (Cines & Levine, 2017).

 

Intervillöse Thrombozytenaktivierung

 

Die Schnittstelle zwischen Mutter und Kind, die Plazenta, ist ein einzigartiges Organ, da sie einerseits die Versorgung des Fetus mit Sauerstoff und Nährstoffen gewährleistet, anderseits aber auch eine Barriere darstellt, um das Ungeborene vor

 

Darstellung von perivillösen Fibrinablagerungen und Thrombozytenaggregaten an Plazentazotten des ersten Trimenons: A: Die Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE) einer humanen Plazenta des ersten Trimenons zeigt ein Blutgerinnsel an der Oberfläche des Synzytiotrophoblasten. B: Die immunhistochemische Färbung mit dem Thrombozyten-Marker CD42b ermöglicht es, Thrombozyten (braun) innerhalb des Blutgerinnsels zu identifizieren. C und D: Mit der spezifischen Färbung für CD42b (C) und für Fibrin (D) konnte perivillöses Fibrin mit adhärenten Thrombozyten auf degenerativen Bereichen des Synzytiotrophoblasten nachgewiesen werden. Der weiße Skalenbalken rechts unten repräsentiert 20 µm.
Quelle: Verändert aus Guettler, J.; Forstner, D; Gauster, M; Maternal platelets at the first trimester maternal-placental interface – Small players with great impact on placenta development; Placenta, Volume 125, 2022, Pages 61-67, ISSN 0143-4004; https://doi.org/10.1016/j.placenta.2021.12.009; CC BY license

Krankheitserregern und schädlichen Stoffen zu schützen. Die Plazenta ist während der Schwangerschaft auch ein wichtiges endokrines Organ, da sie Hormone produziert, etwa Östrogene, Progesteron und das humane Choriongonadotropin (hCG) (Huppertz & Schleußner, 2018).

Die humane Plazenta wird als hämochoriales Organ bezeichnet, da das mütterliche Blut direkt die fetalen Plazentazotten umspült und somit in engem Kontakt mit dem Zottentrophoblasten steht, dem sogenannten Synzytiotrophoblast. Zu Beginn der Schwangerschaft ist der Blutfluss in den intervillösen Raum, in den das mütterliche Blut über die uterinen Spiralarterien gelangt, noch nicht etabliert. Extravillöse Trophoblasten wandern in die Spiral­arterien ein und bilden einen sogenannten Pfropf, um den Blutfluss in den intervillösen Raum zu verhindern. Somit gelingt es ihnen, die Sauerstoffkonzentration in den ersten Wochen der Schwangerschaft möglichst gering zu halten, um die Produktion von potenziell schädlichen reaktiven Sauerstoffspezies zu vermeiden und somit ein schnelles und gesundes Wachstum des Embryos zu garantieren: weniger Sauerstoffradikale, schnelleres Wachstum.

Ab der Mitte des ersten Trimenons beginnt sich der Pfropf in den Spiralarterien langsam zu lockern. Noch bevor das mütterliche Blut in den intervillösen Raum gelangt, sind Thrombozyten möglicherweise die ersten Blutzellen, die den Pfropf passieren können. Der genaue Zeitpunkt ihres Eintritts in den intervillösen Raum ist nur schwer nachzuweisen. Es konnte gezeigt werden, dass sich Thrombozyten bereits im ersten Trimester an die villösen Zottenbäume anhaften und dort bereits ihre gespeicherten Faktoren abgeben können (wie Adhäsionsmoleküle, Wachstumsfaktoren oder Entzündungsmediatoren). Diese Beobachtungen führen zu der Annahme, dass die Anwesenheit der Thrombozyten im intervillösen Raum und die Ausschüttung ihrer gespeicherten Faktoren ein wichtiger Bestandteil der frühen Plazentaentwicklung sind (Moser et al., 2019).

 

Pro- und antikoagulatorisch

 

Da die Zottenoberfläche der Plazenta die Diffusionsfläche zwischen Mutter und Kind darstellt, ist die Regulierung der Blutgerinnung beziehungsweise der Thrombozytenaktivierung an dieser Schnittstelle von zentraler Bedeutung. Faktoren der Gerinnungskaskade werden hauptsächlich in der Leber produziert und über den mütterlichen Blutfluss in die Plazenta transportiert. Zusätzlich ist die Regulierung der Blutgerinnung auch von lokalen Mechanismen abhängig. Die äußerste Oberflächenschicht der plazentaren Zotten, der Synzytiotrophoblast, produziert neben endokrinen Faktoren auch viele hämostaseologische Faktoren, wie etwa den Tissue Factor (TF) oder Thrombomodulin (TM). Diese pro- und antikoagulatorischen Faktoren sorgen in der Plazenta für das nötige Gleichgewicht der Gerinnungskaskade (Lanir et al., 2003).

So ist der Tissue Factor hauptsächlich für die Blutgerinnung zuständig, während Thrombomodulin die Gerinnungskaskade hemmt, indem das Thrombin durch die Bindung mit Thrombomodulin unter anderem seine Fähigkeit zur Fibrinogenspaltung verliert (Lanir et al., 2003). Es bindet Thrombin und inaktiviert es.

Eine wichtige Rolle spielt auch das fibrinolytische System, bei dem hauptsächlich der Plasminogen Aktivator Inhibitor (PAI-1) als wichtiger Regulator beschrieben wurde. PAI-1 kann den normalen Fibrinabbau regulieren und bei einer Fehlregulation zu pathologischen Fibrinablagerungen führen. Im dritten Trimenon bestehen bereits 7 % der gesamten Plazentazottenoberfläche aus Fibrin, was der Plazenta auch mechanische Stabilität verleiht, sich bei erhöhter Bildung aber wieder negativ auf den Stoffaustausch zwischen Mutter und Fötus auswirken kann.

Die Ursache für diese perivillösen Fibrinablagerungen können eine vermehrte Thrombozytenaktivierung durch sterile Entzündungen oder Verletzungen am Synzytiotrophoblasten durch erhöhte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in den intervillösen Raum sein. Fibrinablagerungen können unter anderem zu Verschlüssen im intervillösen Raum und Infarkten führen, was möglicherweise eine Plazentainsuffizienz und sogar einen Abort zur Folge haben könnte (Kaufmann et al., 1996).

Schwangerschaftspathologien wie Präeklampsie oder HELLP werden vermehrt mit Störungen in der Blutgerinnung und dem fibrinolytischen System in Verbindung gebracht und stellen ein erhebliches Risiko für Mutter und Kind dar. Hebammen sollten daher ein besonderes Augenmerk auf Anzeichen von Gerinnungsstörungen oder plazentaren Problemen legen.

 

Präeklampsie

 

Eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen, die mit einer gestörten Plazentafunktion und Thrombozytenaktivierung einhergeht, ist die Präeklampsie. Dieses schwangerschaftsspezifische Syndrom, das mit einer Prävalenz von etwa 3–5 % auftritt, ist durch Bluthochdruck (>140/90 mmHg) und Proteinurie (>0,3 g/d Protein im 24 h-Sammelurin) oder einen Bluthochdruck und eine signifikante Endorgan-Dysfunktion nach der 20. Schwangerschaftswoche charakterisiert. Zusätzlich können die Patientinnen an Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Übelkeit leiden. Da die Prä­eklampsie schwerwiegende Auswirkungen auf Mutter und Kind haben kann, sind frühzeitige Diagnose und Überwachung entscheidend (Huppertz & Schleußner, 2018).

Während die genaue Ätiologie der Präeklampsie immer noch nicht vollkommen geklärt ist, bringen doch viele Studien eine erhöhte Thrombozytenaktivierung und einen verringerten Abbau von Fibrin damit in Verbindung. Neben der Behandlung des erhöhten Blutdrucks hat sich weltweit auch die Behandlung mit niedrig-dosiertem Aspirin, das die Blutgerinnung hemmt, als Standardmethode zur Prävention der Präeklampsie durchgesetzt, die allerdings vor der 16. Schwangerschaftswoche (SSW) gestartet werden sollte. In einer groß angelegten Studie, der sogenannten ASPRE-Studie (Combined Multimarker Screening and Randomized Patient Treatment with Aspirin for Evidence-Based Preeclampsia Prevention), wurden Frauen mit einem erhöhten Risiko auf früheinsetzende Präeklampsie mit 150 mg Aspirin am Tag behandelt, beginnend mit der 11.– 14. bis zur 36. Schwanderschaftswoche (Rolnik et al., 2017). Diese Studie konnte zeigen, dass die Prä­eklampsiehäufigkeit bei einer Substitution von 150 mg/d ASS vor der 37. Woche um 63 % reduziert wird.

Eine weitere Studie konnte zeigen, dass es auch wichtig ist, eine frühzeitige Aspirin-Resistenz zu erkennen und auf individualisierter Basis mit einfachen Labortest die Medikation anzupassen, um bei diesen Frauen das Risiko deutlich zu minimieren, eine Präeklampsie zu entwickeln (Stern et al., 2021).

 

Fazit

 

Während der Schwangerschaft ist das Zusammenspiel zwischen Gerinnungsfaktoren, der Thrombozytenfunktion und dem Plazentakreislauf sowohl für den Schutz vor Blutungen als auch für die Prävention von übermäßiger Gerinnung wichtig. Die Plazenta muss eine ausreichende Durchblutung gewährleisten und gleichzeitig die Bildung von Thromben minimieren, da eine gestörte Thrombozytenfunktion oder eine unzureichende Blutgerinnung schwerwiegende Folgen haben kann, wie die Entwicklung einer Präeklampsie bis hin zur Plazentainsuffizienz.

Für Hebammen ist es daher essenziell, die Zusammenhänge zwischen der Blutgerinnung und der Funktion der Plazenta zu verstehen. So können sie Anzeichen von Komplikationen frühzeitig erkennen, entsprechend handeln und somit entscheidend zur Gesundheit von Mutter und Kind beitragen.

Rubrik: Ausgabe 01/2025

Vom: 18.12.2024