Akademisierung: Die nächste Stufe nehmen

  • Die Akademisierung des Hebammenberufes ist nun auch in Deutschland unaufhaltsam. Die zwölf Bachelor-Modellstudiengänge, die seit 2008 in Deutschland geschaffenen worden sind, und vier verschiedene Master-Studiengänge haben jungen Frauen und Männern sowie examinierten Hebammen längst die Möglichkeit eröffnet, durch ein Studium einen höheren Abschluss zu erreichen. Diese höhere Qualifizierung ist eine absolut sinnvolle Maßnahme für einen Frauenberuf, der traditionell prekär und unterprivilegiert ist. Trotzdem haben viele noch Befürchtungen, ob dieser Schritt der richtige ist. Der einzige objektive Verlust wird allerdings sein, dass Hebammen ihren Beruf bald nicht mehr ohne Fachhochschulreife erlernen können. In Deutschland gibt es jedoch zahlreiche Möglichkeiten, diese an einem Weiterbildungskolleg oder einer Abendschule nachzuholen. Alles andere – die Qualitätssicherung der praktischen Ausbildung, individuelle Finanzierungsmöglichkeiten und eine angemessene Entlohnung – ist eine Sache der Entwicklung und der Verhandlungen. Vielleicht trauen Hebammen sich nicht mehr zu, solche Kämpfe zu gewinnen, da sie in den vergangenen Jahrzehnten wenig Erfolg damit hatten. Mit einem Verzicht des Berufsstandes auf eine höherwertige Ausbildung wird sich das allerdings nicht verbessern.

    Hebammen hatten früher ein hohes Ansehen. Sie erfahren noch immer viel positive Beachtung und Anerkennung. Aber seien wir ehrlich: Hebammen werden heute im Allgemeinen nicht unbedingt für ihre Fachkompetenz geachtet. Witze darüber, dass sie mit Räucherstäbchen, Zuckerkügelchen, Tragetüchern und Esoterik ans Werk gehen, kursieren schon länger unter werdenden Eltern. Dass Hebammen sich in allen für sie zugelassenen Bereichen flächendeckend betätigen, scheitert immer noch an dem überwiegenden Bedürfnis werdender Eltern, sich primär fachärztlichen Rat einzuholen. So sind auch bei physiologischer Schwangerschaft GynäkologInnen die ersten AnsprechpartnerInnen. Auch sind nicht alle Hebammen in der Lage oder bereit dazu, sich ständig aktuelles Fachwissen anzueignen und ihr Handeln auf evidenzbasierte Füße zu stellen. Letztlich gefährdet das sowohl den Ruf des Berufsstandes, als auch die rechtliche Sicherheit der einzelnen Hebamme, die in einem Schadensfall keine belastbaren Argumente für ihre Entscheidungen hat.

    Erst kürzlich fragte mich eine Bekannte, ob man Frauen heute wieder ab dem ersten Anlegen zu Stillhütchen und zum Zufüttern rate? Ihre Nichte habe im Kreißsaal diesen Rat von der Hebamme erhalten. In solchen Momenten habe ich keinen Zweifel mehr, dass der Beruf der Hebamme eine weitere Stufe der Professionalisierung durchlaufen und akademisiert werden muss. Über Voraussetzungen, Folgen und Visionen lesen Sie mehr in dieser Ausgabe.