Der Platz, der uns gebührt

  • Tara Franke

  • Im Gespräch mit einer Ausbilderin für Doulas wurde mir kürzlich bewusst, dass ich den Hebammenberuf vor allem erlernt habe, um Frauen bei der Geburt zur Seite zu stehen. Mir war zwar klar, dass ich als Expertin auch wissen muss, was bei ungünstigen Geburtsverläufen und Pathologien zu tun ist, aber das war für mich zweitrangig.

    Als Hebamme hatte ich meist genau das getan, was auch Doulas eigenen Aussagen zufolge als ihre Aufgabe sehen: Ich war eine „erfahrene Geburtsbegleiterin", die „eine liebevolle, kontinuierliche Begleitung während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett" anbot, gab Hilfe „beim Aufbau der Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind" und unterstützte „eine intensive Bindung". Ich gab jede Menge „emotionale Unterstützung" und förderte die „ureigensten Kompetenzen" der Frauen, wo ich nur konnte, um nur einige zentrale Ziele aus www.doulas-in-deutschland.de und www.doula-info.de zu zitieren. Um den Bedarf an Doulas zu erklären, führt eine dieser Info-Homepages Sheila Kitzinger an: „Geburt ist Frauensache, weil Frauen bei der Geburt eine Atmosphäre schaffen, die der Gebärenden viel Kraft, Zuversicht und Selbstvertrauen vermitteln kann."

    Im Einzelfall ist es verständlich, wenn eine werdende Mutter sich in ihrer aktuellen Situation die bestmögliche Hilfe und zusätzliche Unterstützung durch eine Doula organisiert. Dort, wo heute freiberufliche Hebammen in der Schwangeren- und Wochenbettbegleitung fehlen oder Kreißsäle chronisch unterbesetzt sind, ist das nur legitim. Ich sehe es politisch aber als sehr problematisch an, wenn Frauen semiprofessionelle Hilfe in Anspruch nehmen und selbst für das zahlen müssen, was eigentlich die Krankenkassen durch angemessene Hebammenentlohnung sicherstellen sollten. Oder was Kliniken durch die Einführung des „Expertinnenstandards Förderung der physiologischen Geburt" und einen Personalschlüssel gewährleisten sollten, der eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen sicherstellt.

    Vielleicht werden wir Hebammen immer weniger als loyale Mit-Frauen wahrgenommen, weil wir zu tief in die Medikalisierung und Ökonomisierung der Geburt verstrickt wurden – und uns haben verstricken lassen. Ich weiß von vielen Kolleginnen, dass es ihr innigster Wunsch ist, die Kraft der Frauen zu stützen und zu schützen. Doch das scheint in der Gesellschaft nicht mehr so wahrgenommen zu werden und auch oft nicht möglich zu sein.

    Als Beschützerin der Frau und der physiologischen Geburt haben wir – angesichts der aktuellen Sectioraten – wohl versagt. Wir waren nicht mächtig genug, um diese Entwicklung abzuwenden. Weil wir „nur" Frauen sind? Werden Hebammen an den Rand gedrängt, steht es um Frauen und ihre Bedürfnisse in der Gesellschaft insgesamt nicht gut. Nehmen wir uns endlich den Raum, der uns – Hebammen und Frauen – zusteht: den Mittelpunkt! 

    Tara Franke