Ein Gewinn fürs Leben

  • Vor zwei Jahren besuchte ich Katrin Bautsch, eine Autorin dieser Ausgabe, im Berliner St. Joseph Krankenhaus, die damals noch auf der neonatologischen Abteilung tätig war: Sie hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass es zum ersten babyfreundlichen Kinderkrankenhaus Deutschlands wurde. Ich war beeindruckt von der Station, wo Eltern mit ihren frühgeborenen und kranken Kindern in einem Familienzimmer untergebracht waren und von Anfang an – mit Unterstützung durch das Personal – die Versorgung ihrer Kinder übernahmen. Ihre Privatsphäre wurde konsequent respektiert: Beispielsweise betrat niemand das Zimmer ohne ein „Herein" der Eltern, die Überwachungsmonitore der Kinder wurden zentral kontrolliert. Vor den Glasscheiben in den Türen waren die Jalousien geschlossen. Ich durfte eine Mutter mit ihrer Tochter begrüßen, die an diesem Tag entlassen werden sollten, ihr Kind 1.600 Gramm schwer und voll gestillt. Sie freute sie sich auf Zuhause, ohne Zweifel daran, dass sie den Übergang bestens meistern würde mit dem Rückhalt einer Nachsorgehebamme und der Schwestern der Station, an die sie sich jederzeit würde wenden können.

    Was für ein Kontrast zu der Zeit vor 40 Jahren mit den bekanntermaßen niedrigsten Stillquoten, an die ich Ende Juli anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstordens an die Kinderkrankenschwester, Seelsorgerin und Gründerin der Beratungsstelle PUA, Annegret Braun in Stuttgart erinnert wurde (siehe Seite 4). Sie hatte unter anderem dafür gekämpft, dass 1973 die Ganztagsbesuchszeit im dortigen Olgahospital eingeführt worden war und für die erste Station, in der Eltern mit aufgenommen werden konnten – das „Olgäle" wurde zum Vorreiter unter den Kinderkliniken. „Nur mittwochs und sonntags von 14 bis 16 Uhr war Elternbesuchszeit und zu den Infektionsstationen und Säuglingsstationen durften Eltern überhaupt nicht hinein", erinnerte Annegret Braun sich bei der Feierstunde. Der meiste Widerstand kam von ihren Kolleginnen: „Mit den Müttern im Zimmer kann man keine Kinderkrankenpflege machen."

    „Breastfeeding: A Winning Goal – For Life!", „Stillen – ein Gewinn fürs Leben", lautet das diesjährige internationale Motto der Weltstillwoche. Es greift den Countdown der acht Millenniumsziele der Vereinten Nationen auf, die im Jahr 1990 für das Jahr 2015 gesteckt worden waren. Dabei wird der Steigerung der Stillraten sowie der Erhaltung, dem Schutz, der Förderung und der Unterstützung des Stillens größte Bedeutung zugemessen. Nicht nur in unzureichend entwickelten Ländern rettet ausschließliches Stillen über sechs Monate Leben. Auch bei uns wird der Wert der Muttermilch zunehmend erkannt, insbesondere durch neue wissenschaftliche Forschung: Für kranke und frühgeborene Kinder kann die Ernährung mit Muttermilch lebensentscheidend sein. Dass Mütter mit ihren Kindern von Geburt an rund um die Uhr zusammenbleiben können – gerade auch mit den kleinen und kranken – sollte auch in Kinderkliniken keine Ausnahme bleiben.