Frühzeitige Hilfe

  • Frau S. versucht die Nerven zu behalten. Alle bewundern ihre Tapferkeit. Aber jetzt stellt die Ärztin fest, dass das Kind nicht genügend gewachsen ist. Sie spürt, eigentlich kann sie das nicht mehr lange schaffen, aber sie muss doch stark sein. Frau S. ist schwanger mit ihrem zweiten Kind, bei ihrem Mann wurde vor Kurzem eine schwere Erkrankung festgestellt; er hat nicht mehr lange Zeit zu leben und braucht zunehmend mehr Unterstützung. Seine Familie ist zeitweilig da, alle Fürsorge konzentriert sich auf ihn. Ihre eigenen Eltern sind weit weg und nicht mehr fit genug, um ihr beizustehen. Der Zweijährige hängt gerade jetzt besonders an ihr, er spürt die Belastungen der Erwachsenen. Neben all dem sind da noch die finanziellen Sorgen. Frau S. ist freiberuflich tätig und das Familieneinkommen gefährdet, weil sie im Moment nicht arbeiten kann.

    Es sind ganz unterschiedliche Situationen, in denen Frauen die Frühen Hilfen benötigen. Unter anderem sind es die Lücken, die sich durch unerwartete Ereignisse, Krankheiten und Krisen auftun. Wenn familiäre, freundschaftliche oder nachbarschaftliche Netze nicht mehr reichen, entsteht schnell ein großes Loch. Es kommt ein Kreislauf von negativen Folgen in Gang, die die körperliche und psychische Gesundheit der Familienmitglieder nachhaltig schädigen können.

    Hier setzt das Konzept der Frühen Hilfen an: Ressourcen stärken, bevor die Frauen ausgebrannt sind oder mit Wochenbettdepressionen nicht mehr handlungsfähig, bevor Kinder verhaltensauffällig werden – durch gezielte Interventionen die Prozesse in eine andere Richtung lenken und dabei die Kompetenzen der Familien nachhaltig stärken. Die kommunalen Strukturen Früher Hilfen werden derzeit durch die gleichnamige Bundesinitiative flächendeckend mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgebaut und in begleitender Forschung ausgewertet. Familienhebammen spielen dabei eine wichtige Rolle.

    Frau S. erfuhr über eine Freundin von der Möglichkeit, durch eine Familienhebamme unterstützt zu werden. Nun kommt die Hebamme einmal pro Woche. Sie schauen gemeinsam, welche Aufgaben anstehen, wie sie Unterstützung braucht und wie sie diese bekommen kann. Auch die finanziellen Probleme bleiben nicht außen vor. Frau S. hat endlich auch für ihre eigenen Gefühle einen Raum. Die Hebamme hilft ihr, den Kontakt zu ihrem Ungeborenen zu stärken.

    Interventionen durch Frühe Hilfen sind niedrigschwellig und können sehr effektiv sein. Sie stärken nicht nur Familien und Gesellschaft, sondern sind letztlich auch für die Gemeinschaft viel kosteneffektiver als alle Maßnahmen und Folgekosten, wenn Schäden erst entstanden sind. Hebammen sollten alle Frauen rechtzeitig über diese Möglichkeiten informieren. Während der Schwangerschaft, bei der Geburtsvorbereitung und allerspätestens im Wochenbett sollten alle Frauen davon erfahren.