Fürsorge für eine intime Zone

  • Vor der Geburt haben einige Frauen mehr Angst vor Verletzungen am Beckenboden, als davor, sich den Bauch aufschneiden zu lassen. Dass der Damm der Frau heil bleibt, ist Hebammen eine Herzensangelegenheit. Der Dammschutz ist ihr unantastbares Hoheitsgebiet und manche haben schon ÄrztInnen zurückgehalten, die einen Dammschnitt machen wollten. Klar, mitunter schneiden auch Hebammen, oft gegen ihre Überzeugung. Die Hebamme und Anthropologin Peggy Seehafer hielt kürzlich auf dem 3. DHZCongress einen erhellenden Vortrag über Geburtsverletzungen. Sie zeigte auf der Basis von weltweiten Studien, dass ÄrztInnen große Angst vor einem DR III und IV hätten, Hebammen dagegen diese schweren Dammverletzungen offensichtlich zu wenig fürchteten. Seehafers Botschaft: Ein Dammschutz, von dem es zeitgeschichtlich und länderspezifisch viele Varianten gibt, ist eine evidenzbasierte geburtshilfliche Maßnahme. Andere fürsorgende Handlungen, die theoretisch auch als Interventionen betrachtet werden können, sind Massagen und warme Kompressen. Darauf hat gerade wieder die US-amerikanische Fachgesellschaft American Congress of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) hingewiesen. Durch die Verbreitung dieses Wissens ist die Zahl der Dammschnitte bereits gesunken.

    Im Wochenbett und auch generell mit dem Älterwerden sollte der Zustand des Beckenbodens ein Thema sein. Manche Frauen haben Schwierigkeiten aufgrund schlecht verheilter Dammnähte, viele können ihre Blase nicht richtig kontrollieren. Hierzu braucht es Aufklärung. Mit Elektrodensonden lassen sich ein Hyper- und Hypotonus des Beckenbodens messen, um dementsprechend Interventionen einzuleiten, beispielsweise physiotherapeutisches Beckenbodentraining, lokale Östrogenisierung, Elektrostimulation oder eine Therapie mit Pessar oder Medikamenten, mitunter auch eine Manualtherapie beispielsweise im Bereich des Steißbeins. In dieser Ausgabe werden verschiedene Methoden erläutert und operative Möglichkeiten aufgezeigt, wenn die Inkontinenz oder Schmerzen beim Sex unerträglich werden. Hebammen erfahren oft nicht, dass mitunter Jahre nach einer Geburt nur noch eine OP hilft.

    Die Hebamme und Sexualpädagogin Tara Franke wünscht sich neues und ausführlicheres Lehrmaterial zur Anatomie der weiblichen Beckenorgane und des Beckenbodens. Hebammen hätten mangels richtiger Bilder meist eine falsche Vorstellung beispielsweise vom tiefen queren Beckenmuskel, der bei Frauen im Grunde – anders als bei Männern – nur aus einer Faszie besteht. Profundes Wissen über das weibliche Geschlecht sei nicht nur für die Geburtshilfe wichtig – sondern auch für die erfüllte Sexualität einer jeden Frau.