Gemeinsam Ressourcen stärken

  • Katja Baumgarten: „Nicht nur in Extrem­situationen – auch bei etwas so Normalem wie dem Stillen ist es unerlässlich, dass die Professionen an einem Strang ziehen.“

  • Wenn Sie Ihr Kind zu Hause zur Welt bringen möchten, dann können Sie den Sarg gleich mitbestellen!" Dieser Rat eines Frauenarztes an eine gesunde Schwangere mit einem ebenso gesunden Kind im Bauch zeugt nicht nur von Unkenntnis der aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse zur Hausgeburtshilfe – für die konstruktive Zusammenarbeit mit der verantwortlichen Hebamme ist so etwas eine Katastrophe. Zum Glück sind solch krasse Aussprüche nicht die Regel – eine völlige Ausnahme sind irrational gefärbte Kommentare und Abwehrhaltungen aber leider nicht. In manchen Regionen scheint eine regelrechte Kampfstimmung zwischen niedergelassenen FrauenärztInnen und Hebammen zu herrschen. Im Raum Hannover ist die Zusammenarbeit von Hebammen und ÄrztInnen in der Hausgeburtshilfe zum Glück nie abgerissen. Schon vor „meiner Zeit" als Hausgeburtshebamme ab 1983 gab es neben den älteren Kolleginnen auch die „Praktischen Ärzte und Geburtshelfer" und FrauenärztInnen, für die es eine Selbstverständlichkeit war, zu Hausgeburten zu kommen. Der Generationswechsel fand nicht nur bei den Hebammen, sondern auch bei den Ärzten statt – weiterhin gibt es (wenige) engagierte ÄrztInnen, die aus Überzeugung der Hausgeburt Rückhalt geben.

    Gerade in schwierigen Situationen bewährt sich die vertrauensvolle Zusammenarbeit: Vor kurzer Zeit beispielsweise erfuhr Antje, eine Schwangere aus meiner Nachbarschaft, die Diagnose „Trisomie 13" für ihr Kind. Ihre Frauenärztin hatte sie nach einer auffälligen Ultraschalluntersuchung zum Pränataldiagnostiker überwiesen. Noch am selben Tag hatte sie Klarheit – ihr Kind würde nach der Geburt nicht leben können. Und bereits drei Tage danach waren sie und ihr Mann entschieden: In einem ausführlichen Gespräch hatte die Frauenärztin sie ermutigt, ihr Kind auszutragen und eine Hausgeburt vorgeschlagen. Dazu hatte sie gleich eine erfahrene Hebamme empfohlen, die die Betreuung sofort zusagte. Statt des Schwangerschaftsabbruchs, den sie im ersten Schock für unausweichlich hielten, sehen Antje und ihre Familie die kurze Zeit, die ihnen mit ihrem kleinen Sohn Linus bleibt, nun als Kostbarkeit. Für ihre langfristige Gesundheit ist das gemeinsame Durchleben dieser besonderen Zeit vermutlich eine Stärkung ihrer Kraftquellen.

    Die Früchte ihrer guten, der Gesundheit dienlichen Betreuung „ernten" Hebammen und ÄrztInnen mit einer weitsichtigen Perspektive – und auch Mitglieder aller anderen kooperierenden Berufsgruppen – wenn sie Lebenswege von Familien weiter verfolgen können. Nicht nur in Extremsituationen – auch bei etwas so Normalem wie dem Stillen ist es unerlässlich, dass alle Professionen an einem Strang ziehen. Das Motto der Weltstillwoche heißt in diesem Jahr: „Der Anfang zählt: Stillen ab der ersten Lebensstunde". Wenn niemand mehr bei einer Geburt das allererste Stillen stört, schützt er den ersten und wichtigsten Schritt für eine lange glückliche Stillbeziehung – eine unwiederbringliche Ressource.