Hauptsache gesund

  • Peggy Seehafer, Hebamme, Anthropologin und Redakteurin der DHZ: »Manchmal ist es schwer für Hebammen, in der Familien - betreuung zu unterscheiden, wo die Physiologie aufhört und die Pathologie beginnt.«

  • Nur 5 % aller Erkrankungen sind angeboren, 95 % entstehen oder zeigen sich erst postnatal. Manchmal erst Wochen oder Monate nach der Geburt. Säuglinge können ihre Beschwerden nicht genau lokalisieren und schon gar nicht so äußern, dass wir verstehen, wo ihr Problem ist.

    Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Es ist manchmal schwer für Hebammen, in der klinischen Praxis der Familienbetreuung zu unterscheiden, wo die Physiologie aufhört und die Pathologie beginnt, wenn Kinder vermeintlich nicht der Norm entsprechen. Wann ist es eine Entwicklungsverzögerung oder schwere Erkrankung, die einer Hilfe bedarf, und wann eine biologische Variabilität? Wann reagieren die Eltern einfach nur überängstlich? Und sitzt man das aus oder kann man die Pathologie behandeln?

    »Wenn Sie Hufgeklapper hören, sollten Sie zuerst an ein Pferd denken, bevor Sie mit einem Zebra rechnen.« Für Eltern kranker Kinder zieht sich die Leidenszeit gefühlt endlos in die Länge, bevor ihrem Nachwuchs angemessen geholfen wird. Und dennoch ist es richtig, die erwartbaren Krankheiten zuerst in Betracht zu ziehen und zu versuchen, sie zu behandeln.

    Nicht jedes (Still-)Problem endet in der Kinderchirurgie. Aber wenn nötig, gibt es faszinierende Operationstechniken, wie zum Beispiel die Single Incision Laparoscopic Surgery (SILS). Dabei handelt es sich um ein Verfahren der minimalinvasiven Chirurgie, das den OP-Geräten lediglich über einen kleinen Schnitt am Bauchnabel Zugang zum Inneren des Körpers verschafft. Wenige postoperative Beschwerden und kaum erkennbare Narbe sind die großen Vorteile dieses Verfahrens.

    Andere Operationen, zum Beispiel am Kopf oder an den Füßen, ziehen längere postoperative Verläufe nach sich und sind nach guter Abwägung dennoch unumgänglich.

    Die Betreuung eines kranken Neugeborenen ist nicht primäre Hebammenarbeit. Aber in der nachgeburtlichen Betreuung der betroffenen Familie ist die Hebamme häufig eine vertrauenswürdige Expertin. Daher ist es für die tägliche Arbeit eben doch wichtig, ein Zebra von einem Pferd unterscheiden zu können. Einfangen müssen Sie es nicht, aber Hilfe holen.