Hebammen sind der Schlüssel

  • Ein Kind zu bekommen, heißt immer auch, dem Tod ins Auge zu sehen. Das ist auch heute noch traurige Wahrheit für viele Frauen auf der Welt. Auch wenn die Müttersterblichkeit in den vergangenen 25 Jahren um 44 Prozent gesenkt werden konnte, so ist sie nach wie vor in vielen Ländern eine große Bedrohung. Ähnlich ist es mit der Säuglings- und Kindersterblichkeit. Für viele Frauen ist der Tod ihres Kindes im ersten Lebensjahr etwas, womit sie rechnen müssen.

    Weltweit sind die Herausforderungen für Hebammen ganz unterschiedlich – abhängig vom Reichtum eines Landes und dem jeweiligen Gesundheitssystem. Gleichzeitig sind viele großen Themen, die unsere Berufsgruppe beschäftigen, ähnlich – nur ihre jeweilige Ausprägung ist unterschiedlich, wie etwa Gewalt gegen Frauen, schädliche kulturelle Praktiken, ungerechte Geschlechterverhältnisse oder eine Geburtshilfe, die die Würde von Mutter und Kind verletzt.

    Hebammen setzen sich weltweit für die Gesundheit von Müttern und Kindern ein. Ob es darum geht, in Entwicklungsländern den Zugang zur Gesundheitsversorgung, Empfängnisverhütung oder einem sicheren Schwangerschaftsabbruch zu gewährleisten und sich gegen Kinderheirat zu engagieren. Oder in der Hightech-Geburtshilfe in der westlichen Welt eine Eins-zu-eins-Betreuung zu etablieren, unnötige Interventionen und Sectiones zu verhindern. Oder die Hebammenausbildung in Deutschland endlich an die Hochschulen zu bringen.

    Im Vorfeld des ICM-Kongresses im kanadischen Toronto wollen wir in diesem Heft den globalen Blick auf die Rolle von Hebammen werfen: auf große Institutionen, die die Weichen stellen, Verbände, die Visionen und Strukturen entwickeln für die Hebammenarbeit weltweit wie WHO, UNFPA und ICM. Als Beispiel für den Wandel in einzelnen Geburtssystemen schauen wir nach British Columbia im Westen Kanadas, wo Hebammen Großartiges geleistet haben. Des Weiteren berichten einzelne Hebammen, die sich über ihre Grenzen hinaus gewagt haben, von ihrer Arbeit – irgendwo in Afrika oder auf einem Flüchtlingsschiff im Mittelmeer.

    Alle diese Berichte zeigen: Hebammen sind der Schlüssel für sexuelle, reproduktive und Mütter- und Kindergesundheit – überall auf der Welt. Ausgebildete Hebammen machen den Unterschied. Das zeigen Studien und Länderberichte. Hebammen zu fördern ist eine Investition für eine bessere Welt.

    Mit unserer Arbeit sind wir Teil von etwas Größerem. Es ist faszinierend, das auf den internationalen Kongressen hautnah zu spüren, Hebammenkolleginnen aus der ganzen Welt kennenzulernen und sich verbunden zu fühlen im gemeinsamen Engagement in dem Wissen: Wir können die Welt bewegen hin zu einer besseren, gerechteren und gesünderen Gesellschaft. Dafür braucht es ein Bekenntnis und eine Strategie auf der jeweiligen nationalen Ebene, starke Bündnisse und Hebammen, die nicht aufhören, sich gemeinsam mit Frauen und Eltern politisch für diesen Wandel zu engagieren.

    Dr. Angelica Ensel