Schiefe Babys

  • Aus Angst vor dem Plötzlichen Kindstod legen die meisten Mütter inzwischen auch tagsüber Säuglinge fast nur noch auf den Rücken. Dadurch entwickeln viele Kinder einen asymmetrisch abgeflachten Hinterkopf (Plagiocephalus). Dessen Folge ist eine Körperasymmetrie, die ihre motorische Entwicklung beeinträchtigt. Oft steht dann eine Physiotherapie an. Eine, die manche als Geschenk bezeichnen, hat der tschechische Neurologe Dr. Václav Vojta in den 1950er Jahren entwickelt. Im Zentrum stehen das Reflexkriechen und -umdrehen, zwei angeborene Bewegungsmuster, die durch bestimmte Druckpunkte aktiviert werden. Ob Säuglinge eine Physiotherapie benötigen, zeigt unter anderem ein Test der frühkindlichen Reflexe.

    Die ersten Reflexe bilden sich schon fünf Wochen nach der Empfängnis aus. Sie trainieren den Gleichgewichtssinn. Aus noch nicht ganz erforschten Gründen kann es bereits im Mutterleib zu Blockaden kommen, bei denen eine Kopfgelenk induzierte Symmetriestörung (KiSS) entsteht, die die intrauterine Entwicklung der Reflexe empfindlich stört. Ihre Ausreifung – und damit einhergehend die Ausstattung der Nervenfasern mit einer Art Mantel – ist nämlich abhängig von der Beweglichkeit der Halswirbelsäule. In so einem Fall kann ein Kind bei der Geburt nicht auf die Reflexe zurückgreifen, die ihm das ideale Winden durch das Becken ermöglichen sollen. Die Folge sind oft geburtshilfliche Interventionen, die wiederum neue Blockaden bewirken können. Auf dem Kongress der European Workgroup Manual Medicine (EWMM) wurde kürzlich betont, dass es für Kinder nach einer auffälligen Geburt oder Sectio sinnvoll sei, ein Screening mit manualtherapeutischer Behandlung einzuführen, um einer Manifestierung der Körperasymmetrie vorzubeugen. Erste Ansätze gibt es in einzelnen Krankenhäusern.

    Bleibt ein KiSS bestehen, können die frühkindlichen Reflexe auch weiterhin nicht altersgemäß reifen und sich auflösen. Der englische Neurologe Dr. Peter Blythe hat in den 70er Jahren diese Reflexe und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung des Zentralen Nervensystems studiert und die Neuro-Physiologische Psychologie begründet. Laut Blythe hat die Persistenz der Reflexe meist negative Folgen für das Kind bezüglich Bewegung, Wahrnehmung, Lernen und auf das Verhalten in sozialen Beziehungen und unter Stress.

    Die Hamburger Kinderärztin Editha Halfmann meint, spätestens bei Problemen wie Trinkstörungen, heftigem Schreien oder nicht Kriechen können sollten die Reflexe untersucht werden, um ein KiSS manualtherapeutisch zu behandeln. Durch ein gezieltes Auslösen können Reflexe dann nachträglich integriert werden. Auch hier scheint Vojta die Methode der Wahl zu sein. „Das Wissen über die Zusammenhänge ist bei Hebammen genau in den richtigen Händen“, so Halfmann.