Sich nicht unter Wert verkaufen!

  • Frauen, die sie wegen akuter Stillprobleme anrufen, bietet eine Kollegin aus Österreich ihre Hilfe für 150 Euro pro Einsatz an. Sie verspricht, innerhalb von drei Stunden vor Ort zu sein und das Problem mit der Wöchnerin zu lösen. Die selbstbewusste Kollegin weiß um den Wert ihrer Arbeit und hält ihren Hebammenlohn für angemessen: Sie hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung und teure Zusatzausbildungen absolviert, beispielsweise zur Still- und Laktationsberaterin (IBCLC). Schon am Telefon weist sie die Anruferin darauf hin, dass es auch andere Stellen gibt, wo sie Hilfe bekommen könnte. Oft haben die Frauen eine Odyssee hinter sich und bereits verschiedene Kolleginnen konsultiert, die ihnen nicht helfen konnten. Sie sind am Ende froh, wenn sie ihr Kind problemlos stillen und eine ungestörte Bindung mit ihm aufbauen können. Ihre Investition in diese Hebammenhilfe hat sich für sie gelohnt.

    Was für manche Kolleginnen auf den ersten Blick wie „Abzocke“ aussieht, ist ein realistisches Geschäftsmodell im Spektrum der originären Hebammenarbeit. Statt auf lukrativere hebammenferne Dienstleistungen oder den Handel mit Schwangerschafts- und Babyprodukten auszuweichen, bleibt diese Hebammen beim Kern ihrer Berufung. Dabei ist sie nicht bereit, ständig einen wesentlichen Teil der Berufstätigkeit als „Ehrenamt“ zu erbringen – draufzulegen, das Alter auszublenden, mit Knappheit zurechtzukommen oder geringe Gebührensätze mit Mangel an freier Zeit, mit Überarbeitung und Erschöpfung wettzumachen.

    Hierzulande wird die Diskussion um die Rufbereitschaftspauschale oft gereizt geführt. Manche Kolleginnen, die zum Ausgleich für die spartanische Gebührenordnung einen Betrag höher als üblich kalkulieren, werden beargwöhnt und ihre Honorarvorstellungen schnell als überzogen kritisiert. Dabei versuchen auch sie, ihr aufwändiges Geschäftsmodell freiberuflicher Geburtshilfe realistisch zu berechnen, so dass sie dabei nicht zu kurz kommen und sich auf ihre eigentlichen Hebammenaufgaben konzentrieren können. Die anspruchsvolle Eins-zu-eins-Betreuung mit fachlich aktuellem Knowhow, ständiger Einsatzbereitschaft, außerordentlicher Verantwortung und hohem juristischen Berufsrisiko ist nicht zum Spottpreis zu haben. Solange die gesundheitspolitischen Verhältnisse den Berufsstand in seinem Kernauftrag noch nicht nachhaltig sichern, ist Selbsthilfe angesagt. Warum sollte sich unser diffiziler sozialer Frauenberuf beim wirtschaftlichen Erlös nicht mit beispielsweise technischen Männerberufen vergleichen? Sich auf berufsferne Nebengeleise zu begeben, um zu überleben, und originäre Tätigkeiten, insbesondere die freiberufliche Geburtshilfe zu verlassen, wird auf lange Sicht den Berufsstand aushöhlen und vernichten.