Sicherheit nicht nur für die Hebamme

  • Alessandra M. Scheede: »Dokumentation kann ein maßgeblicher Faktor für die Gesundheit von Mutter und Kind sein.«

  • »Als Hebamme steht ihr immer mit einem Bein im Knast« – ein Satz, den ich während der Ausbildung nicht nur einmal zu hören bekam. Dokumentation soll die Hebamme absichern, damit sie in schwierigen Betreuungsverläufen eine Verurteilung oder andere negative Konsequenzen abwenden kann. Es ist gut und wichtig zu lernen, wie man präzise und vollständig dokumentiert, um sich mit einer lückenlosen und wasserdichten Dokumentation zu schützen.

    So eingeimpft – so angewendet. Ich hatte schon ein schlechtes Gefühl, wenn ich den Blasensprung zwei Minuten später in das Partogramm schrieb, als er geschehen war. Mein Fokus lag dabei immer auf der Angst vor Konsequenzen.

    Was im Studium leider wenig thematisiert wurde, ist, was Dokumentation eigentlich leistet – neben der Absicherung: Sie ist ein maßgeblicher Faktor für die Gesundheit, sie schützt nicht nur die Hebamme, sondern auch die Schwangeren, Gebärenden, Mütter und Kinder.

    Mit einer umfassenden und gut strukturierten Dokumentation sichern Hebammen auch die interprofessionelle Zusammenarbeit. Sie legen damit den Grundstein für eine folgerichtige Behandlung anderer Berufsgruppen, was für die Frau oder das Kind die Sicherung der Gesundheit bedeuten kann. Eine mit Hingabe geführte, detailreiche Dokumentation kann auch »einfach nur« zu verstehen helfen, was geschehen ist. Eine Frau, die einen schwierigen Geburtsverlauf erlebte, hat sicher einige Entscheidungen nicht verstanden, die schnell getroffen werden mussten und zudem medizinisches Fachwissen erforderten. Sie denkt vielleicht, es sei ihre Schuld, dass die Geburt nicht leicht war, und sie sei nicht in der Lage, »normal« zu gebären. Sie hat sich vielleicht bevormundet gefühlt. Wenn die Hebamme ihr eine schlüssige und vollständige Dokumentation zeigen kann, anhand derer sie die Geburt bespricht, kann sie die Frau aus der Verunsicherung holen. Sie kann ihr Selbstbewusstsein stärken und ihr Zuversicht für das Wochenbett und das Bonding mit ihrem Kind geben.

    Unsere eigene Absicherung ist also nur ein Grund, warum wir dokumentieren – und in den meisten Fällen nicht der wichtigste. Immer dann, wenn die Dokumentation wieder nervt, Zeit frisst oder nach einer auch für Hebammen kräftezehrenden Geburt auf uns wartet, können wir uns das vor Augen führen. Zum Glück haben wir ein Zeitalter erreicht, das uns viele händische Aufgaben erleichtert – so wird es in Zukunft auch mit der Dokumentation sein. Schlaue Systeme vereinfachen das Schreiben und Sortieren. Ein Lichtblick, um sie schon bald nicht mehr als Stressfaktor zu empfinden?