»Triple One« und Sepsis Six

  • Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Bei gesunden Schwangeren kann eine Sepsis übersehen und als schwangerschaftsassoziierte Veränderung missinterpretiert werden.«

  • Dorota Lalik starb am 24. Mai dieses Jahres an einer Sepsis. Drei Tage zuvor war sie in der 20. Schwangerschaftswoche in eine Klinik im südpolnischen Nowy Targ eingeliefert worden, weil die Fruchtblase gesprungen war. Das Verbot gegen Schwangerschaftsabbrüche ist in Polen so restriktiv, dass die Ärzt:innen selbst bei der schwer kranken Frau keinen Abbruch wagten. Es folgten große Protestaktionen. Viele Medien berichteten.

    Gab es keine Behandlung mit Antibiotika? Wurde der Schweregrad der Sepsis gar nicht erkannt? Die Vorhersage und rechtzeitige Erkennung einer intraamnialen Inflammation (IAI) anhand mütterlicher Parameter ist tatsächlich schwierig. Bei Schwangeren kann eine Sepsis übersehen und als schwangerschaftsassoziierte Veränderung missinterpretiert werden. Mitunter fehlt sogar Fieber. Die Chorioamnionitis, wie sie früher hieß, ist eigentlich eine Ex-post-Diagnose durch eine histologische Untersuchung. Deswegen wird sie nun im angelsächsischen Sprachraum histologically confirmed Chorioamnionitis (HCA) genannt. Die Gefährlichkeit einer Sepsis liegt weniger in den Erregern selbst, als in der Überreaktion des körpereigenen Abwehrsystems. Allerdings kann eine akute, klinisch erkennbare Chorioamnionitis auch »steril« auftreten, ohne dass Mikroorganismen nachgewiesen werden können. Diese Form wird vermutlich durch verschiedene »danger Signals« ausgelöst, ähnlich wie bei zellulärem Stress: Hypoxie, Trauma, Mekonium oder Allergene.

    Bei etwa 3 % der Schwangerschaften kommt es zu einem frühen vorzeitigen Blasensprung (preterm premature Rupture of the Membranes, PPROM). Da dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer microbial Invasion of the amniotic Cavity (MIAC) – bereits vorbestehend oder sekundär nach Blasensprung – zu rechnen ist, ist eine intraamniale Inflammation (IAI) signifikant wahrscheinlicher. Die neue Definition Triple I (Infection, Inflammation or both) – ausgesprochen Triple One – fokussiert auf die maternale Körpertemperatur. Die Diagnose soll gestellt werden bei gesichertem Anstieg auf ≥= 38,0 °C und fehlendem Anhalt für eine andere Fieberursache sowie zusätzlich einem dieser drei Parameter: steigende Leukozyten, purulenter Fluor oder eine mindestens zehnminütige Tachycardie beim Feten.

    Eine Sepsis gilt weltweit nach wie vor als eine der Hauptursachen für erhöhte Mütter- und Neugeborenensterblichkeit. Pro Jahr sterben weltweit etwa 260.000 Frauen an einer schwangerschaftsassoziierten Sepsis. Letztlich kann jede Infektion dazu führen. Im Vergleich zu anderen westlichen Industrienationen sind die Zahlen hierzulande relativ hoch, basieren aber bisher auf Schätzungen, was nun durch ein Register geändert wird. Einen Nationalen Sepsisplan gibt es noch nicht, nur ein Memorandum. Der Beitrag von Dr. med. Evjenia Toubekis, Oberärztin und Koordinatorin für SepWis, ein Projekt der Sepsisstiftung an der Charité, klärt in ihrem Beitrag über Frühwarnsymptome der Sepsis auf und erläutert den Modified Early Warning Score (MEWS) für Schwangere und Wöchnerinnen. Sie erläutert auch Therapiemaßnahmen, die Sepsis Six.