Wie weit sollte die reproduktive Selbstbestimmung gehen?
Die Reproduktionsmedizin hat viele Aspekte. Da ist der sehnliche Wunsch nach einem eigenen und gesunden Kind. Und da sind die Möglichkeiten der Medizin, die sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant weiterentwickelt haben. 2012 haben in Deutschland 51.000 Frauen eine IVF oder ICSI in Anspruch genommen. Etwa 12.000 Kinder werden jährlich durch assistierte Reproduktionstechnik (ART) geboren.
Wenn nach einem langen Weg ein gesundes Kind oder auch Zwillinge geboren werden, ist das ein großes Glück für die Eltern. Auf der anderen Seite steht das Leid der Frauen, wenn große Anstrengungen nicht zum ersehnten Ziel führen und gravierende körperliche und psychische Beschädigungen mit sich bringen. Hinzu kommen medizinische Aspekte wie schwierige Schwangerschaften in höherem Alter, insbesondere wenn bereits ein gesundheitliches Problem vorliegt. Oftmals geht es dabei nicht um das Wohl der Kinder, auch in den Diskussionen kommt es häufig zu kurz. Das betrifft nicht nur die höhere Rate an Frühgeburten mit all ihren Folgen, sondern auch das Recht, die eigene Abstammung zu kennen.
Eizell- und Samenspende, Selektive Embryonenreduktion, Leihmutterschaft, Social Freezing oder Embryonenadoption – die Technologien implizieren schwierige ethische Dimensionen. Zentrale soziale Konzepte wie „Elternschaft“ oder „Verwandtschaft“ verändern sich. Wie weit sollte die reproduktive Selbstbestimmung gehen? Eine Gesellschaft muss sich positionieren und gesetzliche Regelungen finden, wie die Technologien mit den Grundwerten zu vereinbaren sind. In diesem Prozess verändert sich der Umgang mit Werten. Mittlerweile denkt man auch im Deutschen Ethikrat über eine Legalisierung der Eizellspende nach, seit 2013 kann man über das Netzwerk Embryonenspende auch bei uns Embryonen adoptieren, die nach einer Kinderwunschbehandlung übrig geblieben sind.
Hebammen sind mit all diesen Aspekten konfrontiert. Sie brauchen nicht nur Fachwissen über die Möglichkeiten, Risiken und Konsequenzen der Technologien, sondern sie müssen sich auch ethisch damit auseinandersetzen und ihre eigene Haltung entwickeln. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die professionelle Begleitung der Eltern. Danben sind die Implikationen der Reproduktionstechnologien ein gesellschaftspolitisches Problem, das unser Engagement fordert. Wir können junge Frauen ermutigen, ihren Kinderwunsch nicht allzu lange aufzuschieben. Und wir können uns für eine Gesellschaft einsetzen, die es Frauen und Männern ermöglicht, ihre Kinder im besten biologischen Alter zu bekommen und die ihnen alle Möglichkeiten zur Verfügung stellt, damit ihre Kinder unter den bestmöglichen Bedingungen heranwachsen.