Korrekt und wasserdicht

Hebammen dokumentieren, um den Betreuungsverlauf nachvollziehen zu können und im Team sowie interprofessionell die beste Behandlung für die Frau und das Kind zu sichern. Doch auch rechtlich kann die Dokumentation eine Rolle spielen. Was müssen Hebammen im Sinne des Gesetzes beachten, um auf der sicheren Seite zu sein? Dr. Sebastian Almer
  • Aus rechtlicher Sicht ist die Hebamme verpflichtet, in der PatientInnenakte sämtliche für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen.

Wie jede medizinische Behandlung unterliegen sowohl Geburtshilfe als auch nachfolgende Betreuung von Mutter und Kind durch die Hebamme der Dokumentationspflicht. Dabei dient die Dokumentation in erster Linie dem Zweck, einen Verlust von Informationen zu vermeiden und dadurch eine ideale Behandlung sicherzustellen. Ein klassisches Beispiel ist der Verlauf einer Klinikgeburt, zumal diese nicht selten über einige Stunden und bei wechselnden Schichten von mehreren Hebammen betreut wird. Ohne eine Dokumentation bestünde die Gefahr, dass wichtige Informationen – insbesondere die bereits erhobenen Befunde – in Vergessenheit geraten und damit verloren gehen. Die korrekte Beurteilung des Geburtsverlaufs wäre dann nicht mehr möglich. Die rechtlichen Anforderungen an die Dokumentation sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten.

 

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 630 f Dokumentation der Behandlung

 

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

 

Nicht dokumentiert heißt nicht geschehen

 

Zunächst dient die Dokumentation also nicht der Beweissicherung in einer möglichen späteren rechtlichen Auseinandersetzung, sondern soll die beste Betreuung von Mutter und Kind sichern. In einem möglichen Gerichtsverfahren sieht die Wirklichkeit jedoch anders aus: Vor allem in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung über mögliche Behandlungsfehler kommt der Dokumentation der Geburt eine große Bedeutung zu. So heißt es in § 630 h Abs. 3 BGB: »Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene Maßnahme und die Ergebnisse […] nicht in der Patientenakte aufgezeichnet […], wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat«. Mit anderen Worten: Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht gemacht. Aus einer solchen Vermutung können sich vielfach Vorwürfe der Fehlbehandlung ergeben, hier zwei Beispiele: Wenn die Gabe einer Notfalltokolyse bei einem Nabelschnurvorfall nicht dokumentiert ist, gilt diese als nicht erfolgt. Gleiches gilt für die ergriffenen Maßnahmen, wie beispielsweise den Dammschnitt, das Manöver nach McRoberts oder Woods für die Lösung einer Schulterdystokie. Auch hier begründet eine fehlende oder unvollständige Dokumentation die Vermutung, dass die Maßnahmen schlicht nicht durchgeführt wurden. So kann eine zivilrechtliche Auseinandersetzung allein deshalb verloren gehen, weil die Hebamme ihr tatsächliches Vorgehen bei der Geburt mangels Dokumentation nicht nachweisen kann. Eine Niederlage vor Gericht aus diesem Grund birgt das besondere Ärgernis, dass sich die Hebamme zwar möglicherweise eine unzureichende Dokumentation vorwerfen lassen muss, aber keine fachlichen Fehler in der eigentlichen Geburtshilfe. Sie hat alles richtig gemacht, kann aber den Nachweis hierfür nicht erbringen. Umgekehrt ist eine ordnungsgemäße Dokumentation in einer rechtlichen Auseinandersetzung aber auch ein wirksamer Schutz: In einem Gerichtsverfahren ist es für die PatientInnenseite schwierig, gegen den Inhalt einer Dokumentation zu argumentieren. Sind in den genannten Beispielsfällen die Gabe der Notfalltokolyse beziehungsweise die entsprechenden Manöver zur Lösung der Schulterdystokie in der Dokumentation niedergelegt, wird das Gericht der Dokumentation glauben, auch wenn die PatientInnen sie bestreiten.

 

Das sollte dokumentiert werden

 

Der § 630 f Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beschreibt den Umfang der Dokumentation aus rechtlicher Sicht. Nach dieser Vorschrift ist die Hebamme verpflichtet, in der PatientInnenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen. Besonders die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen spielen dabei eine Rolle. Mit Blick auf den Verlauf und Stand der Geburt sollten beispielsweise sämtliche Befunde, Anordnungen und Maßnahmen dokumentiert werden, wie die Verständigung des/der ÄrztIn oder OberärztIn, die Anwesenheit der hinzugezogenen Personen, die Gabe von Medikamenten und Infusionen und die Lagerung beziehungsweise Haltung der Gebärenden – jeweils mit Angabe der Uhrzeit. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht (AG MedR) haben dazu den Leitfaden »Empfehlungen zur Dokumentation der Geburt – Das Partogramm« publiziert. Die Dokumentation des Wochenbettbesuchs sollte hinsichtlich des Neugeborenen insbesondere Angaben zu Ernährung, Gewicht, Temperatur, Nabel, Stuhl/Urin, Haut und zu einem möglichen Ikterus enthalten.

Zwar ist es bei einer Geburt aus rechtlicher Sicht unwichtig, welche Person aus dem geburtshilflichen Team dokumentiert. So ist es in manchen Kreißsälen üblich, dass eine Hebamme zum Teil auch die Dokumentation ärztlicher Maßnahmen übernimmt. Im Regelfall sollte aber verlässlich die konkret an der Frau oder dem Kind handelnde Person – egal ob Hebamme, Ärztin oder Arzt – dokumentieren, um Verständnis- und/oder Übertragungsfehler zu vermeiden. Generell ist darauf zu achten, Widersprüche zwischen den Dokumentationen von Hebamme und Ärztin oder Arzt zu vermeiden. Das bedeutet nicht, dass wahrheitswidrige Änderungen an der Dokumentation vorgenommen werden dürfen, nur um zwischen den Berufsgruppen Einigkeit herzustellen. Typischerweise bereiten hier widersprüchliche Uhrzeiten in der Dokumentation Probleme, etwa weil diese von unterschiedlichen Uhren abgelesen oder einfach nur geschätzt wurden. Hier wäre es hilfreich, wenn sich das geburtshilfliche Team auf eine bestimmte Uhr einigen könnte, die für die Dokumentation maßgeblich sein soll. Immer wieder diskutiert wird im Streitfall auch über den Inhalt von Telefongesprächen zwischen Hebamme und Arzt oder Ärztin. Um hier unterschiedlichen Darstellungen vorzubeugen, empfiehlt es sich dringend, nicht nur zu dokumentieren, wen die Hebamme zu welcher Uhrzeit anrief, sondern auch, welche Befunde sie dieser Person mitteilte und welche Anordnungen diese daraufhin traf.

 

Nachtragen, ergänzen, ändern?

 

Nach § 630 f Abs. 1 BGB muss die Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung erstellt werden. Das bedeutet, dass die Hebamme die Dokumentation noch zu einem Zeitpunkt erledigen soll, zu dem sie mit der Frau oder dem Kind befasst oder in der Klinik noch im Schichtdienst ist. Mit Übergabe der Patientin an die folgende Hebamme muss die Dokumentation des bisherigen Geburtsverlaufs erledigt sein, damit die neue Betreuende über die geburtshilfliche Situation umfänglich Bescheid weiß. In der Wochenbettbetreuung sollte die Dokumentation noch vor Ort erfolgen, damit die erhobenen Befunde nicht vergessen werden.

Selbstverständlich ist es dennoch möglich, die Dokumentation zu einem späteren Zeitpunkt zu berichtigen, zu ändern oder zu ergänzen. Hier gilt das sogenannte Radierverbot: Berichtigungen und Änderungen in der Patientenakte sind laut Gesetz nur zulässig, wenn erstens der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und zweitens deutlich wird, zu welchem Zeitpunkt sie vorgenommen wurden. Der Gesetzgeber besteht hier auf eine möglichst fälschungssichere Dokumentation, um dem hohen Beweiswert der Dokumentation Rechnung zu tragen. Für die EDV bedeutet dies, dass die eingesetzte Software eine nachträgliche Dokumentation erkennbar macht und die ursprüngliche Dokumentation nicht gelöscht werden kann. Dies ist bei den im Krankenhaus eingesetzten Informationssystemen in der Regel gewährleistet. Für Hebammen-Software außerhalb des Krankenhauses müsste es individuell geprüft werden.

 

Sicherheitskopien anfertigen

 

Die Dokumentation ist nach § 630 f Abs. 3 Satz 1 BGB für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren und vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Im Hinblick auf die Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus Behandlungsfehlern kann eine längere Aufbewahrungsfrist sinnvoll sein. Allerdings wird der Hebamme beweisrechtlich kein Nachteil erwachsen können, wenn sie die Dokumentation nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist vernichtet.

Wenn die Hebamme das Gefühl hat, dass der Zwischenfall weitere Kreise ziehen könnte, sollte sie die Dokumentation sicherheitshalber für sich kopieren. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Originaldokumentation im weiteren Verlauf einer Auseinandersetzung – beispielsweise durch eine Beschlagnahme – dem Zugriff der Hebamme entzogen werden kann.

 

Keine Originale herausgeben

 

Die Hebamme muss der Patientin – oder auch dem Kind, gesetzlich vertreten von den Sorgeberechtigten – gemäß § 630 g Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich Einsicht in die betreffende Akte gewähren, wenn dies verlangt wird. Die Einsichtnahme erfolgt grundsätzlich an dem Ort, an dem sich die Unterlagen oder Dokumente befinden. Um dem zu entgehen, können die Unterlagen an die Betroffenen übermittelt werden. Dabei gibt es zwei wichtige Punkte zu beachten: Erstens sollte den PatientInnen die Dokumentation unter keinen Umständen im Original übermittelt werden, sondern stets als gut lesbare Kopie. Dies gilt insbesondere für CTG-Streifen, die sonst leicht verloren gehen könnten. Zweitens ist es nicht mehr zulässig, sich von PatientInnen die Kopierkosten erstatten lassen, obwohl dies in § 630 g Abs. 2 Satz 2 BGB so vorgesehen ist. Grenzen findet das Einsichtsrecht dort, wo einer Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Relevant sind diese Grenzen etwa bei psychiatrischen Behandlungen, bei denen die Einsicht in die Akte den Betroffenen oder die Betroffene in eine Krisensituation bringen kann. Solche Fälle sind in der Behandlung durch eine Hebamme jedoch selten.

 

Gedächtnisprotokolle persönlich aufbewahren

 

Das Gedächtnisprotokoll ist ausdrücklich kein Bestandteil der Dokumentation einer Hebamme. Es kann sinnvoll sein, um nach einem Zwischenfall bei der Geburt eine persönliche Gedächtnisstütze zur Hand zu haben. Anders als in der eigentlichen Dokumentation können sich in einem Gedächtnisprotokoll auch persönliche Gedanken und Meinungen zum Sachverhalt wiederfinden. Dementsprechend sollte ein Gedächtnisprotokoll auch nicht der eigentlichen Dokumentation beigelegt werden, weil diese möglicherweise in die Hände von Polizei, Staatsanwaltschaft und/oder gegnerischen RechtsanwältInnen gelangen wird. Es sollte wie ein persönliches Tagebuch behandelt werden.

Rubrik: Recht | DHZ 04/2020

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