Leseprobe: DHZ 3/2021

Autonomie im Team

Freiberufliche Beleghebammen können sich in verschiedenen Rechtsformen und Arbeitssystemen organisieren. Sie arbeiten unabhängig und eigenverantwortlich, können etwas mehr verdienen als Angestellte und ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen. Klare Zuständigkeiten in der Klinik tragen zu einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen bei. Marina Wendt,

Beleghebammen arbeiten freiberuflich im Rahmen ihres Belegvertrages mit dem Krankenhaus, sind also dort nicht angestellt. Je nach Vereinbarung können sie als Dienst-Beleghebammen in einem Dienst- oder Schichtsystem tätig sein oder die ihr vorher bekannten Frauen als Begleit-Beleghebammen zur Geburt ins Krankenhaus begleiten (Anlage 1.1 Hebammen-Vergütungsvereinbarung 2018).

Eine Unterscheidung ist notwendig, weil sich hieraus verschiedene Rechte und Pflichten gegenüber den betreuten Frauen und den Kooperationspartnern wie Kolleginnen und Krankenhaus ergeben. Zudem sind unterschiedliche Vergütungen vorgesehen.

Darüber hinaus sind alle möglichen Kombinationen denkbar, etwa eine angestellte Tätigkeit und einzelne Begleit-Beleggeburten, verschiedene Belegverträge in verschiedenen Häusern, mit und ohne Vorsorgen und Wochenbettbetreuung, Kursen oder Hausgeburten, gegebenenfalls mit Begleitung in die Klinik bei Komplikationen und vieles mehr.

Das für das Bundesministerium für Gesundheit Berlin erstellte IGES-Gutachten über die stationäre Hebammenversorgung kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Beleghebammen in kleineren Krankenhäusern höher ist: Während in 62 % der Krankenhäuser mit bis zu 299 Betten Beleghebammen tätig waren, lag deren Anteil bei den Krankenhäusern ab 600 Betten nur bei 30 % (Albrecht et al. 2019).

Laut Statistischem Bundesamt waren 2017 von ungefähr 24.000 Hebammen in Deutschland insgesamt 1.848 Beleghebammen, das sind 16 %. Der Anteil der Belegkräfte in Bayern beträgt rund 51 %, Tendenz steigend. Über die Gründe des hohen Anteils in Bayern lässt sich nur spekulieren. Fest steht: Bayern unterstützt seine freiberuflichen Hebammen mit verschiedenen Förderprogrammen wie einem im Mai 2018 beschlossenen Hebammenbonus in Höhe von jährlich 1000 Euro als Anerkennung und Unterstützung zur Sicherstellung der Geburtshilfe (Bayerisches Landesamt für Pflege 2018). Seit September 2019 können Hebammen in Bayern eine Niederlassungsprämie in Höhe von einmalig 5.000 Euro beantragen, zur Erleichterung des Einstiegs in die freiberufliche Tätigkeit (Bayerisches Landesamt für Pflege 2019).

Insbesondere kleine geburtshilfliche Kliniken können etwa durch die Einsparung der Personalkosten für Hebammen ihre Geburtshilfe erhalten. Aber auch für größere geburtshilfliche Abteilungen kann das Belegsystem interessant sein.

Beleghebammen(-teams) können verschiedene Rechtsformen wählen. Es ist möglich, dass jede Hebamme als Einzelunternehmerin fungiert oder mit ihren Kolleginnen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder auch eine Partnerschaftsgesellschaft (PartG) gründet. Zu bedenken gibt es hier unter anderem die Haftung untereinander. Aufsichtsbehörde der freiberuflichen Hebamme ist das jeweilige Gesundheitsamt.

 

Vielseitige Arbeitsbereiche

 

Neben der Geburtshilfe im Kreißsaal können Beleghebammen weitere Arbeitsbereiche übernehmen. In der Schwangerenbetreuung reicht dies von Geburtsvorstellungen, Vorsorgen, Hilfe bei Beschwerden oder Wehen, Kontrollen bei Terminüberschreitungen bis hin zu Geburtsvorbereitung und Kursen. Ein wertvoller Baustein in der Versorgung der Schwangeren kann die Betreuung von stationär liegenden Frauen bei Frühgeburtsbestrebungen oder infauster Prognose sein, die nach ärztlicher Anordnung von Geburtsvorbereitung als Einzelunterweisung profitieren können.

Das klinische Wochenbett kann im Rahmen von bis zu zwei Wochenbettvisiten pro Tag abgedeckt und gegebenenfalls durch eine Wochenbettambulanz für bereits entlassene Frauen ergänzt werden, die zum Beispiel aufgrund des Hebammenmangels keine aufsuchende Wochenbettbetreuung in Anspruch nehmen können.

Profitieren können auch Frauen, deren Neugeborene aufgrund einer Frühgeburt oder anderen behandlungsbedürftigen Zuständen länger stationär liegen müssen, oder die in der Kinderklinik als Begleitperson aufgenommen sind und keine Hebammenhilfe zu Hause erhalten können.

 

Abrechnung

 

Beleghebammen rechnen ihre Leistungen mit den Kostenträgern ab, zum Beispiel Krankenkassen oder dem Amt für Integration, bei vertraulichen Geburten mit dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), oder den Frauen direkt (bei privater Krankenversicherung).

Grundlage für die Abrechnung der erbrachten Hebammenleistungen bei gesetzlich versicherten Frauen ist der Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V. Dieser wurde und wird auf Bundesebene zwischen den Hebammenverbänden und dem GKV-Spitzenverband regelmäßig verhandelt, angepasst und ergänzt (GKV Hebammenhilfevertrag 2019).

Wenn die Frau privat krankenversichert ist, ist die Grundlage für die Abrechnung die Private Gebührenordnung (Privat-GebO), die sich in den meisten Bundesländern an der aktuellen Vergütungsvereinbarung mit dem GKV anlehnt. Diese erlaubt auch, je nach Bundesland, einen Steigerungsfaktor der Gebühren bis zum 2,2-Fachen. Das Vergütungsverzeichnis unterscheidet zwischen »ambulanter hebammenhilflicher Leistung«, »Leistung als Dienst-Beleghebamme« und »Leistung als Begleit-Beleghebamme« mit teils unterschiedlichen Vergütungshöhen. Zum Beispiel beträgt die Vergütung für die Hilfe bei einer außerklinischen Geburt in einer von Hebammen geleiteten Einrichtung als ambulante hebammenhilfliche Leistung 526,38 Euro, die Hilfe bei der Geburt eines Kindes in einem Krankenhaus als Dienst-Beleghebamme 165,60 Euro und die Hilfe bei der Geburt eines Kindes in einem Krankenhaus als Begleit-Beleghebamme 195,60 Euro. In dem Fall müssen die Frauen privat die Rufbereitschaft zahlen (viele Krankenkassen erstatten rund 250 €) (siehe Kasten: Nachgefragt bei Marina Wendt).

Einige Gebührenpositionen sind als Pauschale festgelegt. So umfasst die Hilfe bei der Geburt die Dauer von einer Stunde vor der Geburt des Kindes bis zu drei Stunden danach einschließlich aller damit verbundenen Leistungen und Dokumentationen.

Anders ist die »Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden oder bei Wehen« gestaltet. Hier ist die Gebühr für jede angefangene Einheit von 30 Minuten abrechnungsfähig. Weitere Beispiele für Gebührenpositionen für Beleghebammen sind Beratung der Schwangeren, Hilfe bei einer Fehlgeburt, Entnahme von Körpermaterial, Versorgung einer Naht, Erstuntersuchung des Kindes (U1), Wochenbettbetreuung in einem Krankenhaus und so weiter (Anlage 1.3 Vergütungsverzeichnis 2019). In diesen Bereichen ist die Vergütung bei allen freiberuflichen Hebammen identisch.

Zu beachten ist allerdings, dass die Dienst-Beleghebamme Leistungen bei höchstens einer weiteren Versicherten zur gleichen Zeit erbringen soll (vgl. § 4 (4) Anlage 1.1 Hebammen-Vergütungsvereinbarung 2018). »Überschneiden sich die Anfangs- und Endzeiten für an zwei oder mehr Versicherten erbrachte Leistungen, können höchstens die Leistungen für zwei Versicherte abgerechnet werden. Abweichend von Satz 4 können für eine weitere Versicherte bis zum Eintreffen einer weiteren Hebamme (z.B. aus dem Bereitschaftsdienst) unaufschiebbare Leistungen längstens für eine Stunde […] mit besonderer Begründung (Rufbereitschaftshebamme steht nicht unmittelbar zur Verfügung und ein weiteres Zuwarten war nicht möglich bzw. es bestand ein dringender Handlungsbedarf) abgerechnet werden«, so die Hebammenvergütungsvereinbarung (Anlage 1.1 Vergütungsvereinbarung 2018).

Diese Abrechnungsbeschränkung sehen viele Beleghebammen kritisch. Sie verkompliziert den Arbeitsalltag immens. Wenn tatsächlich eine Verbesserung der Betreuung der Schwangeren angestrebt war, ist es nur schwer verständlich, warum diese Eins-zu-zwei-Betreuung ausschließlich für Dienst-Beleghebammen, nicht aber für angestellte Hebammen gilt. Bleibt zu hoffen, dass die neuerlichen Verhandlungen zur Eins-zu-eins-Betreuung nicht lediglich über eine weitere Abrechnungsbeschränkung abgebildet werden ohne konkretes Konzept zur Umsetzung in der Realität in allen deutschen Kreißsälen, unabhängig vom System.

Je nach Ausgestaltung der Kooperation unter den Hebammen kann die Vergütung verteilt werden. Hier kann jede Hebamme selbst ihre erbrachten Leistungen abrechnen und sich diese auszahlen lassen. Anders ist die Verteilung mit Hilfe eines sogenannten Pools: Alle vom Team erwirtschafteten Einnahmen laufen auf ein Konto zusammen und werden nach einem vereinbarten Schlüssel ausbezahlt, etwa nach geleisteten Stunden oder Diensten. Hier kann auch die Vergütung von Sonderaufgaben abgebildet werden, wie die Dienstplanerstellung oder das Sprecherinnen-Amt.

Die Leistungsabrechnung können Hebammenteams selbst bewerkstelligen oder von einer Abrechnungszentrale erstellen lassen. Dabei reicht der Service von der Vereinbarung von Pool- und Partnerschaftsverwaltung über Rechnungserstellung, Überwachung des Zahlungseingangs bis hin zum Inkasso, Klärung von Rechnungskürzungen und optionalen Vorauszahlungsmöglichkeiten gegen Gebühr.

 

Arbeitszeitmodelle

 

Das Arbeitszeitgesetz gilt ausdrücklich nur für Angestellte, was einen großen Gestaltungsspielraum für Arbeitszeitmodelle eröffnet. Denn wer freiberuflich arbeitet, kann tatsächlich frei entscheiden, wie lange er oder sie täglich beziehungsweise wöchentlich arbeitet.

Begrenzt wird diese Freiheit lediglich durch die Vorschriften der Unfallversicherungsträger. Diese schreiben ihren Versicherten vor, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen treffen müssen. Demnach müssen sich auch Freiberuflerinnen vor Übermüdung oder Überarbeitung schützen.

Hierzu muss zunächst definiert werden, wie viele Stunden oder Dienste eine Vollzeitstelle abbilden. Ausgehend von dieser Vereinbarung können verschiedene Schichtmodelle gestaltet werden, etwa Zwei-Schicht-Modell mit je Zwölf-Stunden-Diensten oder Drei-Schicht-Modell mit je Acht-Stunden-Diensten. Zusätzlich kann je nach Bedarf ein oder mehrere Bereitschaftsdienste implementiert werden.

Weiter können die Hebammen über einen Sectio-Dienst oder einen Dienst, der sich um die Geburtsvorstellungen kümmert, nachdenken. So könnten sie durch Zwischendienste auch Kolleginnen gerecht werden, die zum Beispiel temporär keine Nachtdienste leisten können oder an Kinderbetreuungszeiten gebunden sind, was Kolleginnen im Job halten oder auch zurückgewinnen kann.

Denkbar ist auch die Aufteilung der Arbeitsbereiche in verschiedene Teams mit eigenen Dienstzeiten, zum Beispiel Kreißsaal-Team, Stationshebammen-Team und Kurs-Team.

Je nach Größe und Vorliebe der Teams kann der Dienstplan von einzelnen Hebammen oder in Besprechungen gemeinsam erstellt werden. Auch das Auslegen von Wunschlisten oder festen Frei-Tagen hat sich in Häusern bewährt.

Urlaubs- und Krankheitsvertretungen müssen Belegteams ebenfalls selbst regeln. Möglich ist hier die Vereinbarung eines Krankheitsvertretungsdienstes oder eine verbindliche Regelung, wer wann für wen einspringt. Anders als im Angestelltenverhältnis kann hier die Verantwortung nicht einfach an das Haus abgegeben werden. In der Regel hat sich das Hebammenteam mit dem Belegvertrag verpflichtet, die Dienste zu besetzen.

Durch die Selbstorganisation der Dienste ist eine individuelle Einsatzplanung möglich. In bekannten Spitzenzeiten, zum Beispiel Frühdienst mit Sectiones und Ambulanz, können von vornherein mehr Hebammen eingesetzt werden. Da es einfach schwer planbar ist, wie viele Frauen zu welcher Zeit Hebammenbetreuung wünschen, kann mit verschiedenen Bereitschaftsdiensten gearbeitet werden, auch mit verschiedenen Anfahrtszeiten, was den Schwangeren und Gebärenden aufgrund der Reaktionsfähigkeit auf den Betreuungsbedarf unmittelbar zugutekommt.

Mit dem Krankenhaus müssen die Hebammen Absprachen über Bereitschaftspauschale, Anfahrtszeiten (beispielsweise 20/60/90 Minuten), Bereitschaftsunterkunft (für Kolleginnen, die die Anfahrtszeit sonst nicht einhalten können) und mehr treffen.

 

Qualitätsmanagement

 

Zum Nachweis der Qualität der Hebammenarbeit ist ein Qualitätsmanagement (QM) sinnvoll. Eine elegante Möglichkeit ist der Anschluss an und die Ergänzung eines bestehenden QMs des jeweiligen Krankenhauses, in dem die Beleghebamme tätig ist.

Die Vorgabe des GKV-Spitzenverbandes lautet: »Hebammen sind im Vertrag zur Hebammenhilfe nach § 134a SGB V (Anlage 3) aufgefordert, in drei Bereichen ihrer Leistungserbringung die Qualität ihrer Arbeit zu dokumentieren: in der Arbeitsstruktur, den Arbeitsprozessen und bei den Arbeitsergebnissen. Ziele des Qualitätsmanagements sind die Überprüfbarkeit der Qualität und die kontinuierliche Verbesserung der eigenen Arbeit.« (siehe Link: GKV)

 

Eigene Absicherung und Sozialabgaben

 

Im Rahmen der Beleghebammentätigkeit sind zunächst sicher höhere Einnahmen zu erzielen als im Angestelltenverhältnis. Zu bedenken ist jedoch, dass Beleghebammen sämtliche gesetzliche und freiwillige Absicherungen selbst erwirtschaften und abführen müssen. Außerdem brauchen sie Rücklagen für Krankheit und Urlaub. Die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit kann nicht an einzelnen Diensten oder Dienstwochen festgemacht werden, sondern ist nur in der Jahresgesamtschau möglich. Freiberufliche Hebammen sind gesetzlich verpflichtet, sich gegen Schadenersatzansprüche mittels einer Berufshaftpflichtversicherung abzusichern. Der Jahresbetrag beläuft sich aktuell in der Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) auf 9.097,50 Euro (Freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe ohne Vorschaden). Über den Verband für Beleghebammen e. V. (VdB) ist es auch möglich, eine Einzelversicherung abzuschließen. Die Jahresprämie für die Einzelversicherung beläuft sich auf 11.132,50 Euro (Verband der Beleghebammen e.V. 2020)

Nach § 134a Abs. 1b SGB V können geburtshilflich tätige Hebammen rückwirkend zweimal jährlich den Sicherstellungszuschlag als Ausgleich der gestiegenen Haftpflichtkosten beim GKV-Spitzenverband beantragen. In den Fällen wird bis zu 6.873,89 Euro (Gruppenhaftpflicht DHV) beziehungsweise 8.740,93 Euro (Einzelversicherung VdB) durch den GKV-Spitzenverband erstattet. Somit beträgt der Eigenanteil 2.223,61 Euro bei der DHV-Gruppenhaftpflicht beziehungsweise 2.391,57 Euro bei der VdB Einzelversicherung. Beim Verband der Beleghebammen gibt es keine Gruppenhaftpflicht, aber mit steigender Anzahl an Hebammen, die die Einzelversicherung nutzen, würden die Kosten dafür sinken.

Die Rückzahlungen erhalten alle Hebammen, die pro Quartal eine geburtshilfliche Leistung abgerechnet und ausbezahlt bekommen haben, unabhängig davon, in welchen Verband sie sind. Diese Regelung bleibt so lange bestehen, bis zwischen den Verbänden und dem GKV eine andere Regelung getroffen wird.

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Auszahlung unter Vorbehalt erfolgt, da Klagen des DHV und des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD) vor dem Sozialgericht Berlin gegen den Schiedsspruch anhängig sind. Letzterer richtet sich unter anderem gegen die Voraussetzungen und die Modalitäten zum Sicherstellungszuschlag. Konkret bedeutet dies, dass – falls die Klagen erfolgreich sind – eine Rückzahlung der bereits ausbezahlten Sicherstellungszuschläge gefordert werden kann. Das Versicherungsproblem der Hebammen ist somit final nicht gelöst.

Gedacht war der Sicherstellungszuschlag nicht für alle geburtshilflich tätigen Hebammen, sondern für diejenigen, die nur wenige Geburten betreuen und die Versicherung nur schwer erwirtschaften können. Zudem seien die Vorgaben zur Beantragung unvollständig und entsprächen in weiten Teilen nicht der Abrechnungspraxis der Hebammen (DHV 2015, siehe Link).

Wörtlich steht auf jedem Bescheid: »Gegen den Beschluss der Schiedsstelle nach § 134 a Abs. 4 SGB V vom 24./25.9.2015, mit dem die Schiedsstelle unter anderem die näheren Einzelheiten zum Ausgleich der Haftpflichtkostensteigerung nach § 134 a Abs. 1 b SGB V festgesetzt hat, sind Klagen vor dem Sozialgericht Berlin anhängig. Die Klage des Deutschen Hebammenverbandes e. V. (AZ: S 211 KR 4186/15) richtet sich gegen den Schiedsspruch insgesamt und damit auch gegen die Regelungen zum Ausgleich der Haftpflichtkostensteigerung.

Der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) e.V. hat ebenfalls Klage erhoben (AZ: S 73 KR 4225/15). Diese Klage richtet sich nur gegen die sogenannten Ausschlusskriterien für Geburten im häuslichen Umfeld. Vor dem Hintergrund der anhängigen Gerichtsverfahren ist der vorliegende Bescheid vorläufig und ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs.« Neben der gesetzlichen Unfallversicherungs- und Krankenversicherungspflicht, bei der die freiberufliche Hebamme zwischen der privaten oder freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung wählen kann, ist sie auch rentenversicherungspflichtig, was eine Besonderheit bei Selbstständigen darstellt (Deutsche Rentenversicherung 2021, siehe Link). In den ersten drei Jahren der Freiberuflichkeit kann zur Entlastung der hälftige Regelbeitrag in Höhe von 289,70 € beantragt werden. Ab dem vierten Jahr der Freiberuflichkeit ist der volle Regelbeitrag von 83,70 € bis 579,39 €, je nach Einkommen, zu entrichten. Eine freiwillige höhere Einzahlung ist bis zu einem monatlichen Betrag in Höhe von 1.246,20 € möglich (Deutsche Rentenversicherung 2021, siehe Link).

Originäre Hebammenleistungen sind als Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerbefreit (Bundesamt für Justiz 2012), jedoch unterliegen Hebammen der Einkommensteuerpflicht. Je nach persönlichem Steuersatz legt das Finanzamt auf Grundlage des jeweils letzten Kalenderjahres die vierteljährlich zu entrichtenden Einkommensteuervorauszahlungen fest. Darüber hinaus sind weitere freiwillige Absicherungen möglich, um sich ein nach den eigenen Bedürfnissen passendes Sicherheitsnetz zu konstruieren, wie eine private Zusatzrente, Berufs-, Arbeitsunfähigkeits- oder auch freiwillige Arbeitslosenversicherung bis hin zum Krankentagegeld.

Einen guten Überblick gibt hier der Deutsche Hebammenverband in seiner Broschüre »Grundlagen zum freiberuflichen Arbeiten«, die sich auf der Internetseite des DHV im Mitgliederbereich findet.

 

Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen

 

Das Beleghebammenteam ist eine eigene Organisationseinheit, die als Kooperationspartner mit dem Krankenhaus und anderen Berufsgruppen fungiert. Somit unterscheiden sich auch die Weisungsrechte. Alles, was außerhalb der originären Hebammentätigkeit, nämlich »die selbstständige und umfassende Beratung, Betreuung und Beobachtung von Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbetts und während der Stillzeit, die selbstständige Leitung von physiologischen Geburten sowie die Untersuchung, Pflege und Überwachung von Neugeborenen und Säuglingen« (§ 1 Hebammengesetz/HebG) und der damit verbundenen eigenen Dokumentation von Hebammen getätigt werden soll, muss kooperativ verhandelt werden (Bundesamt für Justiz 2019). Hierzu gehören auch Verlegungen in und aus dem Kreißsaal, Reinigungsarbeiten, Eingaben in Verwaltungsprogramme, Assistenztätigkeiten für Ärztinnen und Ärzte und weiteres. Eine klare Abgrenzung von der Einbindung in die Arbeitsorganisation des Krankenhauses ist schon aufgrund einer sonst möglicherweise unterstellbaren Scheinselbstständigkeit wichtig. Als Grundlage hierzu kann die Leistungsbeschreibung zum Vertrag über Hebammenhilfe nach § 134a SGB V dienen (www.gkv-spitzenverband.de Startseite - Krankenversicherung - Ambulante Leistungen - Hebammen und Geburtshäuser - Hebammenhilfe-Vertrag). Was darüber hinaus an hebammenfremden Tätigkeiten geleistet werden soll, kann in interdisziplinären Gremien in Verbindung mit der Krankenhausverwaltung kooperativ verhandelt werden.

Diese klare Haltung der Beleghebammen zur Autonomie kann wesentlich zur Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung des unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsbildes der Hebamme beitragen, weg von der durch Organisationsstrukturen konstruierten Arzthilfskraft, wieder hin zur eigenverantwortlichen und in der Physiologie autonomen Hebamme, die selbstverständlich, wenn Pathologien auftreten, Assistentin der Ärztin oder des Arztes wird.

Idealerweise arbeiten alle Berufsgruppen auf Augenhöhe zusammen und kennen und fördern die gegenseitigen Kompetenzen. Flache Hierarchien bei gleichzeitig klaren Zuständigkeiten können wesentlich zu einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen beitragen. Das kommt auch den Frauen zugute.

Rubrik: Beruf & Praxis | DHZ 3/2021

Nachgefragt

Unterschiede in der Vergütung

 

Birgit Heimbach: Wodurch ergeben sich die Unterschiede in der Vergütung der geburtshilflichen Leistungen für die unterschiedlichen Arbeitsmodelle von Hebammen?

Marina Wendt: Die Vergütung ist bei Leistungen in der ambulanten hebammen­hilflichen Leistung (Hausgeburt oder Geburtshausgeburt) beziehungsweise Begleitbeleggeburt höher, da diese Positionen als Eins-zu-eins-Leistung gestaltet sind und keine weitere Leistung parallel abgerechnet werden kann.

 

Birgit Heimbach: Ist das sinnvoll?

Marina Wendt: Ja, allerdings ist die Begleit-Beleggeburt verhältnismäßig niedrig vergütet. Vermutlich geht man hier davon aus, dass die Hebamme (wie auch bei Hausgeburten oder Geburtshaus-Geburten) eine Rufbereit­schaftspauschale vereinbart, um ihre Dauerrufbereitschaft drei Wochen vor dem ET und zwei Wochen danach finanziell zu kompensieren.

 

Birgit Heimbach: Danke, Frau Wendt!

 

 

»Wir präferieren die Einzelversicherung«

 

Birgit Heimbach: Nachdem sich die VertragspartnerInnen bei den regelmäßigen Verhandlungen über die Honorare und Versorgungsqualität von freiberuflichen Hebammen nicht einigen konnten, wurde die Schiedsstelle angerufen. Als Sie am 5. September 2017 vom Ergebnis des Schiedsantrages der Hebammenverbände und des GKV-Spitzenverbandes hörten, waren Sie sehr enttäuscht und organisierten ein Beleghebammentreffen in Ihrer Frauenklinik vom Roten Kreuz in München.

Silvia Kiel Ja, ich lud alle Beleghebammen und Leitungen von Beleghäusern in unsere Klinik ein. Zahlreiche Hebammen und Beleghäuser sowohl aus München als auch aus ganz Bayern, wo es viele große Häuser mit großen Dienst-Beleghebammenteams gibt, folgten dieser Einladung. Bei diesem Treffen wurde der Grundstein für die Gründung des Verbandes der Beleghebammen e.V. gelegt (> https://vdbh.org/). Heute haben wir etwa 350 Mitglieder, vor allem Dienstbeleghebammen. Wir präferieren die Einzelversicherung und versuchen gute Tarife anzubieten. Die Mitgliederzahlen steigen stetig. Dennoch hat unser Verband noch keine Maßgeblichkeit erreicht.

 

Birgit Heimbach: Daher konnten Sie 2020 nicht an den neuen Verhandlungen teilnehmen.

Silvia Kiel: Dies wäre jedoch bitter nötig gewesen, denn die Realität, mit der Hebammen im Kreißsaal konfrontiert werden, fällt nach wie vor komplett hinten über. Gemäß der Befragungsergebnisse des IGES-Gutachtens von 2019 betreut ein Viertel der angestellten Hebammen selbst in einer üblichen Schicht vier und mehr Frauen im Kreißsaal gleichzeitig. An Level-1-Perinatalzentren sind es sogar mehr als ein Drittel. Bei einer Eins-zu-zwei Betreuung und einer dritten Patientin im Notfall für nur eine Stunde – wie sollen wir diese Situation beispielsweise in einer Großstadt wie München mit chronischem Hebammenmangel und viel zu wenig geburtshilflichen Einrichtungen umsetzen?

 

Birgit Heimbach: Wie stellen Sie sich den idealen Betreuungsschlüssel vor?

Silvia Kiel: Natürlich ist eine Eins-zu-zwei-Betreuung anzustreben – und von einer Eins-zu-eins-Betreuung träumen wir wohl alle, aber im Alltag jeder größeren Klinik mit großem Einzugsgebiet ist ein solcher Betreuungsschlüssel schlichtweg illusorisch und sorgt im besten Fall »nur« für Frust und Überforderung. Im schlechtesten Fall sorgt er für Hebammen, die ihren Job aufgeben. Ganz zu schweigen von der Ungerechtigkeit, die festangestellten Hebammen dadurch widerfährt, denn diese müssen sehr wohl nach wie vor zig Schwangere gleichzeitig betreuen – bei gleichbleibendem Gehalt versteht sich. Warum kommt die Eins-zu-zwei-Regelung hier nicht zum Tragen? Ging es nicht um eine bessere Betreuungsqualität?

 

Birgit Heimbach: Danke für diese Einordnung, Frau Kiel!

 

 

Die Interviewte

 

Silvia Kiel ist Dienst-Beleghebamme in München in der Frauenklinik des Rotkreuzklinikums.

Kontakt: Silvia.kiel@yahoo.de

Literatur

Albrecht M et. al.: Stationäre Hebammenversorgung. In: Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit. Berlin. September 2019