Leseprobe: DHZ 12/2016
Posterwettbewerb

Die Latenzphase gehört der Frau

Schon in der Latenzphase kann die physiologische Geburt gefördert werden. Denn werden hier die Weichen richtig gestellt, können auch im weiteren Geburtsverlauf Interventionen vermieden werden. Das war das Ergebnis einer Umfrage an der Hebammenschule am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim. Die Ergebnisse wurden auf einem Poster auf dem 3. DHZCongress vorgestellt. Die vier Schülerinnen belegten damit den zweiten Platz im Wettbewerb. Miriam Baumeister, Adriane Schöneich, Marielle Georges, Maike Kottkamp,

Im Rahmen der Implementierung des Expertinnenstandards zur Förderung der physiologischen Geburt am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim haben wir im April 2016 ein Unterrichtsprojekt zum Thema Latenzphase durchgeführt. Wir wollten erfassen, ob den Wöchnerinnen die Latenzphase bekannt ist und wie sie sie erleben. Re­trospektiv fragten wir auch nach ihren Wünschen und Vorstellungen zur Betreuung in dieser Zeit.

 

Etwas Neues beginnt

 

Die Latenzphase ist „eine nicht notwendigerweise kontinuierlich verlaufende Geburtsphase, die gekennzeichnet ist durch schmerzhafte Wehen, das Verstreichen der Zervix und eine Eröffnung des Muttermundes bis auf vier Zentimeter“ (NICE 2007: 139). In dieser Phase merken die Frauen, dass sich nun etwas in ihrem Leben verändern wird und dass etwas Neues beginnt. Mit der Latenzphase beginnt die Geburt und viele Schwangere, besonders Erstgebärende, sind in dieser Zeit verunsichert. Sie stellen sich viele Fragen, auf die sie selbst nur selten Antworten finden. Also gehen sie mit starken Schmerzen und der Ungewissheit auf das Kommende in den Kreißsaal. Die Frauen werden in dieser Situation aufgenommen. Diese frühe Aufnahme hat Folgen für den gesamten Geburtsverlauf – sie kann häufigere Interventionen nach sich ziehen.

Eine frühzeitige Aufklärung der Frauen und der von ihnen gewählten GeburtsbegleiterInnen bereits in der Schwangerschaft über diese Phase der Geburt ist sehr wichtig. In Studien hat sich gezeigt, dass die Schwangere dadurch mit mehr Selbstvertrauen und Sicherheit in die Latenzphase geht. Vor allem, wenn sie sich in dieser Phase in einer ruhigen und entspannten Umgebung außerhalb des Kreißsaals befindet. Es folgt also eine spätere Aufnahme in den Gebärräumen und damit verbunden weniger Interventionen unter der Geburt. Die Geburtsverläufe werden kürzer, es werden seltener Periduralanästhesien (PDA) in Anspruch genommen, weniger Wehenmittelgaben sind notwendig und die Geburten enden seltener (vaginal-)operativ.

 

Wenig Wissen über die Latenzphase

 

Im Verlauf unserer Arbeit haben wir 125 Wöchnerinnen, die spontan, vaginal-operativ oder per sekundärer Sectio im St. Bernward Krankenhaus geboren hatten, gebeten, einen einseitigen Fragebogen auszufüllen. Alle Daten wurden anonym erhoben. Der Befragungszeitraum erstreckte vom 31. März bis zum 13. April 2016. 46 ausgefüllte Fragebögen (36,8 Prozent) wurden zurückgesandt und konnten ausgewertet werden. Es zeigte sich unter anderem, dass fast allen Frauen die Latenzphase unbekannt war. Besonders wichtig in der Latenzphase waren ihnen eine ruhige gemütliche Atmosphäre sowie eine kontinuierliche Betreuung durch eine Hebamme und/oder eine Hebammenschülerin. Den Wunsch nach einem Bett hingegen äußerten sie zu unserer Überraschung selten.

 

Gestaltung eines Vorwehenzimmers

 

Die erhobenen Daten und Wünsche der Frauen konnten wir in die Gestaltung eines Vorwehenzimmers einfließen lassen. Dieser Raum wird zurzeit renoviert und neu möbliert. Außerdem wurde ein Informationsflyer zur Latenzphase erstellt. Dieser wird den schwangeren Frauen in der Hebammensprechstunde am St. Bernward Krankenhaus ausgehändigt.

Die Poster und der Flyer fanden im Rahmen einer Posterpräsentation bei einer Veranstaltung zur Implementierung des Expertinnenstandards im St. Bernward Krankenhaus große Beachtung.

Rubrik: Ausbildung & Studium | DHZ 12/2016