Leseprobe: DHZ 10/2014
Spontangeburt nach Kaiserschnitt

Die Stimme der Frauen

Sie hat beides erlebt – eine Entbindung durch einen geplanten Kaiserschnitt und eine Geburt aus eigener Kraft. Wie heilsam der bewusste Weg sein kann – von einer angstgesteuerten Entscheidung zu einer freien Wahl – wird durch die Schilderungen der Mutter zweier Söhne unmittelbar erlebbar. Stefanie Hertel,
  • Stefanie Hertel hält auf dem 2. DHZCongress Ende Juni einen bewegenden Vortrag über ihren Wunsch und Weg von der Sectio zur Spontangeburt.

Nun lag er vor mir, der positive Schwangerschaftstest. Ich machte ihn aufgrund der Erkenntnis meines damals fast zweijährigen Sohnes der immerzu sagte: „Mama hat ein Baby im Bauch." Er hatte Recht! Meinem Mann konnte ich abends mitteilen, dass er sich nicht mehr überlegen brauchte, ob er noch ein zweites Kind mit mir bekommen wollte.

Bei aller Freude gab es nun aber auch einige wichtige Überlegungen und Entscheidungen zu treffen. Denn eines war klar – alles in allem würde es auch diesmal zu einer Geburt kommen.

 

Kein zweites Mal …

 

Sicher war von Beginn an: Eine Geburt wie die erste würde mir kein zweites Mal passieren. Vieles hatte sich in mir und um mich herum seitdem verändert.

Vor der ersten Geburt schickte mich meine Frauenärztin aufgrund der zu erwartenden Größe des Kindes in ein Krankenhaus, um dort in Erfahrung zu bringen, wie sie die Lage einschätzten. Ich bekam einen Termin für einen Ultraschall und nach einem kurzen Gespräch mit der Ärztin stand die dortige Empfehlung fest: ein geplanter Kaiserschnitt möglichst 14 Tage vor Geburtstermin. Auf meine Nachfrage, ob es nicht sinnvoll wäre, die Wehen abzuwarten, kam nur eine kurze Antwort: Dann könne es eventuell zu spät für einen Kaiserschnitt sein. Man gab uns eine halbe bis eine Stunde Bedenkzeit, ob wir den einzig freien angebotenen Termin neun Tage vor Geburtstermin nehmen wollten. Wir liefen orientierungslos auf dem Parkplatz des Krankenhauses hin und her, und sagten den Termin schließlich unglücklich zu. Immer vor Augen die möglichen Verletzungen oder Behinderungen des Kindes, die uns für den Fall einer natürlichen Geburt benannt worden waren. Ich traute mich, ein Risiko für mich zu akzeptieren, aber für unser Kind konnte ich es zu dieser Zeit nicht annehmen.

Schließlich kam es zum Kaiserschnitt, den wir in dem guten Glauben zugesagt hatten, es wäre für unser Kind das Beste. Als ich der Hebamme, die unseren Sohn in Empfang nehmen sollte, in die Augen sah, wünschte ich mir, ich wäre eher auf sie gestoßen. Aber es gab kein Zurück mehr. Die folgende Zeit gestaltete sich schwierig. Es ging mir körperlich und psychisch schlecht. Niemand im Krankenhaus nahm sich unserer Stillprobleme an. Wir bekamen lediglich ein müdes: „Das muss sich erst finden." Was schließlich darin gipfelte, dass man mir während der Nachsorge das Zufüttern empfahl. Aber das wollte ich keinesfalls. Ich wollte stillen! Alle Einwände, die ich trotz meiner reduzierten Kräfte aufbrachte, fanden kein Gehör.

 

Ich wollte voll stillen

 

Auf Anraten einer Freundin besuchte ich schließlich eine Stillberaterin. Bei ihr bemerkte man sofort die andere Atmosphäre. Sie hörte aktiv zu, verstand und erkannte nach kurzer Untersuchung und einigen Fragen, dass mein Sohn nicht saugen konnte. Einfühlsam behandelt und kompetent beraten fühlte es sich an. Warum hatte sich zuvor niemand so um uns bemüht? Ich weinte um die Zeit, die uns bis dahin niemand zurückgab, und aus Freude, dass es nun bergauf gehen konnte.

Nun hatten wir ein 24-Stunden-Programm. Stillen, zufüttern, zusätzlich alle zwei Stunden abpumpen und zweimal die Woche zu einer Logopädin, die eine spezielle Ausbildung hatte, um unserem Sohn das richtige Saugen beizubringen. Meine Umgebung reagierte oft mit Unverständnis für den Aufwand, den wir trieben. Schließlich konnte man doch zufüttern. Aber ich hatte das Ziel klar vor Augen: Ich wollte voll stillen! Schließlich, nach einigen Wochen, ging dieser Wunsch in Erfüllung und ich versprach uns fest, wir würden so lange stillen, wie es uns beiden Spaß macht.

Es kristallisierte sich heraus, dass ich die konventionellen Ansichten um mich herum nicht teilte, einen anderen Anspruch an die Bindung und den Umgang mit meinem Kind hatte und auch bereit war, dafür einen aufwändigen Weg zu gehen. Das soll nicht despektierlich klingen, aber in den Unterhaltungen zum Beispiel bei Krabbelgruppen fand ich nicht die Art von Gesprächen, die ich suchte. Sie trafen nicht meine Sicht auf die Dinge.

Seit dem Termin bei der Stillberaterin nahmen wir an ihrer Stillgruppe teil und fanden dort Rückhalt. Von dort nahm ich viele Anregungen zum Thema Stillen und Tragen mit.

Aufgrund unserer andauernden Stillphase wechselten wir schließlich in eine Langzeitstillgruppe. Sie wurde von zwei Schwestern geleitet, von denen eine schließlich auch Hebamme geworden ist. Es war ein Gefühl wie angekommen sein. Endlich hatte ich Frauen um mich, deren Kinder ähnlich wenig wie meines schliefen und oft aufwachten. Alle legten großen Wert auf eine lange Stillzeit, Familienbetten und das Tragen. Wir waren alle sehr unterschiedlich und jeder bereicherte die Gruppe mit seinen Eindrücken und Erfahrungen, ohne sie den anderen aufzuzwingen. Bekam jemand ein Kind, kochten wir abwechselnd jeder für zwei Tage für die Familie. Viele hatten eine traumatische erste Geburt erlebt. Dort fand ich Verständnis dafür, dass ich meine Enttäuschung über die falsche Entscheidung für den Kaiserschnitt nicht einfach ablegen konnte. Denn mit den Worten, „Sei froh, dass du ein gesundes Kind hast", konnte ich rein gar nichts anfangen. Mein Kriegsfuß mit dem Kaiserschnitt bedeutete ja nicht, dass ich mich über mein gesundes Kind nicht freuen konnte. Im Gegenteil: Wir hatten unseren Weg gefunden, wenn auch der Start sehr holprig war.

 

Rückhaltlos vertrauen können

 

Mit der zweiten Schwangerschaft hatte ich nun die Möglichkeit durch meine verschiedenen Eindrücke seit der ersten Geburt alles sehr viel differenzierter zu betrachten, als mir das beim ersten Mal möglich war. Zu diesem Zeitpunkt standen mir viele meiner jetzigen Erfahrungen und Erkenntnisse noch nicht zur Verfügung.

Ich wollte weiterhin zu meiner Frauenärztin, einer reinen Schulmedizinerin gehen. Das war mir wichtig, da unser erster Sohn einen leichten Herzfehler hat.

Als ich nun in mich hineinhorchte, war klar, dass einige wesentliche Punkte unbedingt anders verlaufen mussten. Ich musste vorher genau wissen, auf wen ich mich einlasse. Ich würde mich nicht spontan jemandem öffnen können. Das konnte ich im normalen Leben nicht und schon gar nicht in einer derart sensiblen Situation. Was, wenn ich an jemanden geriet, der nicht zu mir passte? Dann könnte ich nicht einfach gehen und sagen, ich käme wann anders wieder!

Ich wollte jemanden finden, der mich verstand, der nicht kalt seine Fachkenntnisse herbetete. Der eingriff, wenn es angemessen war und nicht aus Routine. Jemanden, der empathisch war und nicht nur die Zahlen verglich. Jemanden, dem ich rückhaltlos vertrauen konnte, wenn etwas anders verlaufen würde, als ich es mir vorstellte. Dessen Rat ich trauen konnte, weil dieser jemand mich und meine Ausrichtung verinnerlicht hat.

Das würde mich unendlich entspannen und mir Ruhe in der Zeit der Schwangerschaft geben und Kraft für die Geburt, die ja schließlich meine erste spontane Geburt werden sollte. Jemanden, der unterstützte, dass ich möglichst wenige Fremdeingriffe während der Geburt akzeptieren konnte und auf Störungen sehr empfindsam reagierte. Jemanden, der während der gesamten Geburt bei mir war und meine Welt schützte.

Ein Zitat der Ordensschwester und Philosophin Edith Stein lautet: „Ich weiß, dass ich jemanden in meiner Nähe habe, dem ich rückhaltlos vertrauen kann, und das ist etwas, was Kraft und Ruhe gibt." Das ist ein Spruch, der mich durch mein Leben begleitet. Es ist unser Trauspruch.

Ein geplanter Kaiserschnitt kam nicht in Frage. Es sollte eine natürliche Geburt sein. Möglichst ohne jede Art von Medikamenten. Ein Kaiserschnitt wäre für mich lediglich in einer echten Notlage akzeptabel.

Dieses Mal wollte ich unbedingt erst auf eine Hebamme treffen, um gegebenenfalls gestärkt durch ihr Wissen und ihre Betreuung auf die Schulmedizin zu treffen.

Auch der Ort sollte kein zweites Mal ein kalter OP-Raum sein. Zu einem wichtigen emotionalen Geburtsereignis passte diese unterkühlte Atmosphäre nicht. Es sollte ein Raum sein, der Wärme ausstrahlt und in dem man sich geborgen fühlen kann. Ich wollte mein Kind in den Armen halten und es nicht nur kurz gezeigt bekommen, woraufhin es sofort weggetragen wird.

Außerdem war es mir wichtig, nicht lange von meinem älteren Sohn getrennt zu sein. Wir hatten eine starke Bindung aufgebaut, und da mein Mann sehr viel arbeitete, würde er diese Rolle nicht einnehmen können. Mein Sohn schlief gemeinsam mit mir ein und es war mir wichtig, dass es für ihn durch die Geburt nicht zu einem Bruch kommen würde.

 

Mehr als ein „nice to have"

 

Meine Rahmenbedingungen hatten keine „Verhandlungsbasis", waren kein „nice to have". Sie waren gesetzte Werte, von denen ich nicht abrücken wollte.

Bei meinen weiteren Überlegungen kamen mir Zweifel, dass ich diese für mich sehr wichtigen Voraussetzungen, um eine spontane Geburt für mich in erreichbare Nähe zu rücken, im Krankenhaus durchsetzen könnte. Meine Erfahrungen ließen da keine Träumereien zu. Ich würde mir für diesen Fall also „Schützenhilfe" bei einer Hebamme holen. Gegebenenfalls wäre eine Beleghebamme eine Option oder ein Geburtshaus.

Mein Vorteil gegenüber der Zeit in der ersten Schwangerschaft war ein weit verzweigtes Netzwerk von Frauen, die eine Fülle von Erfahrungen und Tipps hatten, von denen ich profitieren konnte. Während unserer Stillgruppenzeit erfragte ich nun die Umstände der Geburten der anderen Mütter. Viele hatten traumatische Erlebnisse von ihrer ersten Geburt zu berichten. Sie handelten von Wehenmitteln, unvorstellbaren Schmerzen, Zangen, PDA, Stellungen, die für die Frauen nicht funktionierten. Einige Frauen aus der Stillgruppe hatten medizinische Berufe und entschieden sich trotzdem oder gerade deshalb für eine Geburt zu Hause. Die Schilderungen dieser Art der Geburt klangen euphorisch. Alle waren sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung, dem Ablauf und den Hebammen, die sie begleitet hatten. Sie schwärmten regelrecht. Sogar die Ehemänner waren überzeugt, eine richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Unterschiedlicher hätten die Erfahrungen zwischen der ersten und der zweiten Geburt nicht ausfallen können.

Ich sprach mit einer Freundin, die ihr erstes Kind zu Hause geboren hatte. Auch ihre Erfahrungen deckten sich mit den Schilderungen der Frauen meiner Stillgruppe.

Ich ließ diese Eindrücke einige Zeit auf mich wirken und es reifte in mir der Wunsch, ebenfalls eine Hausgeburt ins Auge zu fassen. Bemerkenswert fand ich die identischen Eindrücke, die sämtliche Erlebnisse einten, und die Euphorie, die ich überall heraushören konnte. Alle Dinge und Umstände, die für mich wichtig waren, sprachen dafür. Sie würden sich am besten zu Hause realisieren lassen.

In einem Krankenhaus würde ich mich auf die dortigen Bedingungen einlassen müssen. Ich hatte aber Bedenken, dass ich Kompromisse in meinen Rahmenbedingungen eventuell mit einer Blockade meinerseits bezahlen und damit die natürliche Geburt gefährden würde. Dazu war ich nicht bereit.

Aber wie war das Risiko mit meinem vorangegangenen Kaiserschnitt einzuschätzen? Würde er nun auch noch die zweite Geburt bestimmen und die Weichen dafür stellen, in dem ich keine spontane Geburt zu Hause haben könnte?

Es war mir wichtig, möglichst schnell zu klären, woran ich war, um gegebenenfalls noch Zeit zu haben, andere Überlegungen anzustellen, was hoffentlich nicht nötig wäre. Wäre dann ein Geburtshaus eine Alternative, oder ginge auch das aufgrund der Vorgeschichte nicht? Schließlich erfragte ich in der Stillgruppe die Adresse einer Hebamme, mit der bereits einige der Frauen Hausgeburten erlebt hatten.

 

Den Vater gewinnen

 

Zuvor galt es jedoch, meinen Mann in mein Vorhaben einzuweihen. Ich hatte nicht erwartet, dass er hocherfreut wäre. Seine Reaktion auf meine Mitteilung, dass ich eine Hausgeburt in Betracht ziehen wollte, war, freundlich ausgedrückt, zurückhaltend. Er ist ein logisch strukturierter Mensch und konnte sich nicht vorstellen, warum eine Geburt nicht auch im Krankenhaus gut funktionieren könnte, solange es kein geplanter Kaiserschnitt war. Es folgten lange Gespräche, in denen ich ihn an meinen Überlegungen teilhaben ließ. Und ihm schließlich sagte, dass ich erwartete, dass er mich bei diesem Weg begleitete und unterstützte. Letztlich war auch ihm klar, dass sich eine Geburt wie die unseres ersten Sohnes nicht wiederholen sollte. Das war unser kleinster gemeinsamer Nenner.

Ich vereinbarte einen Termin mit der Hebamme, den ich jedoch vorerst alleine wahrnehmen wollte. Aufgeregt fuhr ich zu unserem ersten Treffen. Denn gleich konnte meine Seifenblase zerplatzen – falls eine Hausgeburt bei vorangegangenem Kaiserschnitt nicht möglich wäre; oder andernfalls ein Meilenstein für meinen Wunsch einer spontanen Geburt zu Hause geschafft sein. Alle meine Antennen hatte ich auf Empfang gestellt. Schnell spürte ich während des Gesprächs eine gemeinsame Linie und eine Nähe, die ich nach so kurzer Zeit nicht erwartet hatte.

Wir klärten, dass es ein Risiko für eine Ruptur nach einem Kaiserschnitt gibt, dass in diesem Fall für Mutter und Kind höchste Eile geboten sei, aber eine Hausgeburt dennoch möglich wäre. Jetzt war ich so weit gereift und so gut aufgehoben und aufgeklärt, dass ich dieses Risiko für mich und mein Kind annehmen konnte.

Ihre Worte: „Ich traue dir das zu. Du kannst das", waren Balsam für meine Seele. Es war unglaublich, wie schwanger und nicht krank man sich fühlen kann, wenn ein derart empathisches und trotzdem fachlich aufklärendes Gespräch stattfindet. Befreit und beflügelt fuhr ich mit meinem Wunschergebnis nach Hause mit der Vereinbarung, mir Zeit für die Entscheidung zu nehmen und dann von mir hören zu lassen.

 

Vorbereitungen

 

Ich nahm mir die Zeit, alles sacken zu lassen, und sagte schließlich mit großer Freude zu. Eine große Erleichterung machte sich breit. Damit hatten sich viele meiner Rahmenbedingungen erfüllt und ich war zuversichtlich, dass auch alles andere sich nun fügen würde.

Das zweite Gespräch führten wir mit meinem Mann bei uns zu Hause. Er konnte nun seine Ängste, Fragen und Zweifel zur Sprache bringen. Am Ende stimmte auch er zu. Ab und an kam bei ihm ein Anflug von Zweifel auf, aber meine Zuversicht reichte für uns beide. Wir zogen in Betracht, einen Gebärpool zu nutzen, um den Druck von der Narbe zu nehmen. Nun nahm er seine Rolle als Planer ein. Hielt der Boden im Esszimmer einem gefüllten Gebärpool stand? Hier musste ein Fachmann befragt werden. Ein befreundeter Statiker rechnete und empfahl uns, im Keller Stützen an der entsprechenden Stelle unter dem Pool anzubringen.

Dennoch war mir bei aller Euphorie klar, dass ich auf viel Unverständnis treffen würde. In der Folgezeit las ich einige Bücher über Hausgeburten, unter anderem „Die selbstbestimmte Geburt" der amerikanischen Hebamme Ina May Gaskin. Mir wurde oft gesagt, wie mutig es sei, eine Hausgeburt zu planen und zu haben.Darauf entgegnete ich, dass ich das nicht mutig fand, sondern eher nicht genug Mut besaß, ins Krankenhaus zu gehen.

Mut ist laut Definition im Duden: Die Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden. Das traute ich mir nicht zu!

Meine Familie und mein näheres Umfeld reagierten ebenso, so dass ich nun meine Freundin verstehen konnte, die vor der Geburt nicht erzählt hatte, dass sie eine Hausgeburt plante. Es gab Äußerungen, warum ich denn die „Sicherheit" und die „Hilfe" eines Krankenhauses nicht in Anspruch nehmen wolle. Für mich war allerdings nur sicher, dass ich glaubte, mich dort nicht ausreichend wohl zu fühlen und auf die Art der medizinischen Hilfe wollte ich ja gerade verzichten. Ich wollte mein Kind ohne Medikamente gebären. Mein Hauptargument war häufig, dass in Holland alle, bis auf die Risikoschwangerschaften, zu Hause gebären, und dieses Land ja durchaus vergleichbar sei. Denn aus den Äußerungen konnte ich entnehmen, dass einige eine Hausgeburt eher einer recht unzivilisierten Welt zuordneten. Das war für die meisten eine neue Sicht der Dinge, auf die sie zumindest kein gutes Gegenargument vorbrachten.

Der Gegenwind tat mir auch gut. Indem ich meine Meinung vertrat, merkte ich, wie viel Wissen und Informationen ich gesammelt hatte. Das gab mir Sicherheit und Zuversicht, auf dem richtigen Weg zu sein. Es war vergleichbar mit einem Sturm, gegen den man sich stellt und an dem man seine Kraft messen kann.

 

Alles fühlte sich richtig an …

 

Der nächste Termin bei meiner Frauenärztin kam und ich erzählte von meinem Wunsch, diesmal mein Kind zu Hause zu gebären. Sie schaute erstaunt und teilte mir ihre Bedenken hierzu mit. Ich legte ihr im Gegenzug meine Argumente dar. Ich schätzte sehr, dass sie mich nicht versuchte davon abzubringen. Bei jedem Termin erkundigte sie sich nach dem Stand der Vorbereitungen.

Viel Rückhalt bekam ich von den Frauen unserer Stillgruppe. Dort konnte ich freitags auftanken und Kraft sammeln. Mir ist bei allem bewusst geworden, wie wichtig diese Treffen und Kontakte für mich waren.

Bei den folgenden Untersuchungen, die unsere Hebamme bei uns zu Hause vornahm, wurde unser Sohn mit einbezogen. Er durfte auch Herztöne messen, davon erzählt er heute noch! Alle waren in die Schwangerschaft einbezogen, keiner blieb außen vor. Eine große Zufriedenheit umgab mich. Ich fühlte mich gut aufgeklärt, bestens betreut und verstanden. Das Leben konnte so schön sein.

Alles verlief problemlos. Die Freude auf die Geburt wuchs. Natürlich auch die Neugier auf das, was passieren würde. Schließlich war es zwar die zweite Schwangerschaft für mich, aber die erste natürliche Geburt. Und sogar meine Frauenärztin bat mich um eine genaue Schilderung nach der Geburt.

Am Tag vor dem Geburtstermin begannen die Wehen. Letzte Vorbereitungen wurden getroffen und am nächsten Morgen kamen die beiden Hebammen, die uns auch schon in der Schwangerenvorsorge gemeinsam betreut hatten, zu uns nach Hause. Sie gehörten für uns zur Familie.

Der Pool wurde aufgebaut und alles verlief ohne ungewollte Eingriffe. Mein Körper und das Baby bestimmten den Rhythmus. Im Wasser fühlte ich mich sehr wohl. Mir imponierte die Kraft, die mein Körper durch die Wehen hervorbringen konnte, sehr.

Die Herztöne wurden regelmäßig kontrolliert. Und es gab nie den Hauch eines Zweifels, dass alles in bester Ordnung war. Die Hebammen warteten ab und gaben mir Zuspruch, wenn ich ihn benötigte. Alles fühlte sich richtig an.

Unser Sohn kam um die Mittagszeit zur Welt, an dem Tag, an dem er geboren werden wollte. Wann wohl unser großer Sohn seinen „echten" Geburtstag gehabt hätte?

 

Tiefe Dankbarkeit

 

Tatsächlich hatten sich alle meine Wünsche erfüllt: Mit den Menschen, die ich um mich haben wollte während der Geburt. In unserem Wohnzimmer, das ungleich heimeliger war als der OP-Saal. Mit einem Minimum an Untersuchungen und immer achtsamer Nachfrage. Ohne Medikamente. In der Stellung, die ich intuitiv gewählt habe.In dem Tempo, das wir beide vorgaben, ohne Druck von außen. Wir konnten das Kind in Ruhe bestaunen, es konnte in Ruhe auf der Welt ankommen. Unser großer Sohn durfte sofort nach Hause kommen, er war während der Geburt bei meinen Eltern.

Das Bittere war die sichere Erkenntnis, dass eine natürliche Geburt beim ersten Mal möglich gewesen wäre, denn unser neugeborener Sohn war noch größer als der erste.

Zurück bleibt eine tiefe Dankbarkeit für die Hebammen, die diese Erfahrung überhaupt möglich gemacht haben – sie werden immer einen festen Platz in den Herzen unserer Familie haben, für meinen Mann, der über sich selbst hinausgewachsen ist, und für unsere Stillgruppe, die mich sehr unterstützt hat.

Eine Zufriedenheit mit sich selbst. Dem eigenen Körper vertraut zu haben, der solche Wunder vollbringen kann, und auf sich selbst gehört zu haben. Die Erkenntnis, viel Selbstvertrauen gewonnen zu haben, sich selbst näher gekommen zu sein und einiges über sich erfahren zu haben. Die Sicherheit, die beste Entscheidung getroffen zu haben. Die Möglichkeit, die Erfahrung mit anderen zu teilen und zu nutzen, um anderen Hilfestellungen geben zu können. Ich freue mich, dass ich sie mit Ihnen teilen durfte.

Rubrik: Geburt | DHZ 10/2014

Hinweis

Der Artikel basiert auf einem Vortrag, den die Autorin auf dem 2. DHZCongress am 28. Juni unter dem Titel „Die Stimme der Frauen" gehalten hat. Er wurde leicht redaktionell überarbeitet.