Leseprobe: DHZ 10/2013
NEMIR – Network of European Midwifery Regulators

Einfluss nehmen in Europa

Vom Network of European Midwifery Regulators (NEMIR) haben möglicherweise noch nicht so viele Hebammen gehört. Was ist das für ein Gremium, welche Ziele verfolgt es und wer ist aus Deutschland dort vertreten? Das erläutert die einzige Vertreterin der deutschen Hebammen. Ute Lange,
  • Treffen des „Network of European Midwifery Regulators – NEMIR“ am 27. Mai 2011 in Brüssel (Ute Lange, hinten, vierte von links)

Im Jahr 2009 wurde das Network of European Midwifery Regulators (Netzwerk der Europäischen Hebammenregulatoren/NEMIR) gegründet vom britischen Nursing and Midwifery Council (NMC/www.nmc-uk.org) und der französischen Hebammenkammer (Ordre des sages-femmes/conseil national). NEMIR ist ein informelles Forum für die Zusammenarbeit von Regulierungsbehörden aus 25 europäischen Ländern, die für die Hebammenarbeit verantwortlich sind. Ziel von NEMIR ist, berufsständische Standpunkte der Hebammen Europas an die Vertreter der Europäischen Union und andere Behörden heranzutragen. Umgekehrt ist es die Kontaktstelle der EU-Institutionen für Hebammenbelange. Ein Thema seit 2009 war beispielsweise die berufliche Mobilität der Hebammen innerhalb Europas.

 

Eine Stimme im NEMIR

 

Etwa einmal im Jahr versammeln sich die NEMIR-VertreterInnen der Länder in den Räumen des EU-Parlaments in Brüssel. Dort haben sie in den letzten Jahren schwerpunktmäßig die Veränderungen der EU-Richtlinie Directive 2005/36/EC diskutiert und gemeinsame Standpunkte verabschiedet. Meist sind auch VertreterInnen des EU-Parlaments anwesend, mit denen sie sich dann direkt austauschen können. Ein Großteil der Arbeit findet über Mailkontakte und allgemeinen Schriftverkehr statt. Gleichzeitig pflegt NEMIR eine enge Zusammenarbeit auch mit der European Midwives Association (EMA) und der International Confederation of Midwives (ICM), deren VertreterInnen auch an den jährlichen NEMIR-Treffen teilnehmen. Die NEMIR-VertreterInnen sind zumeist die zuständigen RegulatorInnen. Doch wer oder was sind diese HebammenregulatorInnen? Sie vertreten die politischen Ziele und Standpunkte des Berufsstandes gegenüber den Verantwortlichen in den politischen Gremien und Ministerien. In Ländern, in denen es eine Hebammenkammer gibt, sind sie identisch mit den KammervertreterInnen. Diese können, müssen aber keine ausgebildeten Hebammen sein. Da es in Deutschland keine Hebammenkammer gibt, wird eine VertreterIn aus der Politik bestimmt, der oder die diese Funktion übernimmt. Die Hebammen haben keinen Einfluss auf die Auswahl, sie haben auch nicht automatisch Kontakt zu dem Vertreter beziehungsweise der Vertreterin. Präsentiert allein durch die Hebammenverbände, hatten die deutschen Hebammen so bislang wenig Einfluss auf die politischen Strategien und Ziele, die die RegulatorInnen in ihrem Namen gegenüber der EU vertreten. Obwohl VertreterInnen der Berufsverbände eigentlich nicht Mitglied im NEMIR sein können, weil sie keine Mitarbeiter von Regulierungsbehörden sind, kämpfte der Deutsche Hebammenverband (DHV) seit 2009 darum, einen Sitz und damit eine Stimme zu bekommen. Nach erfolgreicher Kontaktaufnahme zunächst durch Susanne Simon, damals Beauftragte für Internationale Hebammenarbeit, und zwei orientierenden Treffen in Bremen wurde der DHV dann im Jahr 2011 zum ersten Mal auf eine Jahresversammlung des NEMIR eingeladen. Er kann dort seine Ziele darlegen, hat jedoch nicht zu allen Gremien Zugang. Seit 2012 entsenden DHV und Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) gemeinsam eine NEMIR-Delegierte und signalisieren damit, dass diese eine repräsentative Zahl der Hebammen in Deutschland vertritt. Dies stärkt die Position der Hebammen Deutschlands im NEMIR. Dem Wunsch, der Policy Working Group (PWG) von NEMIR beizutreten, konnte jedoch nicht entsprochen werden, da die Arbeit in dem Gremium den RegulatorInnen vorbehalten ist. Die PWG trifft sich mehrmals jährlich und arbeitet die inhaltlichen Standpunkte von NEMIR aus.

 

Themen und Diskussionen

 

Ich bin zurzeit die NEMIR-Beauftragte von DHV und BfHD. Im DHV war ich von 2005 bis 2011 Beauftragte für Internationale Hebammenarbeit. In den vergangenen zwei Jahren waren die NEMIR-Arbeitstreffen und der Schriftverkehr durch die Diskussionen um die EU-Richtlinie 2005/36/ EG und die europäischen Mindestanforderungen an eine Hebammenausbildung geprägt. Deutschland steht mit seinen Zugangsvoraussetzungen zum Hebammenberuf in Europa fast allein: In 25 der 27 EU-Staaten ist schon jetzt eine zwölfjährige Schulzeit Voraussetzung für einen Ausbildungsplatz, anders als in Deutschland mit zehn Jahren. Die neuesten Abstimmungsprozesse der Richtlinie 2005/36/EG legen jetzt auch für Deutschland fest, dass eine Schulzeit von zwölf Jahren Voraussetzung für den Einstieg in die Hebammenausbildung werden soll. Themen waren auch die Voraussetzungen für berufliche Mobilität innerhalb Europas wie Sprachkompetenzen und Ausbildungsinhalte. Informationen darüber sowie über die Inhalte der Treffen und berufsständische Diskussionen in der EU gibt es auf der Website des NEMIR unter www.nemir.eu.

Rubrik: Europa | DHZ 10/2013