Leseprobe: DHZ 06/2016
Geburtshilfe in der Schweiz

Was tun gegen den Ruin?

Der galoppierende Abbau der dezentralen Geburtshilfe ist verhängnisvoll: Mit der Schließung kleiner Geburtskliniken verlieren Frauen und Familien die wohnortnahe Gesundheitsversorgung, Hebammen wandern ab oder geben ihren Beruf auf. Im schweizerischen Zweisimmen im Berner Oberland wollen BürgerInnen dagegen angehen. Marianne Haueter,
  • Das Schweizer Simmental und Saanenland sind Urlaubsregionen mit vielen Tausend Besuchern jedes Jahr. Auch Kinder werden dort geboren, doch die geburtshilfliche Versorgung ist bedroht.

In der Schweiz ist – ebenso wie in Deutschland – deutlich zu beobachten, wie die bewährte dezentrale wohnortsnahe geburtshilfliche Grundversorgung zunehmend wirtschaftlich bedroht und Schritt für Schritt abgeschafft wird. Im Kanton Bern wurden in den letzten 20 Jahren über ein Dutzend kleine Krankenhäuser geschlossen, und mit ihnen auch die Geburtsabteilungen.

Immer mehr Hebammen wechseln den Beruf, weil sie in ihren Arbeitsbedingungen einer schleichenden Deprofessionalisierung ausgesetzt sind. In Deutschland sind frei praktizierende Hebammen gezwungen, ihre Tätigkeit aufzugeben, weil die erhöhten Haftpflichtversicherungsprämien in keinem vertretbaren Verhältnis zum erwirtschafteten Einkommen stehen. Wie ist es möglich, dass eine von der Bevölkerung hoch geschätzte dezentrale geburtshilfliche Grundversorgung zunehmend ruiniert werden kann? Welches sind die Treiber dieser Entwicklung, und wie kann diesem Treiben Einhalt geboten werden?

 

Beispiel Zweisimmen

 

Zweisimmen ist das dörfliche Zentrum der Talschaften Simmental und Saanenland im westlichen Berner Oberland. Bekannte Tourismusorte dieser Region heißen Gstaad, Saanen und Lenk. Das Versorgungsgebiet des kleinen Krankenhauses Zweisimmen zählt rund 24.000 EinwohnerInnen. In der Sommersaison und im Winter kommen dazu weitere je rund 100.000 Feriengäste.

Gegen den Widerstand der Bevölkerung wurde Ende März 2015 die Geburtsabteilung des Krankenhauses dichtgemacht. Dort hatten rund 130 Geburten pro Jahr stattgefunden. Ein paar ortsansässige Hebammen gewährleisteten die ambulante und stationäre Betreuung von Frau und Kind. In der Regel kannten sie die Frauen und ihr Umfeld sehr gut: beste Voraussetzung, um die Kontinuität in der Begleitung der Frauen und Familien zu gewährleisten und Vertrauen zu schaffen. Das Krankenhaus umfasst heute noch eine chirurgische und medizinische Versorgung mit einem 24-Stunden-Notfallbetrieb. ÄrztInnen sind spätestens binnen 30 Minuten und die Anästhesie binnen 15 Minuten verfügbar. Bis Ende März 2015 leisteten zwei Fachärztinnen für Gynäkologie und Geburtshilfe Unterstützung. Nach der Schließung der Geburtsabteilung in Zweisimmen liegen die nächsten Geburtskliniken in Thun oder Frutigen zwischen 50 und 70 Kilometer entfernt. Die engen, kurvenreichen Straßen zwischen den zentrumsfernen Talschaften und den Zentren sind im Sommer wegen Baustellen und Verkehrsüberlastung zeitaufwändig zu befahren und im Winter oft mit Eis und Schnee bedeckt. Die Fahrt kann eine bis zwei Stunden dauern. Bei ungünstiger Witterung ist zudem die Verlegung mittels Helikopter oft gefährlich, wenn nicht gar unmöglich. Und sie kann auch ebenso lange dauern.

 

Folgen der Schließung

 

Als Gründe für die Schließung der Geburtsabteilung in Zweisimmen hat die Trägerschaft aufgeführt, dass sie nicht wirtschaftlich zu betreiben sei (Aufwandüberschüsse von einer Million Schweizer Franken und mehr pro Jahr). Es werde zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Und die Fallzahl sei zu gering, um die Ergebnisqualität zu sichern.

 

Welches sind die unmittelbaren Folgen der Schließung?

 

  • Die Fahrzeiten vom Wohnort zum Geburtsort wurden stark erhöht. Der Transport ist für Hochschwangere und Gebärende beschwerlicher geworden.
  • Das Risiko für Komplikationen im Geburtsverlauf wurde massiv erhöht.
  • Lange Distanzen zur Versorgung steigern die Wahrscheinlichkeit für unnötige medizinische Interventionen bei gesunden Frauen und generieren folglich Zusatzkosten.
  • Die Fahrtkosten wurden massiv erhöht und gehen voll zu Lasten der betroffenen Familien.
  • Die Hebammen verloren attraktive Arbeitsplätze mit ganzheitlichen, kontinuierlichen Betreuungsmöglichkeiten.

 

Mutmaßliche längerfristige Auswirkungen:

 

  • Die zentralisierte Geburtshilfe ist nachgewiesenermaßen nicht kostengünstiger, sondern trägt zum Kostenwachstum bei. Diese Mehrkosten werden auf die SteuerzahlerInnen und PrämienzahlerInnen abgewälzt.
  • Die Zentralisierung vermag dem drohenden Fachkräftemangel in der Geburtshilfe nicht entgegenzuwirken. Die Zentralisierung wird vielmehr dazu führen, dass noch mehr erfahrene Fachkräfte die Geburtshilfe verlassen werden.
  • Ohne Geburtsklinik vor Ort wird auch die ambulante Versorgung und die Gesundheitsförderung und Prävention erschwert, denn die außerklinisch tätigen Fachleute wie Hebammen, Mütter- und VäterberaterInnen, FachärztInnen für Geburtshilfe und Gynäkologie sind auf die enge Zusammenarbeit mit Geburtskliniken im Versorgungsnetz angewiesen. Es ist weder für Hebammen noch FachärztInnen attraktiv, sich in einer Region ohne klinische und operative Geburtshilfe niederzulassen.
  • Täglich mehrere Stunden Arbeitsweg für die lokalen Hebammen sind unzumutbar. Es bleibt längerfristig nur Wegzug oder Berufswechsel. Damit verliert die Region auch die ambulante geburtshilfliche Versorgung.
  • BürgerInnen und Gemeindebehörden der beiden Talschaften verlieren zunehmend ihre Mitsprache- und Einflussmöglichkeiten auf die angebotene geburtshilfliche Grundversorgung.

 

Mindestfallzahlen treiben Zentralisierung an

 

2005 nahm das Stimmvolk im Kanton Bern ein neues Spitalversorgungsgesetz an. Es sah die Schaffung von Regionalen Spitalzentren vor. Die kleinen zentrumsfernen Spitäler wurden mit Regionalzentren zu Aktiengesellschaften zusammengeschlossen und verloren ihre Selbstständigkeit.

2012 wurde in der ganzen Schweiz ein Tarifsystem mit Fallkostenpauschalen (DRG) eingeführt. Dieses Tarifsystem wurde den Schweizern mit dem Argument verkauft, mittels Leistungsanreizen und Wettbewerb würden die steigenden Kosten der klinischen Gesundheitsversorgung gebremst werden.

Über die Frage, was zur wohnortsnahen dezentralen Grundversorgung gehört und was nicht, gab es im Zuge dieser Reformen nie eine öffentliche Auseinandersetzung. Die Grundversorgung wurde aber durch die kantonalen Gesundheitsdirektionen in einem sogenannten „Basispaket Innere Medizin und Chirurgie“ festgelegt. Dieses regelt, welche AnbieterInnen welche Leistungen über die Grundversicherung abrechnen können. Es werden ferner Vorgaben bezüglich Mindestfallzahlen gemacht. Beispielsweise berechtigt die Mengenvorgabe „1.500 Geburten pro Standort und Jahr“, dass Schwangere ab der 32. Woche und Neugeborene ab 1.250 Gramm behandelt werden dürfen. Der Standort ist folglich berechtigt, eine neonatologische Versorgung anzubieten, falls er mindestens 1.500 Geburten pro Jahr nachweist. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass dieser Auftrag sehr viel lukrativer sein wird, als eine geburtshilfliche Grundversorgung ab 37. Schwangerschaftswochen zu leisten. Es versteht sich auch, dass das Regionalzentrum daran interessiert ist, sämtliche Geburten ins Zentrum zu verlegen, um die Mindestfallzahl zu erreichen. Also werden die zentrumsfernen wohnortnahen kleinen geburtshilflichen Einheiten reihum geschlossen.

Dies geschieht, obwohl es in der Qualitätsdiskussion der Medizin keine zuverlässigen Daten gibt, weder für die Geburtshilfe, noch für andere untersuchte medizinische Fachgebiete, die belegen, dass die Festlegung von Mindestmengen (Fallzahlen) einen qualitätssichernden oder -steigernden Effekt auf Mortalität, Morbidität, Struktureffekte, Verweildauer und Re-Interventionen haben (IQWIG 2012).

Die „Versorgungsnotwendigkeit“ eines Leistungsangebotes wurde willkürlich festgelegt: 2013 wurde in der kantonalen Versorgungsplanung zusätzlich zum zeitlichen Kriterium, dass 80 Prozent der Bevölkerung einer Region binnen 30 Minuten Fahrzeit ein Spital erreichen können, auch eine maximale Distanzregel von 50 Kilometern zum nächstgelegenen Krankenhaus als Kriterium der „Versorgungsnotwendigkeit“ eines Spitals eingeführt. Diese neue Regel rettete das Spital Zweisimmen, jedoch nicht dessen Geburtshilfe. Sie wurde von den sogenannten „wissenschaftlichen“ MitarbeiterInnen der Regierung, von der vorberatenden parlamentarischen Kommission und schließlich vom Regierungsrat an diesem Standort als „nicht versorgungsnotwendig“ beurteilt.

 

Flächendeckender Strukturwandel

 

Die Anforderungen für den Betrieb einer geburtshilflichen Klinik und für die Notfallversorgung wurden nach Einführung der neuen Leistungsgruppen angehoben. Die sogenannte E-E Zeit (Entschluss-Entwicklungszeit zur Sectio) wurde auf unter 15 Minuten in der Schweiz und in Deutschland auf unter 20 Minuten angesetzt (DGGG 2013). Dieses Versorgungsniveau von Frauen und Kindern in der Geburtshilfe ist unabhängig von Ort und Krankenhausgröße und unabhängig von der Uhrzeit jederzeit zu realisieren. Und das, obwohl es keine eindeutige Evidenz für diese Vorgabe gibt. Die Datenlage ist teils widersprüchlich und auch mit methodischen Einschränkungen behaftet, denn die Mehrheit der Daten stammt aus Zentrumskliniken (Tolcher et al. 2014). Es wäre absolut tauglich, eine E-E Zeit im Zeitraum ab 30 Minuten für Grundversorger als angemessen zu vertreten, wie es auch andere Länder tun (NICE Guidelines 2011).

Striktere Anforderungen bringen nicht zwingend ein besseres Resultat für Mutter und Kind. Insbesondere wenn es dazu führt, dass die wohnortsnahe Grundversorgung in strukturschwachen Regionen wegrationalisiert wird und die nahe Notfallversorgung endgültig wegfällt, weil diese Vorgaben doppelt so viel Personal benötigen. Man wird den Eindruck nicht los, dass mit diesen flächendeckenden Vorgaben Strukturwandel beabsichtigt ist und nicht das Wohl von Mutter und Kind in allen Regionen im Zentrum steht. Sie sind für geburtshilfliche Grundversorger weder zweckmäßig, wirksam noch wirtschaftlich. Zentralisierung, Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung, Leistungskürzungen, „Hospitalisierung“ der Hebammen und neue Regulationen verändern den Beruf der Hebammen als Grundversorgerin zunehmend in Richtung Deprofessionalisierung. In „Geburtsfabriken“ sind Hebammen gezwungen, mehrere Frauen gleichzeitig zu betreuen. Die Erfahrung und das spezifische Hebammenwissen einer ganzheitlichen kontinuierlichen Betreuung mit Einbezug der sozialen Situation von Frauen über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettzeit gehen verloren.

 

Macht- statt Versorgungsprinzip

 

Hierarchische Klinikbetriebe tragen dazu bei, die Entscheidungs- und Handlungskompetenzen einzuschränken. Die geburtshilfliche Grundversorgung liegt in den Händen hochspezialisierter ÄrztInnen für Geburtsmedizin. In der außerklinischen Geburtshilfe werden Regulationen aufgrund von Machtpositionen und nicht aufgrund wissenschaftlicher Kriterien eingeführt, beispielsweise die Ein- und Ausschlusskriterien für hebammengeleitete Geburten und Terminüberschreitung. Sie führen zum Ausschluss der Leistungspflicht der Krankenkassen und des Staates im Versorgungsvertrag.

Gesundheitspolitische Entscheidungen werden an vermeintlich unpolitische, jedoch außerordentlich machtvolle Fachgremien delegiert. Diese entwickeln Leitlinien und schreiben Expertenberichte, die weitreichende medizinrechtliche und versorgungsplanerische Implikationen haben. Mehr- und Uneindeutigkeiten können ausgeräumt werden. Die Fachgremien sind für die Politik wie auch für die Krankenversicherer willkommene Partner, um ihre Interessen nach gesundheitspolitischer Steuerung durchsetzen zu können. Die Nachweise, dass diese Vorgaben zweckdienlich, wirksam und wirtschaftlich sind, fehlen. Auch hier spielt der Komplex von GesundheitsökonomInnen, WirtschaftsingenieurInnen, Regierungen, PolitikerInnen, Verwaltung, Versicherungen und geburtshilflichen Fachgesellschaften gut zusammen.

Die Kräfteverhältnisse der geburtshilflichen Fachkompetenz von Hebammen verschiebt sich zu ihren Ungunsten und zum Vorteil neuer administrativer und technischer Eliten, die nun zusätzliche Anforderungen an die geburtshilfliche Arbeit herantragen. Auf diese Weise lassen sich komplexe Handlungssysteme ihres kulturellen, gender- und soziodynamischen Ballasts entledigen. Einiges, was unter dem Namen Qualitätssicherung läuft, ist äußerst anfällig für ökonomische und politische Interessen. Sogenannte Care-Arbeiten von Hebammen sind kaum in Qualitätskriterien in der Geburtshilfe abgebildet. Dies spiegelt sich auch in Tarifen und Fallpauschalen. Wie die Ökonomin Mascha Madörin feststellt, wird der Wert von Leistung durch Tarife definiert (Madörin 2014). Dies beinhaltet Zeit und formale Qualifikation. Und je haushalts- und körpernaher die Arbeit, desto schlechter ist sie bezahlt. Die ganze Entwicklung zeugt von einem generellen Misstrauen gegenüber den Hebammen und einer Geringschätzung dieses Berufes.

Die Zentralisierung der Geburtshilfe und damit die Ruinierung der klinischen und außerklinischen zentrumsfernen, aber wohnortsnahen Geburtshilfe ist ein politisch breit verankertes Konzept. Die Zentralisierung betrifft aber längst nicht nur die Geburtshilfe, sie stellt beispielsweise auch für die Traumatologie, die Orthopädie und die Pädiatrie eine Gefahr dar.

Man braucht keine Verschwörungstheorie als Erklärung für diese Entwicklung. Die Gründe liegen auf der Hand. Mascha Madörin bezeichnet das Schweizerische Gesundheitswesen als „hoch regulierte Planwirtschaft, mit einem Kostenwettbewerb ohne Markt und mit dysfunktionalen Tarifsystemen“ (Madörin 2014). Es sind kartellähnliche Allianzen im Gesundheitsmarkt entstanden, die nicht primär die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen zum Ziel haben.

Die Grundannahmen der heutigen gesundheitspolitischen Debatte gehen davon aus, dass die Gesundheitsausgaben zu hoch seien und zu schnell wachsen würden. Als Grund wird die fehlende Wirtschaftlichkeit gesehen. Als Maßnahmen wurden die Steuerung der „Leistungsmengen“ durch Geldflüsse sowie neue Finanzierungssysteme und Abgeltungssysteme eingeführt, also Fallpauschalen, Abgeltung nach Leistungen und nicht nach Betriebskosten. Der Hauptzweck ist, die Kosten durch „mehr Wettbewerb“ einzudämmen.

 

Eine Geburtshausgenossenschaft

 

Wie können wir uns wehren? In den Talschaften Simmental und Saanenland, wie überhaupt im gesamten Berggebiet der Schweiz, hat die genossenschaftliche Selbsthilfe seit Jahrhunderten eine große Bedeutung (Ostrom 1990). Die Bevölkerung ist es gewohnt, sich in Genossenschaften oder Korporationen zu organisieren, um jene gesellschaftlichen Aufgaben selbstständig zu erfüllen, die der ferne Staat nicht übernehmen will. Wegkorporationen kümmern sich um Bau und Unterhalt von Straßen. Schwellenkorporationen besorgen gemeinschaftlich den Schutz gegen Hochwasser. Viehzuchtgenossenschaften, Elektrizitätsgenossenschaften, Einkaufsgenossenschaften und so weiter sind am Werk und funktionieren in den allermeisten Fällen gut.

Das Krankenhaus Zweisimmen wurde bis vor einigen Jahren durch einen lokalen Gemeindeverband getragen. Im Zuge einer „Reform“ des Gesundheitswesens übernahm der Staat Bern das Krankenhaus und machte daraus eine Aktiengesellschaft. Eigner aller Aktien blieb der Staat. Die Gemeinden waren damals über diese finanzielle „Entlastung“ froh. Nun baut der Zentralstaat als neuer Alleineigentümer des Krankenhauses die zentrumsferne, wohnortsnahe Grundversorgung systematisch ab. Was liegt näher als die Rückeroberung der Verantwortung für die wohnortsnahe Grundversorgung durch die Betroffenen? In Gstaad wurde schon vier Monate nach der Schließung der Geburtsabteilung am Krankenhaus Zweisimmen unter überraschend hoher Beteiligung der Bevölkerung eine Geburtshausgenossenschaft gegründet. Mittlerweile zählt sie über 200 Mitglieder, darunter acht Gemeinden als juristische Personen (www.maternitealpine.ch). Die Rechtsform der Genossenschaft erlaubt es, aus NutzerInnen MiteigentümerInnen mit den entsprechenden Mitbestimmungsrechten zu machen.

Die Gründung und der Aufbau eines tief in der Bevölkerung verankerten Geburtshauses stellen große Herausforderungen dar:

  • Der Staat als Regulator ist gleichzeitig Eigner aller öffentlichen Geburtskliniken und damit direkter Konkurrent des Geburtshauses. Er kann die Betriebsbewilligung oder die Aufnahme auf der Spitalliste verweigern (Voraussetzung, um Leistungen abrechnen zu können).
  • Das Geburtshaus benötigt mindestens etwa 100 Geburten pro Jahr, um ohne Verluste über die Runden zu kommen und Tariflöhne bezahlen zu können.
  • Zur Einrichtung und vielleicht sogar zum Bau eines geeigneten Hauses ist viel Eigenkapital notwendig. Das Ziel ist ein Anteilskapital von mindestens einer Million Schweizer Franken.
  • Um den reibungslosen Betrieb in der zweijährigen Startphase gewährleisten zu können, ist ein einmaliger Kredit von rund 300.000 Schweizer Franken notwendig.
  • Die größte Hürde stellt die Organisation der Notfallversorgung dar. Ein rascher Zugang zu einem Operationssaal in der Nähe des Geburtshauses ist unabdingbar. Dazu müsste die Trägerschaft des Krankenhauses Zweisimmen die Hand zur Zusammenarbeit bieten und Leistungen erbringen, die für das Geburtshaus erschwinglich sind.

Kein Problem bietet die Suche nach qualifiziertem Personal. Das Konzept der hebammengeleiteten Geburt ist attraktiv. Zweisimmen und Umgebung sind als Arbeitsort für FachärztInnen beliebt, die Sonne, Berge, gute Luft, Schnee, Fels und freundliche Leute lieben.

Rubrik: Politik & Gesellschaft | DHZ 06/2016

Literatur

DGGG/Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen. AWMF 2013. [updated 1995 Nov.]. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-078.html (letzter Zugriff: 10.5.2016)

IQWiG/Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V 29.05.2012. https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3175/Hase_Mindestmengen.pdf (letzter Zugriff: 10.5.2016)

Madörin M: Ökonomisierung des Gesundheitswesens − Erkundungen aus der Sicht der Pflege. ZHAW. Departement Gesundheit. Institut für Pflege 2014. https://www.zhaw.ch/storage/gesundheit/institute-zentren/ipf/%C3%BCber_uns/studie-mad%C3%B6rin-%C3%B6konomisierung-gesundheitswesen-version-215.pdf (letzter Zugriff: 10.5.2016)
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