Stellungnahme der DGPFG zum Roses Revolution Day

Durch die Blume ins Gespräch kommen

  • Seit Jahren legen am 25.11. Frauen, die unter der Geburt Gewalt erfahren haben, am Geburtsort eine rosafarbene Rose nieder.

  • Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e.V. (DGPFG) Dr. Wolf Lütje nutzt den Roses Revolution Day für ein Statement zur Gewalt in der Geburtshilfe und was endlich geschehen muss.

    »Seit Jahren legen am 25.11. Frauen, die unter der Geburt Gewalt erfahren haben, am Geburtsort eine rosafarbene Rose nieder. Schweigend. Der Weg dorthin fällt schwer. Manche können nur so Zeugnis geben – sind unfähig vor Ort darüber zu sprechen.«

    Weiter fragt Lütje, ob die »Täter:innen« dieses Zeichen verstehen und antwortet selbst: »Nur selten!«

     

    Das Wort »Entschuldigung« fehlt

     

    Meist interpretieren diese die Gewalt während einer Geburt als Notfallmaßnahme, stellen sich als Opfer maroder Strukturen dar und sähen selten persönliche Fehler, die korrigiert werden könnten. Das Wort »Entschuldigung« existiere für viele nicht.

    »Dabei sollte man sich für alle Interventionen, die fast immer das Selbstbestimmungsrecht der Frauen massiv beeinträchtigen, entschuldigen oder zumindest eine Erklärung geben und sich nicht als Retter:in in einem oft selbst inszenierten Katastrophenszenario aufspielen.«

    Der DGPFG-Präsident lobt die Initiative mancher Kliniken, die am 25.11. einen Briefkasten mit der Bitte um Berichte der Betroffenen aufstellen. Dies zeige die Gesprächsbereitschaft der Geburtshelfer:innen.

    Aber: Jeder Tag sei ein Roses Revolution Day – jeder Geburts-Tag halte Gewalt und Trauma bereit. Dafür brauche es einen Raum des Austausches.

    »Geburtserleben sollte Qualitätskriterium werden, Nachbesprechungen, die nicht der Rechtfertigung, sondern der Klärung dienen, eine Selbstverständlichkeit! Nur im Dialog können die traumatisierenden Erlebnisse erkannt, die jeweiligen strukturellen und persönlichen Schwächen entlarvt und Fehler angegangen werden.« Traumasensibles Arbeiten und Gewaltverständnis sollten gelehrt und vermittelt werden. Eine Leitlinie könnte die Evidenz ergänzen. Zudem müsse man gespannt sein, wann und wie sich das nationale Gesundheitsziel »Gesundheit rund um die Geburt« endlich mit Leben fülle.

    Auch wenn er von Täter:innen spricht, ist es Lütje wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht immer eine klare Opfer-Täter-Zuordnung gebe. »Auch Mittäter:innen in den Einrichtungen sehen sich als Opfer eines Systems des Mangels und der Bedeutungslosigkeit der Geburtshilfe im Gesundheitswesen. Es fehlt an den richtigen Anreizen, am Geld, an einer neuen Ausrichtung jenseits von Medikalisierung und Pathologisierung, an neuen Strukturen bei der Schwangerenvorsorge, der Geburtsvorbereitung und nicht zuletzt bei den Geburtsorten.«

     

    Die bestmögliche Mitte

     

    »Alle Fachleute in der Geburtshilfe müssen berufspolitisch an einem Strick ziehen. Denn alle verfolgen letztlich die Idee, dass alle rund um die Geburt (meist) gesund sind und bleiben (mitunter auch werden). Selbst wenn es einen manchmal fast unlösbaren Konflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Recht auf Unversehrtheit seitens des Kindes gibt – ein Konflikt, der sich handelnd im Aktionismus auf der einen und der Unterlassung auf der anderen Seite spiegelt – muss es eine möglichst gewaltfreie Geburtshilfe in der bestmöglichen Mitte geben. Hierfür braucht es Zeit, Offenheit, Kreativität und guten Willen von allen Seiten.«

    Quelle: DGPFG, 19.11.23 · DHZ

     

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 20.11.2023