Prospektive Multicenter-Studie aus Indien

Einleitung und Wehenunterstützung oft ohne Indikation

  • Wo Indikationen für eine Geburtseinleitung fehlen, wird ein bislang unbeachteter Einfluss durch nichtklinische Faktoren vermutet, der weiter erforscht werden sollte.

  • Eine weltweite »geburtshilfliche Krise« gab den Ausschlag für eine aktuelle Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift The Lancet zum Einfluss klinischer und nichtklinischer Faktoren auf die Einleitung und Wehenunterstützung während einer Geburt veröffentlicht wurde. Unter geburtshilflicher Krise werden weltweit steigende Sectioraten sowie steigende Raten an Geburtseinleitungen und Wehenunterstützung während der Geburt zusammengefasst. Dabei ist bekannt: Geburtshilfliche Interventionen werden empfohlen, um mütterliche und kindliche Risiken zu minimieren. Sind jedoch mehr negative als positive Auswirkungen zu erwarten, sollte darauf verzichtet werden. Gebärende sollten informiert entscheiden können: Sowohl die Durchführung als auch der Verzicht auf eine Geburtseinleitung oder eine Wehenunterstützung während einer Geburt sollte nach dem Abwägen verschiedener Argumente erfolgen. Wie sieht die Realität in Indien hierzu aus?

    Durchgeführt wurde eine prospektive Kohortenstudie unter 9.305 schwangeren Frauen aus 13 Krankenhäusern in Indien. Eingeschlossen wurden Frauen nach der 28. Schwangerschaftswoche. Die Nachuntersuchung wurde innerhalb 48 Stunden nach der Geburt durchgeführt. Die Evaluation der klinischen Daten führte zur Zuordnung jeder Teilnehmerin in eine von vier Gruppen – je nachdem, ob zwei oder mehr Indikationen, eine Indikation, keine Indikation oder eine Kontraindikation für die Durchführung einer Geburtseinleitung oder Wehenunterstützung während der Geburt vorlagen.

    Die Ergebnisse zeigten: Eine Einleitung der Geburt erfolgte bei 42,3 % (n=3.936 Frauen) der Teilnehmerinnen. Eine Wehenunterstützung während der Geburt erhielten 27,3 % (n=2.537). Bei 34 % der Gebärenden mit einer Wehenunterstützung wurde diese ohne vorliegende klinische Indikation durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten auch, dass Frauen mit einer Indikation, keiner Indikation oder einer Kontraindikation im Vergleich zu Frauen mit zwei oder mehr Indikationen seltener eine Einleitung oder Unterstützung der Geburt hatten. Im Vergleich zu einer Studie der WHO aus den Jahren 2007/2008 verdreifachte sich seither die Prävalenz für die Einleitung einer Geburt.

    Die Autor:innen interpretieren ihre Ergebnisse kritisch: Die Wehenunterstützung unter der Geburt sollte eigentlich durch klinische Faktoren begründet sein, die in Leitlinien enthalten sind. Sie wird jedoch derzeit bei mehr als einem Drittel der Frauen ohne Indikation durchgeführt. Zudem kam es in den vergangenen Jahren zu einem starken Anstieg sowohl der Geburtseinleitungen als auch der Wehenunterstützungen während der Geburt. Vermutet wird ein bislang weitgehend unbeachteter Einfluss durch nichtklinische Faktoren, der weiter erforscht werden sollte.

    Die Autor:innen empfehlen, vorhandene Leitlinien zu verbessern, Frauen zu informierter Entscheidungsfindung zu ermutigen sowie das Bewusstsein zu schärfen, auf eine Geburtseinleitung oder Wehenunterstützung während der Geburt bei fehlender Indikation zu verzichten. 

    Quelle: Cheng, T. S., Zahir, F., Carolin, S. V., Verma, A., Rao, S., Choudhury, S. S., Deka, G., Mahanta, P., Kakoty, S., Medhi, R., Chhabra, S., Rani, A., Bora, A., Roy, I., Minz, B., Bharti, O. K., Deka, R., Opondo, C., Churchill, D., Knight, M., … Nair, M. (2024). Risk factors for labour induction and augmentation: a multicentre prospective cohort study in India. The Lancet regional health. Southeast Asia, 25, 100417. https://doi.org/10.1016/j.lansea.2024.100417 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 21.05.2024