Mother-Hood e.V.

Hunderttausende von Gewalt in der Geburtshilfe betroffen

  • MotherHood e.V. fordert anlässlich des Roses-Revolution-Day Gewalt in der Geburtshilfe als eine Gewaltform gegen Frauen anzuerkennen.

  • Mütter machen seit vielen Jahren auf die während der Geburt ihrer Kinder erlebte Gewalt aufmerksam. Sie legen am 25.11. zum Aktionstag »Roses Revolution Day« Rosen vor Kreißsaaltüren nieder, schreiben Briefe an Kliniken, wenden sich an Elternorganisationen wie Mother Hood e.V., geben Interviews, berichten in den Sozialen Medien.

    Seit einigen Jahren widmen sich auch Wissenschaftler:innen dem, was Schwangere und Gebärende auf Geburtsstationen erleben. Ihre Studienergebnisse belegen: Gewalt und Traumatisierung sind weit verbreitet.

    Die Häufigkeit von Traumatisierung liegt je nach Studie zwischen 10 % und 30 % aller Geburten. Das Vorkommen von Gewalterfahrungen wird mit bis zu 50 % angegeben. Mit Blick auf die ungefähr 800.000 Geburten im Jahr, einschließlich Fehl- und Totgeburten, seien das rund ein Viertel bis eine halbe Million betroffene Mütter und Kinder jährlich.

    Als eine Ursache für eine belastende oder traumatische Geburt wurden negative Erfahrungen identifiziert. Eine wissenschaftliche Arbeit aus Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der befragten Frauen mindestens einen negativen Vorfall während der Geburt ihres Kindes erlebt haben. Fast ein Drittel berichtet von körperlichen Eingriffen wie beispielsweise dem Kristeller-Handgriff. 30 % erfuhren Vernachlässigung wie mangelnde Kommunikation zwischen Schwangeren und Geburtshelfenden oder das Ignorieren von starken Schmerzen.

    Weitere Studien und Befragungen ermitteln eine mangelnde Aufklärung über medizinische Eingriffe oder die Behandlung von Mutter und Kind ohne informierte Einwilligung als Ursache für eine negative Geburtserfahrung.

    Der natürliche Wehenschmerz oder falsche Erwartungen der Gebärenden hingegen gehören nicht zu den Gründen, warum Frauen eine Geburt als gewaltsam oder belastend angeben.

     

    Gewalt und Trauma als Risiko für schwere psychische Erkrankungen

     

    Eine als traumatisch erlebte Geburt erhöht das Risiko zur Entwicklung schwerer psychischer Erkrankungen. Dazu zählen die postpartale Depression oder die posttraumatische Belastungsstörung.

    Die Studienergebnisse belegen: Negative Geburtserfahrungen können sich negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit von Müttern und ihren Familien auswirken. Flashbacks, Alpträume, Schlafstörungen, Angst und Panikattacken sind schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Mutter. Es kann zu Stillproblemen und einer Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung kommen, was sich nachteilig auf die gesunde Entwicklung des Kindes auswirken kann.

    In Anbetracht der enormen Belastung für Frauen, Kinder, Väter und Familien sowie das Gesundheitssystem insgesamt, sind Verbesserungen in der geburtshilflichen Versorgung für die Gesellschaft von großem Nutzen.

    Gesundheitsfachberufe wie Gynäkolog:innen, aber auch Hebammen, müssen diesen Zusammenhang anerkennen. Sie müssen ihr eigenes geburtshilfliches Handeln kritisch hinterfragen und gegebenenfalls neue Wege in der Begleitung von Schwangeren und Gebärenden gehen. Dazu zählt die konsequente Umsetzung der Empfehlungen von medizinischen Leitlinien, wie die zur »Vaginalen Geburt am Termin« oder der »Sectio Caesarea«. Auch die Einhaltung des Patientenrechtegesetzes (§ 630 BGB), nach dem vor medizinischen Eingriffen eine umfassende Aufklärung und Einwilligung in die Behandlungspraxis integriert werden muss, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer mehr Gesundheit bringenden Versorgung.

    Neben den Gesundheitsfachberufen muss auch die Politik ein deutlich größeres Interesse als bisher haben, die Rahmenbedingungen in der geburtshilflichen Versorgung zu verbessern. Dazu zählt die konsequente Umsetzung des vom Bundesgesundheitsministerium unterstützten neunten Gesundheitsziels »Gesundheit rund um die Geburt«, wie bereits im aktuellen Koalitionsvertrag festgesetzt. Hierfür sind allerdings deutlich mehr finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt nötig, um einen Veränderungsprozess auf Bundes- und Länderebene, in den Kommunen sowie bei allen beteiligten Berufsgruppen rund um Schwangerschaft, Geburt und früher Elternschaft zu begleiten.

    Als weitere Maßnahme muss die Bundesregierung Gewalt in der Geburtshilfe als eine Gewaltform gegen Frauen endlich anerkennen.

    Quelle: Mother Hood e.V., 15.11.23 · DHZ

     

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 16.11.2023