Beckenbodentrauma

Eine Hebamme verfolgt die internationale Praxis vaginal-operativer Geburten über die vergangenen Jahrzehnte: Welche Beckenbodenschäden werden dabei in Kauf genommen? Wie sind die Muskelrisse sicher zu diagnostizieren? Und was können Hebammen den Frauen raten? Susanne Langer

An erster Stelle für Hebammen und GeburtshelferInnen steht die Gesundheit von Mutter und Kind. Leider gibt es aber in der Geburtshilfe ab und zu Situationen, wo wir uns zwischen den beiden entscheiden müssen. Das passiert zum Beispiel bei der Entscheidung zur vaginal-operativen Geburt bei Gefahr einer fetalen Asphyxie. Um Schäden beim Kind zu vermeiden, riskieren wir Schäden bei der Mutter.

Mitte der 1980er Jahre war ich Hebammenschülerin an der Uniklinik Würzburg. Damals war gerade der Dammschutz wieder wichtig geworden in Deutschland, da man von den Routine-Episiotomien langsam abrückte. Dennoch war die Regel, dass bei einer vaginal-operativen Geburt immer eine Episiotomie geschnitten werden musste. Das änderte sich erst langsam in den 1990ern, als auch bei Vakuum- oder Zangengeburten nicht immer ein Dammschnitt Routine war.

Um Geburtsverletzungen zu vermeiden, versuchten wir, die Frauen in verschiedenen Stellungen gebären zu lassen, zum Beispiel im Vierfüßlerstand oder auf dem Geburtshocker. Da bei der Entscheidung, welche Stellung die Frau bei der Geburt einnimmt, viele Gründe mitspielen, lässt sich keine gezielte Studie zur Auswirkung der Geburtsstellung auf Beckenbodenschäden durchführen. Das Gleiche trifft für Wassergeburten zu und für den sogenannten »Hands-off-approach«, auf Deutsch: »Hände weg vom Perineum«.

Mitte der 1990er Jahre arbeitete ich in Dunedin auf der Südinsel Neuseelands, wo letzteres die neue Lehrmeinung war. Es ist inzwischen aber klar, dass »Hands-off« keine gute Idee war (RCOG Green-top Guideline No.29 2015)

Seit 1997 lebe ich mit meinem Mann Hans Peter Dietz in Australien. Er ist Gynäkologe und hat sich als Urogynäkologe spezialisiert. Diese Subspezialität ist in Australien deutlich weiterentwickelt als in Deutschland. Und während er als Assistenzarzt für das Examen lernte und aus dem Klinikalltag erzählte und ich gerade mit unserem ersten Kind in der Babypause war und viel Zeit hatte zum Zuhören, wurde uns beiden bewusst, dass nicht bei allen Müttern alles wieder so wird, wie es vor der Geburt war.

 

Wenn Beckenbodenmuskeln reißen

 

Wir wissen inzwischen, dass ein starker Zusammenhang besteht zwischen der vaginalen Geburt und späteren Beckenboden-Problemen. Viele von diesen Problemen haben wenig bis gar nichts mit dem Perineum zu tun. Da musste noch was anderes sein: eine andere Form von Trauma, die bisher unsichtbar geblieben war. Abbildung 1 zeigt eine anatomische Darstellung des Beckenbodens von unten.

 

 

Abbildung 1: Schematische Sicht auf den Beckenboden, von unten betrachtet

Eine Antwort bekamen wir Ende 2002. Mit der Einführung von 3D- und 4D-Ultraschall konnte man endlich sehen, was während der Geburt am Beckenboden passiert. Der Puborectalis-Muskel, der wichtigste Teil des inneren Beckenboden-Muskels (m. levator ani) wird unter der Geburt enorm gedehnt. Das Ausmaß dieser Dehnung variiert stark (Lien et al. 2004). Um den Durchtritt des ausgereiften Kindes bei der Geburt zu erlauben, muss sich der Hiatus bei den meisten Erstgebärenden von etwa 15–25 cm2 (Shek et al. 2009) auf bis zu 60–80 cm2 öffnen (Svabik et al. 2009).

Damit ist der Puborectalis-Muskel wohl der dehnbarste im menschlichen Körper. Es ist erstaunlich, dass er bei der Mehrheit aller vaginalen Geburten diesen Stress aushält. Es ist viel weniger erstaunlich, dass es bei 2–25 % der Erstgebärenden bei vaginalen Geburten zu einem kompletten Abriss des Muskels vom Schambein kommt. Die niedrigsten Trauma-Raten sieht man bei jungen Frauen um die 20 nach einer normalen Geburt, die höchsten bei Frauen über 35 nach einer Zangengeburt (Dietz & Kirby 2010).

Aber anders als beim Damm- oder Scheidenriss ist der Einriss oder komplette Abriss (Avulsion) des Puborectalis-Muskels im Kreißsaal in den meisten Fällen nicht sichtbar, da er oft hinter einer intakten Vaginalwand versteckt ist. Man muss schon genau wissen, wonach man sucht, und hat auch nur dann eine Chance, es zu finden, wenn ein hoher Scheidenriss den Muskel freilegt (Dietz et al. 2007). Deshalb ist wohl die erste klinische Beobachtung von 1943, von einem amerikanischen Gynäkologen namens Gainey, wieder in Vergessenheit geraten (Gainey 1943).

Abbildung 2 zeigt, wie sich der Abriss im Kreißsaal präsentiert und daneben spätere Darstellungen mit Ultraschall und MRT. Man kann zwar den Abriss mit einiger Übung vaginal ertasten (Kearney et al. 2006; Dietz & Shek 2008) aber erst Tage oder Wochen nach der Geburt. Abbildung 3 zeigt schematisch die Palpation des Beckenbodenmuskels.

 

Abbildung 2: Ein Levatorriss post partum und drei Monate später im Ultraschallbild sowie in der Kernspin-Darstellung

 

Abbildung 3: Palpation des Beckenbodens von vaginal

 

Symptome des Levatorabrisses

 

Oft bemerken die Frauen selbst als erste, dass etwas im vaginalen Bereich nicht mehr ganz normal ist. Sie kommen zum Arzt oder zur Ärztin mit Symptomen wie einer reduzierten Beckenbodenfunktion bei physischer Belastung, während des Intimseins oder beim Sport, mit Blasenschwäche, Schweregefühl und Druck in der Vagina. Andere beschreiben im Gegensatz dazu ein Leeregefühl und Mangel an Muskeltonus und damit Gefühlsverlust beim Geschlechtsverkehr und bei Beckenbodengymnastik. Frauen mit Avulsion, die ich im Rahmen der Epi-No-Studie (Kamisan Atan et al. 2016) nach drei Monaten postnatal mit einem Beckenbodenproblem gesehen habe, fühlten kaum mehr einen Effekt bei der Beckenbodengymnastik.

Manche Frauen leiden nach einer traumatischen Geburt auch unter psychologischen Veränderungen bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung (Skinner & Dietz 2015). Das ist nicht überraschend, da durch die physische Symptomatik traumatische Ereignisse der Geburt immer wieder in Erinnerung gerufen werden können. Für Frauen ist es manchmal sehr schwer, ÄrztInnen zu finden, die den Zusammenhang zwischen den Symptomen und der Geburt verstehen, da das Wissen über traumatische Beckenbodenschäden neu ist. In vielen Hebammen- und medizinischen Lehrbüchern wird es noch nicht erwähnt.

 

Es braucht eine fundierte Diagnose

 

Für eine Diagnose empfiehlt sich ein Beckenboden-Ultraschall. Leider ist diese Methode noch nicht sehr verbreitet, da es hierfür GynäkologInnen mit speziellen Kenntnissen der Urogynäkologie und des Ultraschalls braucht. Es gibt in Deutschland zwar einige Beckenbodenzentren, aber meist nur an großen Kliniken, was für viele Frauen eine weite Anfahrt bedeutet. Der Vorteil eines Beckenboden-Ultraschalls ist, dass man nicht nur eine Avulsion sehen kann – also den kompletten Abriss des inneren Anteils des Levatormuskels. Auch eine eventuelle Überdehnung des Beckenbodens wäre erkennbar, ebenso wie ein Prolaps oder Schäden am Analsphinkter nach DR III/IV (Dietz 2018).

Für den Beckenboden-Ultraschall setzt man einen 3D/4D-Schallkopf auf das Perineum auf und kann so den gesamten Beckenboden darstellen (siehe Abbildung 4).

 

Abbildung 4a und b: Platzierung eines Schallkopfes für den Perineal-Ultraschall.

Der Puborektalis-Muskel wird in der Axial-Ebene im Querschnitt dargestellt. Er verläuft wie ein V um die Vagina und den Anus, wobei die beiden oberen Enden dieses V ihren Ansatz an den Rami inferiores (unterer Ast) des Schambeines haben. Abbildung 5 zeigt die Ultraschall-Darstellung eines intakten Beckenbodens und einer Avulsion. Für die Beurteilung benutzt man eine tomografische Darstellung, um den Muskel in seiner ganzen Dicke zu beurteilen. Das geschieht normalerweise während einer Beckenboden-Kontraktion. Abbildung 6 zeigt eine tomografische Darstellung eines Beckenbodentraumas auf der rechten Seite.

 

Abbildung 5: Darstellung eines intakten Levatormuskels (links)
und einer rechtsseitigen Avulsion (rechts) im axialen »rendered volume«, von kaudal gesehen.

 

Abbildung 6: Tomografische Darstellung einer rechtsseitigen Avulsion. Da der Muskel von unten betrachtet wird, ist die rechtsseitige Avulsion links in den Schnittebenen sichtbar.

Für die Überdehnung des Levators misst man die Fläche der Öffnung innerhalb des V, den Levator-Hiatus, während eines Druckversuches oder Valsalva-Manövers. Eine exzessive Dehnung des Hiatus auf mehr als 25 cm2 (Dietz et al. 2008) wird mit dem Begriff »Ballooning« beschrieben und ist mit Prolaps-Symptomen assoziiert. Ballooning ist oft das Ergebnis einer ein- oder beidseitigen Avulsion. Doch man findet es auch ohne Avulsion als irreversible Überdehnung. In seltenen Fällen haben auch kinderlose Frauen Probleme mit einem exzessiv dehnbaren Beckenboden, der manchmal wahrscheinlich auch angeboren sein kann.

 

Die vaginale Untersuchung

 

Wenn man keinen Ultraschall zur Verfügung hat, kann man eine Avulsion auch durch eine vaginale Untersuchung diagnostizieren. Dazu führt man den Zeigefinger etwa 4–5 cm weit, also ungefähr zwei Fingerglieder tief in die Vagina ein und geht langsam am Levator entlang in Richtung Symphyse. Dabei kann man den Ruhetonus des Muskels auf einer Skala von 0–5 werten. 0 wäre gar kein Widerstand und 5 wäre ein spastischer Muskel. Bei einer gesunden Frau liegt der Wert zwischen 2 und 3,5. Dann lässt man die Frau den Beckenboden kontrahieren wie bei der Rückbildungsgymnastik, um zu sehen, ob sich der Muskel anspannt, also verfestigt. Wieder verwenden wir eine Skala von 0–5 (Oxford Grading). Ein Wert zwischen 2,5 und 4 gilt als normal. Auf der Seite des Abrisses passiert oft gar nichts oder der Muskeltonus nimmt sogar ab. Bei einer einseitigen Avulsion kann man meist einen deutlichen Unterschied in Ruhetonus und Kontraktionsstärke zwischen beiden Seiten bemerken.

Wenn man den Finger weiter bis zur Symphyse nach vorne bewegt, kommt man an die »levator-urethra-gap«, die wir auch im Ultraschall messen. Diese Lücke zwischen dem Beckenboden-Muskel und der Urethra ist normalerweise gerade groß genug, um den Finger hineinzulegen. Man sollte auf beiden Seiten unmittelbar festes Gewebe spüren, und der Finger kann sich zwischen der Urethra und der Vaginalwand leicht hin und her bewegen. Wenn diese Lücke viel größer ist als der Finger und man kein kontraktiles Gewebe spüren kann, dann ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Avulsion.

Doch auch wenn sich der Beckenbodenmuskel und die Levator-Urethra-Lücke normal anfühlt, kann die Frau einen Beckenboden-Schaden davongetragen haben. Bei manchen Frauen kann es zu einer irreversiblen Überdehnung kommen, die wir als Mikrotrauma bezeichnen (Shek & Dietz 2010).

Auch eine solche Überdehnung kann klinisch diagnostiziert werden. Dazu braucht man nur ein Lineal, am besten in Form eines Eiskrem-Stiels mit Zentimeter-Skala (als »POP-Stix« im Handel erhältlich). Damit misst man während eines Druckversuchs die Distanz zwischen Urethra und Perineum (genital Hiatus = GH) und die Länge des Perineums (perineal body = PB). Abbildung 7 zeigt die GH- und PB-Messung mit POP-Stix. Diese Messungen haben eine gute Übereinstimmung mit der Hiatusflächenmessung im Ultraschall (Khunda et al. 2012). Der Hiatus ist deswegen so wichtig, weil ein Prolaps nichts anderes ist als das Hindurchtreten oder der Vorfall von Beckenorganen durch diese Öffnung im Beckenboden.

 

Abbildung 7: Messung des Levator-Hiatus bei der klinischen Untersuchung (links)
und im Ultraschall (rechts)

 

Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad

 

Bei jungen Frauen, die vielleicht noch mehr Kinder haben wollen, findet die Behandlung meist konservativ bei KrankengymnastInnen statt, die auf den Beckenboden spezialisiert sind. Bei leichten Symptomen von Harninkontinenz, Gebärmutter- und Blasenvorfall kann das schon ausreichen.

In schwereren Fällen können die Frauen von KrankengymnastInnen oder GynäkologInnen ein sogenanntes Pessar angepasst bekommen. Das geht zwar nicht bei allen Frauen, da bei beidseitiger Avulsion oder starkem »Ballooning« das Pessar nicht hält und leicht wieder herausfällt. Aber wenn es funktioniert, können manche Frauen eine Prolaps-Operation ganz oder zumindest vorläufig vermeiden. Eine Prolaps-Verschlechterung ist in den ersten Jahren nach der Geburt oft nicht nachzuweisen (Wanderley Ferreira et al. 2017). Meist dauert es viel länger, bis sich ein symptomatischer Prolaps entwickelt, oft mehrere Jahrzehnte (Thomas et al. 2015). Eines wissen wir aber sicher: Je schwerer der Beckenbodenschaden und je weiter der Hiatus, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Frau Symptome einer Blasen- und Gebärmuttersenkung entwickeln wird (Handa et al. 2018).

Was die Prolaps-Chirurgie angeht, hängt der Erfolg stark vom Ausmaß des Beckenbodentraumas ab. Je größer das Trauma, desto wahrscheinlicher kommt es zum Rückfall nach einer herkömmlichen Prolaps-Operation wie zum Beispiel der Vorderen Scheidenwandplastik (Kolporrhaphie) (Friedman et al. 2018).

Seit 2010 versuchen wir in Australien am Nepean Hospital in Sydney, den komplett abgerissenen Muskel wieder an seinem Ursprung zu befestigen (Dietz et al. 2013). Das funktioniert aber nur bei jenen Frauen, bei denen der Puborektalis in gutem Zustand ist (abgesehen von dem Abriss). Eine andere Methode ist, mit Hilfe einer Schlinge aus synthetischem Gewebe den geschädigten Muskel wie mit einem Korsett zu stützen, um den Hiatus zu verkleinern und ihn auf seine ursprüngliche Größe zurückzubringen (Wong et al. 2017). Eine randomisierte Multicenterstudie hierzu ist kurz vor dem Abschluss.

 

Möglichst alle Schäden erkennen und behandeln

 

Im Gegensatz zu verbreiteten Ansichten ist die Harninkontinenz nicht Folge eines Beckenbodentraumas, sondern eher eine häufige Begleiterscheinung. Die Hauptrollen spielen der Urethralmuskel, die Fixation der Harnröhre und der Beckenwand (für die Stressinkontinenz) und der Blasenmuskel (Detrusor) für die Dranginkontinenz. Auch die Stuhlinkontinenz hat nicht viel mit dem Beckenbodentrauma im engeren Sinn zu tun (Chantarasorn ANZJOG 2010).

Viele Frauen ziehen sich nicht nur einen Avulsion zu, sondern auch noch einen drittgradigen oder viertgradigen Dammriss (DR III/IV) (Shek et al. 2016). Das kommt vor allem bei Zangengeburten vor. Diese schweren Dammrisse werden zwar meist gleich nach der Geburt im Kreißsaal oder besser noch bei Vollnarkose im OP versorgt, trotzdem kommt es bei vielen Frauen zur Stuhlinkontinenz (Turel et al. 2019). Häufig ist die Erstversorgung nicht optimal als Resultat mangelnder Erfahrung von Hebammen und GeburtshelferInnen, und ab und zu werden DR III/IV im Kreißsaal einfach übersehen. Abbildung 8 zeigt tomografisch eine gut versorgte Episiotomie und einen übersehenen Sphinkterriss (3B).

 

 

Abbildung 8: Tomografische Darstellung eines übersehenen 3B-Dammrisses nach einer Episiotomie, die inkorrekt auf den Sphinkter zu geschnitten wurde.

Um dies zu vermeiden, sollte beim geringsten Zweifel über das Schadensausmaß rektal untersucht werden. Im schlimmsten Fall kann ein übersehener oder schlecht versorgter schwerer Dammriss zu einer rectovaginalen Fistel führen. Auch für Frauen, die darunter leiden, ist eine physiotherapeutische Behandlung angezeigt. Hilft das nicht, kann man es mit einer erneuten Operation des Schließmuskels versuchen, was meist von Koloproktologen unternommen wird. Die Resultate sind aber eher mäßig.

 

Risikofaktoren und Präventionsansätze

 

Die einzige sichere Prävention für Beckenboden- und Sphinktertraumata, die wir zurzeit haben, ist der Kaiserschnitt. Das ist aber keine Lösung, da wir dann mindestens die Hälfte aller Frauen unnötig per Kaiserschnitt entbinden würden. Im deutschen Sprachraum und auch in Australien wird der Epi-No-Trainer als antenatale Prophylaxe angeboten. Doch eine randomisierte kontrollierte Studie, die wir zwischen 2008 und 2014 in Sydney unternommen haben, hat die daran geknüpfte Hoffnung nicht bestätigt (Kamisan Atan et al. 2016).

In mehreren Studien haben wir aber über die letzten 20 Jahre einige Risikofaktoren für Beckenbodentraumata ermitteln können, die inzwischen Untersuchungen aus verschiedenen Teilen der Welt bestätigt haben. Vor allen das Alter der Frauen bei der ersten Geburt spielt eine Rolle, außerdem das Geburtsgewicht der Kinder, der Kopfumfang, die Dauer der Austreibungsphase und auch die Familien-Anamnese (Caudwell Hall et al. 2017/2018).

Der wichtigste Risikofaktor ist aber ohne Zweifel die Zangengeburt. In einem in Sydney durchgeführten Vergleich zwischen zwei Kliniken variierte die Häufigkeit von Avulsionen von 10 bis 20 %, abhängig von der Forzepsrate (Kamisan Atan et al. 2016). Die Kliniken mit den meisten Zangengeburten haben also sehr wahrscheinlich die meisten Patientinnen mit Beckenbodenschäden. Die Erfahrung der OperateurInnen scheint eher keine Rolle zu spielen (Ortega et al. 2018.)

Eine Studie, die sich mit der Anzahl der Prolaps-Operationen in Dänemark zwischen 1977 und 2009 beschäftigte, sah eine eindeutige Abnahme über diesen Zeitraum von etwa 40 Jahren (Lowenstein et al. 2015), nachdem in Dänemark die Zange verschwunden war.

In England und auch in Australien, Kanada und Neuseeland wird das mit der Zangengeburt assoziierte Risiko immer noch weitgehend ignoriert. Hier ist man sehr stark darauf fixiert, mit allen Mitteln die Kaiserschnittraten zu senken. Deshalb wird in den letzten zehn Jahren wieder verstärkt die Zange eingesetzt, auch als Rotationszange (Dietz 2015).

 

Was bedeutet das für Hebammen in der Praxis?

 

Diese Veränderung der geburtshilflichen Praxis findet nicht ohne negative Folgen für Mutter und Kind statt. Damit hat sie auch rechtliche Folgen für die GeburtshelferInnen und mitunter auch für die Hebammen. In unserer Klinik in Sydney sehen wir immer mehr junge Frauen mit Beckenbodentraumata, die mangels Aufklärung und nach Kaiserschnittverweigerung die Klinik oder den Arzt wegen einer traumatischen Geburt verklagen.

Eine besondere Stellung nehmen diejenigen Frauen ein, die nach einem Kaiserschnitt beim zweiten Kind eine vaginale Geburt anstreben. Bei ihnen besteht unter anderem auch ein erhöhtes Risiko für Beckenbodenschäden. Eine Erklärung wäre, dass diese Frauen zwar technisch Erstgebärende sind, ihre Gebärmutter sich aber oft wie bei einem zweiten Kind verhält und stärkere Wehen produziert, wodurch die Austrittsphase verkürzt ist und der Puborektalis weniger Zeit zur Dehnung hat.

Ein guter Anfang der Prävention von Beckenbodentraumata wäre es, dem dänischen Beispiel zu folgen und die Zangen ins Museum zu schicken. Auch sollte man Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt hatten oder ein erhöhtes Risiko auf eine operative Entbindung haben, über dieses erhöhte Risiko aufklären. Das betrifft zum Beispiel Erstgebärende über 35, übergewichtige Frauen, jene mit einem makrosomen Kind und Frauen, die wegen Terminüberschreitung eine Einleitung benötigen.

Sollte sich die Frau danach für einen primären Kaiserschnitt entscheiden, so sollte man ihrem Wunsch nachkommen. Meine Erfahrung in der Praxis ist, dass das nur selten vorkommt. Die meisten Frauen werden auch in Zukunft wohl eine normale Geburt anstreben, weil das ihr größter Wunsch ist.

Rubrik: Ausgabe 06/2019

Erscheinungsdatum: 29.05.2019

Literatur

Caudwell Hall J, Kamisan Atan I, Martin A, Guzman Rojas R, Langer S, Shek KL, Dietz HP: Can pelvic floor traume be predicted antenatally? Acta Obstet Gynaecol Scand 2018. 97 (6) 751–757. doi: 10.1111/aogs.13315

Caudwell Hall JL, Kamisan Atan I, Guzman Rojas RA, Langer S, Shek KL, Dietz HP: Intrapartum risk factors for pelvic floor trauma. Acta Obstet Gynaecol Scand 2017. 96(4):426–431. doi: 10.1111/aogs.13103

Chantarasorn V, Shek KL, Dietz HP: Sonographic detection of puborectalis muscle avulsion is not associated with fecal incontinence. Aust NZ J Obstet Gynaecol 2011. 51:130–135

Dietz H, De Leon J, Shek K: Ballooning of the levator hiatus. Ultrasound Obstet Gynecol 2008. 31:676–80

Dietz H, Gillespie A, Phadke P: Avulsion of the pubovisceral muscle associated with large vaginal tear after normal vaginal delivery at term. Aust NZ J Obstet Gynaecol 2007. 47:341–4

Dietz HP, Kirby A: Modeling the likelihood of levator avulsion in a urogynecological...

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