Den Mutterschutz verkürzen?
Der Mutterschutz ist in vielen Ländern gesetzlich während der Schwangerschaft verankert und hat das Ziel, die Gesundheit schwangerer Frauen und ihrer ungeborenen Kinder zu schützen. Es handelt sich um eine beschäftigungsfreie Zeit mit Lohnfortzahlung, die um den Geburtstermin des Kindes liegt und in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich geregelt ist.
Eine rege Diskussion zur Dauer des Mutterschutzes während der Schwangerschaft wird aktuell für die Situation in Österreich aus gesundheitsökonomischen Überlegungen heraus geführt (Chuard 2020; Ahammer et al. 2020). So umfasst der Mutterschutz in Österreich derzeit einen Zeitraum von acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, in dem schwangeren Frauen ein offizielles Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird. Dies beruht auf einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen aus dem Jahr 1975, da bis zu diesem Zeitpunkt der Zeitraum von sechs Wochen vor der Geburt als Mutterschutz definiert wurde.
Caroline Chuard basierte ihre Untersuchung auf drei Veränderungen angestellter Mütter bei ihrer zweiten Schwangerschaft: So nahm der Anteil dieser Frauen im Jahr 1990 um 19,1 % ab, stieg im Jahr 1996 um 6,9 % an und fiel im Jahr 2000 erneut um 6,4 %. Sie untersuchte für diese Jahre zusammenhängende kindliche Outcome-Parameter und zeigte auf, dass keine dieser Veränderungen der vorgeburtlichen Beschäftigungsverhältnisse zu Auswirkungen auf die Gesundheit von Neugeborenen führte. Hierbei bezog sie sich auf eine Betrachtung der Faktoren des kindlichen Geburtsgewichts, der Schwangerschaftsdauer und Apgar-Werte des Kindes. Sie bezieht in ihre Überlegungen ein, dass in verschiedenen Ländern Frauen selbst entscheiden können, welche Anteile ihres Mutterschutzes sie während der Schwangerschaft beziehungsweise nach der Geburt des Kindes nehmen. Sie gibt dies auch für den Kontext in Österreich zu bedenken und schlussfolgert aus ihren Ergebnissen, dass es für das Kind sicher sei, wenn Frauen den Mutterschutz zum großen Teil nach der Geburt nehmen würden.
Alexander Ahammer und KollegInnen untersuchten 2020 anhand von Daten aus den Geburtsregistern, welche Auswirkungen damit einhergingen, den Mutterschutz von acht auf sechs Wochen zu verkürzen. Retrospektiv wurden einhergehende Kosten und Nutzen dieser Maßnahme evaluiert und Empfehlungen für Österreich und andere Länder der OECD daraus abgeleitet. Verglichen wurden die Studiengruppen der Frauen nach einem sechswöchigen Mutterschutz mit der Kontrollgruppe der Frauen nach einem achtwöchigen Mutterschutz während der Schwangerschaft. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den kindlichen Outcome-Parametern bei der Geburt, der langfristigen kindlichen Gesundheit sowie den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt festgestellt. Zudem zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die mütterliche Gesundheit und deren Fruchtbarkeit.
Ahammer und sein Forschungsteam schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass eine Beschäftigung zwischen der 33. und 34. Schwangerschaftswoche ungefährlich für schwangere Frauen und deren ungeborene Kinder sei, weil keine gravierenden Unterschiede hinsichtlich schwangerschafts- und geburtsbedingter Outcome-Parameter zwischen Studien- und Kontrollgruppe festgestellt wurden. Zudem sei es ökonomisch sinnvoller, Frauen während dieser Wochen arbeiten zu lassen, weil beispielsweise im Jahr 2018 Zusatzkosten in Höhe von 2,7 Millionen Euro aufgrund eines achtwöchigen statt eines sechswöchigen Mutterschutz vor der Geburt anfielen. Zudem schlussfolgern sie aus ihren Ergebnissen, dass Arbeitnehmerinnen durch einen achtwöchigen Mutterschutz vor der Geburt hinsichtlich ihrer Freiheit zu arbeiten eingeschränkt seien. Sie fassen zusammen, dass die gesetzliche Frist sowohl in Österreich als auch anderen OECD-Ländern zu überprüfen sei.
Quellen: Ahammer A, Halla M, Schneeweis N: The effect of prenatal maternity leave on short and long-term child outcomes. J Health Econ 2020. 70, 102250. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32062055/ ∙ Chuard C: Womb at Work: The Missing Impact of Maternal Employment on Newborn Health. Journal of Health Economics 2020. https://ideas.repec.org/p/zur/econwp/301.html ∙ DHZ