Lactoferrin

Eisen-Bringdienst

Lactoferrin ist ein essenzielles Protein in der Muttermilch. Es übernimmt eine starke Rolle im Eisenstoffwechsel. Außerdem bekämpft es krankmachende Bakterien. Was kann das Milchprotein noch leisten? Wie viel Eisen benötigen stillende Mütter und Säuglinge? Birgit Heimbach
  • Über die Muttermilch erhält der Säugling Eisen und Lactoferrin. Dieses Milchprotein kann jeweils zwei dreiwertige Eisenoxidteilchen (Fe3+) an sich binden und die Eisenaufnahme aus dem Darm erleichtern.

  • In der Muttermilch befinden sich bestimme Eiweiße, von denen einige Eisen mit sich führen und dem Säugling helfen, davon ausreichend aufzunehmen: Lactoferrin. »Iron Lady« nennt es schwärmerisch der Ernährungsblogger Moritz von der Borch (Nutri Experts, www.yourfunctionalmedicine.com/). Es kann zwei Ionen dreiwertiges Eisen (Fe3+ ) auf einmal aufnehmen (Blewett 2008) und als Glykoprotein, an dem zum Teil Saccharide haften, wird es von der Darmwand besonders gut aufgenommen. 

    Lactoferrin hat unterschiedliche enzymatische Funktionen im Körper, von denen die meisten der Abwehr von Viren und Bakterien dienen. Es besteht aus 690 Aminosäuren, die eine lange gefaltete Peptidkette bilden, und gehört zur Gruppe der Transferrine. Es wird daher in der Literatur auch häufig Lactotransferrin genannt. Es bindet Eisen sogar deutlich leichter als das klassische Transferrin, das für den Transport des Eisens in der Blutbahn zuständig ist. Die Peptidkette kann zwei Eisenionen binden und wieder freisetzen. Über 90 % des Lactoferrins in der Milch tragen zunächst kein Eisen. In dem Zustand wird es Apo-Lactoferrin genannt (Goldman 1995). Eisenbeladen färbt es sich rot aufgrund der Verbindung aus Eisen und Sauerstoff, dem Eisenoxid. Diese gesättigte Form nennt man auch Holo-Lactoferrin.

     

    Antibakteriell und wachstumsfördernd

     

    Durch die Eisenbindung entzieht Lactoferrin Bakterien und sonstigen Erregern das für die meisten Mikroorganismen so wichtige Eisen, das insbesondere für die Vermehrung oft essenziell ist. Auf diese Weise hält Lactoferrin in der Muttermilch Krankheitserreger von der Mutter und damit auch vom Säugling fern. Es wirkt antimikrobiell, bakteriostatisch, abwehrstärkend, immunmodulierend, entzündungshemmend, antioxidativ und schleimhautstärkend. Zusätzlich zur Eisenbindung kann die enzymatische Wirkung des Lactoferrins die Zellmembran der Bakterien beschädigen und ermöglicht so den Zugang der Abwehrzellen, die dann die Bakterien zerstören können. Lactoferrin kann auch Pilze und sogar Viren zerstören und schützt den Säugling vor allem in den ersten Tagen vor Infektionen des Darms. Offensichtlich ist vor allem ein 54 Aminosäuren langes Peptid namens Lactoferricin die entscheidende Substanz im Milchprotein, die den Darm vor Listerien und enterotoxischen E. coli-Bakterien schützt. Innerhalb einer Stunde setzt diese Substanz schädliche Darmbakterien außer Gefecht, ohne die normale Bakterienflora zu beeinträchtigen. Erika Nehlsen vom Ausbildungszentrum Laktation und Stillen: »Lactoferrin kann auch Krebszellen erkennen und zerstören, verhindert die Bildung von Metastasen und ist ein Wachstumsfaktor.« Eisengesättigt – als Apolactoferrin – fördere es zudem Wachstum und Reifung von Erythrozyten. Nichtgesättigt – als Holactoferrin – fördere es Wachstum und Reifung von Lymphozyten. Es gibt laut Nehlsen auch Hinweise, dass Lactoferrin allergische Reaktionen durch das Wegfangen von Eisen und das Hemmen der Expression von Entzündungsmediatoren abschwächt oder sogar ganz verhindert.

     

    Bis in die Windeln wirksam

     

    Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter der Redaktion EU.L.E.N-Spiegel vom Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e. V., erklärt das Verhalten von Lactoferrin im Darm: »Lactoferrin fängt im Duodenum jedwede Eisenteilchen, vor allem Fe3+, sofort ab und entreißt es den Mikroben, um ihre Vermehrung zu stoppen.« Vitamin C und Aminosäuren unterstützen den Prozess, bis Lactoferrin Fe3+ an der Darmwand abgeliefert hat. Hier wird es zunächst in Fe2+ umgewandelt und dann in den Mukosa-Zellen des Darms wieder zu Fe3+ oxidiert (Kirchner 2009), im Blut an Transferrin gebunden und weitertransportiert. Der Eisen-Stoffwechsel ist ein komplizierter Prozess.

    Lactoferrin ist so konstruiert, dass es vom Säugling kaum verdaut wird. Pollmer: »Auf diese Weise bleibt es bis in die Windeln wirksam und aktiv.« Auch Erwachsene scheiden Lactoferrin aus. Normal ist ein Wert im Stuhl unter 7,5 Mikrogramm pro Liter (bei Erwachsenen). Eine größere Menge deutet als recht sicherer Marker auf Infektionen hin. Kommt es in der Darmwand zu einer Entzündung, wie zum Beispiel beim Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa, so geben die Abwehrzellen, die in die Darmwand einwandern, insbesondere neutrophile Granulozyten, Lactoferrin ins Darmlumen ab und man kann Lactoferrin im Stuhl als Entzündungsmarker messen. Da jeder Tumor im Randsaum auch immer durch eine Entzündungsreaktion begleitet wird, findet man erhöhte Lactoferrin-Werte auch bei Darmkrebs. Der Hamburger Laborarzt Dr. Jens Heidrich hat die Erfahrung gemacht, dass der Test bei KinderärztInnen besonders beliebt ist: »Er hilft, beispielsweise ein Reizdarmsyndrom von einer entzündlichen Darmerkrankung abzugrenzen. Damit lässt sich die Ursache von ‚Bauchschmerzen‘ einfacher eingrenzen. Da Lactoferrin in hoher Konzentration in der Muttermilch vorkommt und entsprechend auch vom Säugling mit dem Stuhl ausgeschieden wird, ist dieser Parameter als Entzündungsmarker bei gestillten Säuglingen allerdings wertlos.«

     

    Präventive Einnahme?

     

    Von der Milchindustrie wird inzwischen Lactoferrin vor allem aus Kuhmilch gewonnen, um daraus Nahrungsergänzungspräparate herzustellen. Für die Eisensubstitution wird es oft mit bis zu 20 % Eisen aufgesättigt. Es wird angepriesen zur diätetischen Behandlung einer diagnostizierten Eisenmangelanämie, auch in der Stillzeit. Es soll das Ferritin erhöhen, habe weniger unangenehme Nebenwirkungen als die direkte Supplementierung von Eisen und zudem viele positive Effekte etwa bei der Regulierung des Immunsystems, der Darmflora, Darmschleimhaut, oxidativer Belastung und chronischen Entzündungen. Da menschliches Lactoferrin jedoch nur zu etwa 70 % mit dem von anderen Spezies übereinstimmt, gibt es erste Ansätze der Gewinnung einer humanen Version aus transgenen Pflanzen- oder Hefezellen.

    Hinsichtlich der Frage, ob Stillende Lactoferrin einnehmen sollten, erklärt Pollmer: »Für Gesunde besteht keine Notwendigkeit irgendetwas einzunehmen, auch nicht präventiv. Der Körper ist gewöhnlich in der Lage, seine Lactoferrin-Produktion an den Bedarf anzupassen.« Gesunde Stillende müssen es auch nicht einnehmen, um ihre Eisenwerte zu erhöhen oder um davon ausreichend in der Milch zu haben. Und ob es dann für das Kind überhaupt bioverfügbar wäre, ist noch eine weitere, ungeklärte Frage. Es wurden allerdings orale Lactoferrin-Gaben bei Schwangeren als Entzündungshemmer in Erwägung gezogen (Lönnerdal 2009) und es gab vielversprechende Studien mit Frühgeborenen, die diesen Zusammenhang nahelegen. Es bedarf offensichtlich noch weiterer Forschung, um den Beweis einer nutzbringenden Wirkung zu erbringen. Die Eisenverarmung durch das Milchprotein ist jedenfalls so effektiv gegen ungebetene Gäste, dass es inzwischen auch als Konservierungsmittel benutzt wird, erklärt Pollmer.

     

    Physiologische Reduzierung

     

    Bei einer Eisenmangelanämie sollte laut Pollmer nicht deren wichtigste Ursache bei Schwangeren und Stillenden übersehen werden: die physiologische Reduzierung von Eisen beispielsweise in den Blutgefäßen. Bei einer Infektion verschiebt der Körper nämlich Eisen aus dem Blut in die Zellen. Ferritin (das »Speichereisen«) steigt als Akute-Phase-Protein, während Transferrin, das für den Transport im Blut zuständig ist, abgesenkt wird. Zum Schutz vor Krankheitskeimen wird das verfügbare Eisen auf ein niedriges Niveau reduziert und bei fast allen Infekten sinkt die Eisenkonzentration im Blut schnell ab. Eisen fördere Infekte und Entzündungen, so Pollmer. Im dritten Trimenon der Schwangerschaft sorge der Körper etwa für einen niedrigen Eisenspiegel, denn der Geburtsweg sei eine Eintrittspforte für Keime aller Art.

    Pollmer: »Ein niedriger Serumeisenwert ist der wichtigste Schutz für Mutter und Kind. Wird dieser Schutz durch Eisengaben zerschossen, muss das Immunsystem neue Abwehrlinien gegen unerwünschte Eindringlinge errichten. Diese aus einer Notlage heraus herbeigeeilten Hilfstruppen werden von Laien gern als eine Stärkung des Immunsystems interpretiert, weil im Blut irgendwelche Immun-Marker ansteigen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.« Diese Aussage von Pollmer ist laut Heidrich nicht bewiesen und wird von vielen ExpertInnen angezweifelt. Trotz des Infektionsschutzes bei niedrigen Eisenwerten, bleibt die Eisenversorgung in der Schwangerschaft durch eine ausgewogene, auch fleischhaltige Nahrung wichtig, so Heidrich: »Der Nachteil beim Eisenmangel ist, dass auch die Blutbildung gehemmt wird und es kann rasch zu einer Anämie kommen«. Eine Eisenmangelanämie, die häufig fahrlässig durch sich vegetarisch ernährende Frauen ausgelöst werde, könne diesen Effekt verstärken. Eine eisenarme, insbesondere fleischfreie Ernährung sei für Schwangere nicht anzuraten.

     

    Das Protein Lactoferrin und seine Mengen

     

    Das Protein Lactoferrin (lateinisch Lac: Milch, Ferrum: Eisen) wurde erstmals 1939 in einem dänischen Labor in der Muttermilch entdeckt. Längst wurde dieses »Milcheisen« auch in anderen Flüssigkeiten des Körpers, unter anderem in Gallenflüssigkeit, Tränen, Vaginal- und Bronchialsekret nachgewiesen, wo es ebenfalls vor Infektionen schützt. Nirgendwo ist die Konzentration jedoch so hoch wie in der Milch, vor allem im Kolostrum, wo es als eines der aktivsten Enzyme gilt. In den ersten fünf Lebenstagen liegt die Konzentration bei durchschnittlich 7 g/l Muttermilch. Dann fällt es bis zum zehnten Tag auf die Hälfte ab und reduziert sich noch etwas nach dem ersten Lebensmonat bis auf 1g/l in der reifen Muttermilch (Rai et al. 2014).

    Prof. Lindsay Allen, Direktorin vom United States Department of Agriculture and the Western Human Nutrition Research Center (WHNRC) in Davis, Kalifornien, führt eine aufwendige Studie rund um Mütter, Kinder und Laktation, genannt Mothers, Infants and Lactation Quality study (MILQ) durch, gesponsert von der Bill & Melinda Gates Foundation. Sie hat aktuell ebenfalls Daten zum Lactoferrin zusammengetragen (siehe auch Seite 38). So variiere die mittlere Eisensättigung von Lactoferrin laut Allan von 2,2 % bis 12 %, womit sie eine Studie von Mastroeni aus dem Jahr 2006 zitiert. Laut Allen nimmt die Konzentration an Eisen im ersten Jahr der Laktation ab bis auf Mittelwerte von 0,04–1,92 mg/l. Die Konzentrationen von Eisen und die Lactoferrin-Eisen-Sättigung korrelieren stark und liegen in relativ engen Grenzen, wie eine Studie mit 125 Probandinnen zeigen konnte: Die Eisenkonzentrationen lagen bei 60,6 µg/100 ml (+/-  5,4 µg/100 ml) bei einer Sättigung von 11,8 %
    ( +/- 1,1 %) (Hirai 1990).

     

    Aufgaben von Eisen

     

    Neben seiner Rolle im Hämoglobin ist Eisen eine strukturelle Komponente für eine Vielzahl von Enzymen, die für eine Reihe von metabolischen Prozessen wichtig sind. Der Pharmakologe Prof. Klaus Schümann, ehemals Dozent an der Technischen Universität München und nun Geschäftsführer an der Hildegard Grunow Stiftung für Ernährungsforschung, erläutert: »Der tägliche Eisenbedarf von Frauen in der Stillzeit ist in der Regel mit 20 mg/Tag angegeben, etwas weniger als in der Schwangerschaft mit 30 mg.« Ansonsten liegt der normale Eisenbedarf bei 15 mg/Tag. Die WHO empfiehlt Frauen für sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt orale Eisen-Gaben, entweder allein oder in Kombination mit Folsäure, um das Risiko einer Anämie in Ländern zu reduzieren, in denen bereits die Schwangerschaftsanämie ein Thema staatlicher Gesundheitsfürsorge ist. Lindsay Allen meint allerdings dazu, dass die Qualität der Evidenz dieser Empfehlung zu niedrig ist.

    Heidrich: »Der weibliche Körper enthält etwa 2 bis 4 g Eisen. Ungefähr 60 % davon sind an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin gebunden, als zweitwertiges Eisen. Die restlichen 40 % sind dreiwertig an Ferritin, Transferrin, Hämosiderin, Myoglobin und Enzyme gebunden. Nur ganz geringe Mengen von zweiwertigem Eisen befinden sich ungebunden im Blut. Ungebundenes Eisen ist auf Grund der hohen Reaktivität schädlich. Die hohe Reaktivität, die Fähigkeit Sauerstoff schnell zu binden und wieder abzugeben, ist der Schlüssel für die Atmung und für fast alle oxidativen Prozesse im Körper. Ohne Eisen würde der Sauerstoffaustausch in den Lungen nicht funktionieren. Hohe Blutverluste unter der Geburt und eine dadurch entstandene Anämie mit Eisenverlust konnte noch vor 100 Jahren oft nur langsam über viele Monate kompensiert werden, auch weil sich der Körper mit der Eisenresorption im Darm so schwertut. Die Resorption kann in der Regel nicht über 30 mg/Tag gesteigert werden, auch wenn wir oft 1.000 mg mit einer Tablette zuführen. Der Körper schützt sich durch mannigfaltige Blockaden vor dem sehr reaktiven und potenziell schädlichen Eisen«.

    Zur modernen Medizin gehöre heute, Schwangere vor einer Anämie und einem Eisenmangel zu schützen, so Heidrich. Eine niedrige Ferritinkonzentration im Blut zeige einen Eisenmangel zuverlässig an. Doch er rät zur Vorsicht: Schon bei einer kleinen Entzündung ist der Ferritin-Wert als Akute-Phase-Protein häufig »falsch normal«. Das bedeutet, er ist als Marker für den Eisenmangel dann unbrauchbar. In diesen Fällen empfiehlt Heidrich die zusätzliche Bestimmung des »löslichen Transferrinrezeptors« im Serum. Am besten zusammen mit dem C-reaktiven Protein (CRP), das in der Leber gebildet und ins Blut abgegeben wird. Dann lässt sich der sogenannte »Ferritin-Index« berechnen, der es auch unter einer Infektion erlaubt, einen Eisenmangel zu diagnostizieren. Eine Eisengabe verändert jedenfalls nicht den Eisenwert im Lactoferrin.

    Nach Pollmer wird die Medizin in Zukunft zur Behandlung eines Eisenmangels auch auf die Lactoferringabe zurückgreifen. Heidrich meint dazu: »Die Gabe von Lactoferrin zur Bekämpfung eines Eisenmangels zum Beispiel mit Floradix gilt als diätetische Behandlung und nicht als medizinische. Es klingt jedoch logisch, dass es wirkt. In den für Ärzten maßgeblichen S1-Leitlinien 025-021 zur Eisenmangelanämie steht es jedenfalls nicht als Empfehlung zur Therapie.«

     

    Die Konzentration

     

    Die Berichte über die Konzentration von Eisen in der Frauenmilch – teils auch gebunden an ein paar Peptide mit niedrigem Molekulargewicht – variieren leicht. Forschungen aus den vergangenen 50 Jahren zeigten Mittelwerte von 0,47 mg/l. In einer Studie mit 60 Frauen in Schweden wurde als mittlere Eisenkonzentration in der Muttermilch 0,309 mg/l gemessen. Es wurden auch anderen Studien erwähnt, in denen im Mittel 0,446 mg/l gemessen wurden (Björklund 2012). Schümann: »Die Eisenkonzentration in der Muttermilch wurde von der US Food and Nutrition Board (US-FNB) mit 0,27 ± 0,09 mg/Tag angesetzt (0,78 l Milch/Tag x 0,35 mg Fe/l).« Und ergänzt: »In diesen Mengen ist auch das im Lactoferrin enthaltene Eisen.«

    Verschiedene Faktoren wie körperliche Eisenreserven, Infektionen, Rauchen, Vegetarismus, lange hormonelle Verhütung beeinflussen kaum die Konzentrationen von Eisen in der Muttermilch. ForscherInnen konnten auch keinen Zusammenhang zwischen Eisen- und Lactoferringehalt der Muttermilch und dem Hämoglobin, der totalen Eisenbindungskapazität, Transferrin und Serumeisen der Mütter feststellen. Sie gehen daher davon aus, dass andere Faktoren wie etwa Hormone die Eisenkonzentration der Muttermilch bestimmen. Die Synthese von Lactoferrin in Epithelzellen und Granulozyten wird direkt oder indirekt von Prolactin, Östrogen, Retinsäuren, Mitogenen oder von Wachstumsfaktoren reguliert. Auch Allen betont: »Die mütterliche Einnahme oder der Status von Eisen und Folsäure beeinflusst nicht die Mengen dieser Nährstoffe in Muttermilch.« (Allen 2018) Ihre Literaturrecherche ergab: Die Konzentration von Eisen in der Muttermilch ist nicht assoziiert mit der mütterlichen Ernährung und ist unabhängig vom mütterlichen Status. Die Eisensupplementation von anämischen und nichtanämischen Müttern verbessert nicht die Eisenkonzentration in der Muttermilch.

    Es gibt laut Allan auch keine Evidenz, dass orale Empfängnisverhütung, Infektionen oder eine Erkrankung der roten Blutkörperchen (Beta-Thalassämie) die Eisenkonzentration in der Muttermilch beeinflussen, obwohl diese ansonsten den Eisenstoffwechsel verändern. Zudem sei nicht geklärt, ob die Eisenkonzentration in der Muttermilch mit der Anzahl der Kinder zusammenhängt, mit der Vitamin-A-Konzentration in der Milch oder mit dem Rauchstatus. Eine einzige Studie fand höhere Eisenkonzentrationen in der Hintermilch in Proben, die nachts gewonnen wurden (Allan 2018).

     

    Bedarf von Säuglingen

     

    Trotz des Anstiegs an der aufgenommen Milchmenge nimmt die totale tägliche Aufnahme von Eisen von der Geburt bis zum Lebensalter von vier Monaten ab. Aber Schümann gibt an: »Die US-FNB nimmt an, dass der Eisenbedarf des Säuglings durch ausschließliches Stillen gedeckt wird.« (Schümann 2003) Auch wenn der Eisengehalt der Muttermilch verhältnismäßig gering ist, braucht ein gesundes, termingeborenes Baby keine Supplementation vor dem sechsten bis siebten Lebensmonat, denn das Eisen aus der Muttermilch wird eben dank des hohen Lactoferrin- und Vitamin C-Gehalts besser aufgenommen als Eisen aus der Kuhmilch. Laut Studienlage gibt es keinen Grund, einem gestillten Säugling während der ersten sechs Monate Eisen zu geben (Dorea 2000). Neugeborene verwerten zudem zunächst Eisen aus Reserven in der Leber, die sich hauptsächlich im letzten Trimester der Schwangerschaft gebildet haben. Heidrich: »Der anfangs hohe Hämoglobin-Wert (16,8 bis 25 g/dl) eines Neugeborenen sinkt bis zum zweiten Lebensmonat mitunter bis auf 9,2 g/dl ab. Ab dann beginnt die adulte Blutbildung im Knochenmark und die Hb-Werte steigen wieder. Um den sechsten Lebensmonat liegt der Hb-Wert zwischen 10,1 bis 12,9 g/dl.« Bei der Beurteilung des Hb-Wertes müsse auch immer an Flüssigkeitsverschiebungen gedacht werden, betont er. Ein hoher Hb-Wert könne auch einfach nur Ausdruck einer mangelnden Flüssigkeitszufuhr sein, häufig bei Fieber.

    Studien zeigten zumindest, dass Babys die sieben Monate und länger ausschließlich gestillt wurden, im Alter von einem und auch zwei Jahren deutlich höhere Eisenwerte aufwiesen als jene Babys, die mit weniger als sieben Monaten bereits feste Nahrung bekommen hatten (Pisacane 1995). Schümann: »Zu frühe Beikostgabe wirkt sich zudem negativ auf die Eisenabsorptionsrate aus. Eisengaben erhöhen die Gefahr des Wachstums schädlicher Bakterien und verändern die Darmflora negativ!«

    Dennoch – davon ist Heidrich überzeugt – müsse eine eisenarme Ernährung, insbesondere die Ernährung von Kleinkindern ohne Fleisch als fahrlässige Körperverletzung geahndet werden. Kinder ohne Fleisch im Speiseplan haben praktisch keine Chance, den Eisenbedarf zu decken. Nicht nur die Blutbildung, sondern auch das Körperwachstum und die Enzymfunktionen werden durch einen Eisenmangel beeinträchtigt. Wie immer gilt: Zu wenig schadet, aber zu viel auch. Zu der Frage, wie er eine Lactoferrin-Gabe für eine gutes Eisenversorgung einschätzt, meint Heidrich: »Die Lactoferringabe bei Kindern kann durchaus sinnvoll sein, in den Leilinien gibt es hierzu jedoch noch keine Empfehlung. Eine placebokontrollierte, prospektive Studie ist mir nicht bekannt. In den AWMF-Leitlinien wird die Gabe von Lactoferrin lediglich zur Behandlung von Enterokolitis erwähnt.«

    Laut einem aktuellen Beitrag von Allen ist es sinnvoll, Säuglingen ab dem sechsten Monat Eisen zu geben, da die Eisenkonzentration in der Milch nur ungenügend ihren Bedarf decken würde. »Kinder sind besonders empfindlich für die Konsequenzen eines Eisenmangels wegen des schnellen Wachstums und der Hirnentwicklung.« (Allen 2018)

     

    Eisengehalt pro 100 Gramm

     

    Vegetarisch:

    • Kardamom: 100 mg
    • getrocknete Petersilie: 98 mg
    • Kürbiskerne: 12,5 mg
    • Linsen: 6-7 mg
    • weißen Bohnen: 6 mg
    • Rote Bete: 1 mg

    Die besten Eisenlieferanten sind Fleisch und Fisch. Ihr zweiwertiges Eisen wird vom Darm besser aufgenommen:

    • Rinderhack: 3 mg
    • Schweineleber: 20 mg
    • Lachs: 0,7 mg
    • Thunfisch: 1,2 mg

     

    Rubrik: Ausgabe 03/2019

    Erscheinungsdatum: 26.02.2019

    Quelle

    Michel Odent
    Geburt und Stillen
    152 S., 5. Aufl. 2016
    Best.-Nr. 1116 · 10,95 €

    Birgit Heimbach
    Stillen
    70 S., 1. Aufl. 2016
    Best.-Nr. 10027 · 9,80 €

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    Literatur

    Allen LH, Dror DK: Introduction to Current Knowledge on Micronutrients in Human Milk: Adequacy, Analysis, and Need for Research in: Advances in Nutrition 2018. Volume 9. Issue suppl_1, 1, 275S–277S, https://doi.org/10.1093/advances/nmy018

    Björklund KL et et al.: Metals and trace element concentrations in breast milk of first time healthy mothers: a biological monitoring study. Environ Health 2012. 11: 92. doi: 10.1186/1476-069X-11-92

    Dorea JG: Iron and copper in human milk. Nutrition 2000. 16(3):209–20

    Dror DK, Allen LH: Overview of nutrients in human milk. Adv Nutr 2018. 9: 278S–294S. https://doi.org/10.1093/advances/nmy022

    Faridl MMA: Mother´s iron status, breastmilk iron and lactoferrin - are they related? European Journal of Clinical Nutrition 2006. 60, 903–908

    Fransson GB, Lönnerdal B: Iron in human milk. J Pediatr. 1980. Mar; 96(3 Pt 1):380–4

    Goldman AS, Goldblum RM: Handbook of Mild Composition 1995

    Heather J. Blewett H et al.: The...

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