Empfehlungen zum Vorgehen bei vorzeitigem Blasensprung
Handlungsempfehlungen für die evidenzbasierte Betreuung Gebärender werden in Großbritannien durch das National Institute for Health and Care Excellence veröffentlicht. Seit September 2023 liegt eine aktualisierte Publikation vor (NICE, 2023b).
Im Vergleich zur Vorgängerversion enthält die aktualisierte Publikation (NICE, 2023b) veränderten Empfehlungen und 15 aktuelle Evidence Reviews zu ausgewählten Themen. Zu dem Empfehlungen bei einem Verdacht auf einen vorzeitigen Blasensprung nach der 37+0 SSW liegen werden veränderte Empfehlungen ausgesprochen, dem ein aktueller Evidence Review (NICE, 2023a) zugrunde liegt.
Vorgehen bei vorzeitigem Blasensprung
Bei einem vorzeitigen Blasensprung nach 37+0 SSW (Empfehlung 1.7) soll folgendes Vorgehen erfolgen: Die schwangere Frau soll telefonischen Kontakt mit einer Hebamme aufnehmen, die 10 Faktoren abfragt um anschließend eine Risikoeinschätzung vorzunehmen und das weitere Vorgehen zu begründen.
Telefonische Risikoeinschätzung durch eine Hebamme
Bei der telefonischen Risikoeinschätzung beurteilt die Hebamme ein mögliches Vorliegen folgender 10 Risikofaktoren:
- Grünes Fruchtwasser
- Vaginale Blutung
- Blutiges Fruchtwasser
- Abnehmende Kindsbewegungen
- Kontinuierlicher Bauchschmerz
- Komisch/unangenehm riechendes/ Fruchtwasser oder komisch/unangenehm riechender oder farblich veränderter vaginaler Ausfluss
- Unwohlsein
- Infektion mit b-Streptokokken während dieser Schwangerschaft oder eine vorausgehende Geburt, bei der eine antibiotische Therapie aufgrund b-Streptokokken erfolgte
- Baby in Beckenendlage oder Querlage
- Kindliche Wachstumsretardierung
- Tiefliegende Plazenta.
Weiteres Vorgehen
Liegt einer dieser Risikofaktoren vor oder ist sich die Gebärende dazu unsicher, soll sie sofort in eine geburtshilfliche Einrichtung kommen um ihre Situation durch medizinisches Fachpersonal abklären zu lassen (Empfehlung 1.7.1). Liegt keiner der Faktoren vor, soll die Frau sobald wie möglich kommen, wenn sie Bedenken hat oder eine Einleitung der Geburt wünscht. Ansonsten soll sie innerhalb von 12 Stunden in eine geburtshilfliche Einrichtung kommen (Empfehlung 1.7.2). Bei Gewissheit, dass es sich um einen vorzeitigen Blasensprung handelt sollte keine Spekulumeinstellung erfolgen (Empfehlung 1.7.3). Bei Unklarheit, ob es sich um einen vorzeitigen Blasensprung handelt, sollte eine Spekulumeinstellung durchgeführt und eine vaginale Untersuchung vermieden werden solange keine Kontraktionen vorliegen (Empfehlung 1.7.4).
Informationsweitergabe
Frauen sollten verschiedene Informationen erhalten, wenn sie einen vorzeitigen Blasensprung nach der der 37+0 SSW haben (Empfehlung 1.7.5):
- 60% aller Frauen entwickeln nach einem vorzeitigen Blasensprung innerhalb von 24 Stunden Wehen
- Das Risiko einer schweren neonatalen Infektion beträgt 1% im Vergleich zu 0,5% bei Gebärenden mit einer intakten Fruchtblase.
- Die intrapartale Antibiotikagabe wird in verschiedenen Situationen empfohlen
Wahlmöglichkeiten
Frauen sollten folgende Wahlmöglichkeiten aufgezeigt werden (Empfehlung 1.7.6):
- Abwartendes Vorgehen für bis zu 24 Stunden
- Zeitnahe Einleitung der Geburt
Bei einem abwartenden Vorgehen wird eine Geburtseinleitung nach 24 Stunden empfohlen (Empfehlung 1.7.7). Entscheidet sich die Gebärende für ein abwartendes Vorgehen bis zu 24 Stunden, sollte keine Messung des mütterlichen C-reaktiven Proteins erfolgen. Die Gebärende selbst sollte vierstündlich ihre Temperatur messen sowie bei farblichen oder auffälligen Veränderungen des Ausflusses Bescheid geben (Empfehlung 1.7.8). Die kindlichen Herztöne sollten zum initialen Kontakt und dann alle 24 Stunden überwacht werden. Die Gebärende sollte darauf hingewiesen werden, dass sie bei abnehmenden Kindsbewegungen Bescheid geben soll (Empfehlung 1.7.9).
Entspannungsbad: Ja
Die Gebärende sollte darüber informiert werden, dass Baden oder Duschen nicht mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher geht.
Vaginaler Geschlechtsverkehr: Nein
Die Gebärende sollte darüber informiert werden, dass vaginaler Geschlechtsverkehr möglicherweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher geht.
b-Streptokokken positive Gebärende
Einer Gebärenden sollte eine sofortige Einleitung der Geburt oder nach Absprache eine Sectio Ceasarea empfohlen werden, wenn b-Streptokokken vorliegen. Dazu zählt sowohl
ein positiver Befund an b-Streptokokken zu irgendeinem Zeitpunkt während der aktuellen Schwangerschaft oder in einer vorausgehenden Schwangerschaft, bei der das Neugeborene eine b-Streptokokkensepsis entwickelte. Sie sollte eine antibiotische Behandlung während der Geburt erhalten um eine neonatale Sepsis des Kindes zu vermeiden (Empfehlung 1.7.11).
Fazit
Die aktuellen Empfehlungen zum evidenzbasierten Vorgehen bei einem Verdacht auf einen vorzeitigen Blasensprung nach der 37+0 SSW bieten ein klares Handlungsschema. Es lässt Raum, sowohl die Wünsche und Bedürfnisse der gebärenden Frau zu achten indem diese Wahlmöglichkeiten aufgezeigt bekommt, wenn keine Risikofaktoren vorliegen. Es
berücksichtigt jedoch auch gleichzeitig mögliche medizinische Komplikationen, die frühzeitig erkannt und behandelt werden müssen. Diese Empfehlungen bieten damit das Potential zu einer frauenzentrierten und gleichzeitig sicheren Versorgung und Betreuung bei Frauen mit einem vorzeitigen Blasensprung nach der 37+0 SSW beizutragen.
Link zur aktuellen NICE-Guideline (NG 235): www.nice.org.uk/guidance/ng235/resources/intrapartum-care-pdf-66143897812933
Quelle: NICE (2023a). National Institute for Health and Care Excellence. Intrapartum Care (B) Evidence reviews for intital assessment of women reporting prelabour rupture of membranes ∙ NICE (2023b). National Institute for Health and Care Excellence. Intrapartum Care. NG 235. Published: 29th September 2023 ∙ Beate Ramsayer/DHZ