pronova BKK

Patient:innen wünschen sich geschlechtsspezifische Informationen

  • Nur 33 % von 1.000 Befragten sagten, ihr Arzt oder ihre Ärztin habe mit ihnen über Genderunterschiede bei Krankheiten oder Medikamentwirkungen gesprochen.

  • Geschlechterunterschiede in der Medizin: Dieses Thema ist in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Laut einer neuen repräsentativen Umfrage der pronova BKK wissen neun von zehn Deutsche, dass Männer für bestimmte Erkrankungen ein anderes Risiko haben als Frauen. Mehr als acht von zehn Menschen sind zudem überzeugt, dass auch Krankheitssymptome geschlechterspezifisch sind.

    Gleichzeitig erhalten 67 % der 1.000 Befragten von Ärzt:innen keine Informationen über unterschied­liche Wirkungen von Medikamenten auf Frauen und Männer. Aus Sicht der Befragten wird dies weder in der Forschung noch im Ärzt:innengespräch ausreichend berücksichtigt. Abhilfe könnten mehr Informationen über geschlechterspezifische Unterschiede und ein entsprechendes Handeln der Politik schaffen. 88 % der Frauen glauben, dass bei ihrem Geschlecht andere Symptome auftreten. 79 % der Männer sind gleicher Ansicht.

    »Die medizinische Forschung orientiert sich am männlichen Normkörper«, bestätigt Sabine Oertelt-Prigione, Inhaberin von Deutschlands erster Professur für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld. Bei der Diagnose von Erkrankungen, aber auch bei der Behandlung sei es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen. »Frauen leiden generell öfter unter Neben­wirkungen von Arzneimitteln. Gleichzeitig können Medikamente bei Frauen aufgrund von Körpergröße, Gewicht und Hormonen anders wirken als bei Männern«, so Oertelt-Prigione. »Wir haben bei klinischen Studien zu Corona festgestellt, dass das Geschlecht kaum beachtet wurde, obwohl längst bekannt war, dass Männer und Frauen unterschiedlich betroffen sind – es hatte sich einfach so etabliert und war gesellschaftlich akzeptiert. Inzwischen sehen wir bereits einen Wandel bei der Auswahl der Probanden für Studien. Die geschlechterspezifische Analyse erfolgt aber weiterhin zu selten.«

    Wie die Studie zeigt, wissen viele Menschen, dass es auch bei Krankheiten und Symptomen geschlechts­spezifische Unterschiede geben kann. Doch bei der Vermittlung konkreter Fakten hapert es: 82 % der Befragten erwarten generell mehr Informationen, wie sich Symptome bei Erkrankungen wie zum Beispiel beim Herzinfarkt je nach Geschlecht unterscheiden.

    Auch die Pharmaindustrie sollte nach Ansicht von 87 % der Deutschen ihre Packungsbeilagen anpassen und dort klar auf die Unterschiede bei der Verwendung durch Männer und Frauen hinweisen. 86 % der Befragten sehen den Gesetzgeber in der Pflicht, klare Vorgaben zu einer geschlechteran­gepassten Gesundheitsversorgung zu machen.

    Im Gespräch mit Ärzt:innen wird besonders von Frauen mangelnde Transparenz beklagt: Nur 26 % sagen, sie wurden über die unterschiedlichen Wirkungen von Medikamenten aufgeklärt – im Unterschied zu 40 % der Männer. Insgesamt haben zwei Drittel der befragten Frauen und Männer keine entsprechende Auskunft bei der ärztlichen Behandlung erhalten. 83 % wünschen sich deutliche Hinweise von Mediziner:innen, wenn noch unklar ist, ob Medikamente auf Männer und Frauen unterschiedlich wirken. Nur 33 % sagen, ihr Arzt oder ihre Ärztin habe mit ihnen darüber gesprochen.

    Quelle: pronova BKK: Gendermedizin: Unterschiede für Gleichberechtigung. www.pronovabkk.de/presse/studien-archiv/gendermedizin-unterschiede-fuer-gleichberechtigung.html ∙ aerzteblatt.de, 28.2.2022 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 11.03.2022