REMAIN-Studie aus Großbritannien

Hebammen in ihrem Beruf halten!

  • Nur wenn die Arbeitsbedingungen für Hebammen sich ändern, können sie in ihrem Beruf gehalten und dem weltweiten Hebammenmangel etwas entgegengesetzt werden.

  • Weltweit fehlen Hebammen: Der State of the World Midwifery Report (UNFPA, 2021) zeigte mit erschreckender Klarheit auf, dass weltweit zu wenig Hebammen als Arbeitskräfte verfügbar sind. Geschätzt fehlen 900.000 Hebammen weltweit: Sowohl in Ländern mit geringem, mittlerem und hohem Einkommen. Wären sie vorhanden könnte die Säuglings- und Müttersterblichkeit effektiv gesenkt werden (Nove et al., 2020). In Großbritannien wurden in der Zwischenzeit weitere schockierende Auswirkungen einer schlechten und unzureichenden personellen Besetzung durch Hebammen aufgezeigt: »Another shocking review of Maternity services« (Knight & Stanford, 2022). Bislang wurde dem Problem des Fachkräftemangels in Großbritannien dadurch begegnet, dass mehr Hebammen ausgebildet wurden.

     

    Umdenken erforderlich

     

    An diesem Punkt hinterfragen die Autorinnen einer Publikation in Midwifery (Moncrieff et al., 2023) nun, ob nicht ein Umdenken erforderlich sei, da in dem Umfang, in dem fertig ausgebildete Hebammen in das System eintreten, Hebammen das existierende System auch wieder verlassen. Somit wird derzeit, trotz großer Anstrengungen im Ausbildungsbereich, keine Steigerung der Anzahl praktisch tätiger Hebammen in Großbritannien erreicht.

    Das Umdenken, das Moncrieff und Kolleg:innen fordern, umfasst, dass der Fokus nicht darauf gerichtet werden sollte, wie immer mehr und immer neue Hebammen ausgebildet werden, sondern wie erfahrene Hebammen im System gehalten werden können. Es gehe um den Fokus auf den Erhalt existierender Arbeitskräfte. Die Relevanz für dieses Vorgehen wird aus Daten des Royal College of Midwives begründet: 57 % der Hebammen in England und 75 % der schottischen Hebammen tragen demnach in sich die Überlegung, ihre praktische Tätigkeit aufzugeben. Einige davon äußern konkret die Überlegung, überhaupt nicht mehr im Gesundheitssektor zu arbeiten.

     

    Die REMAIN-Studie

     

    Durchgeführt wurde hierzu die REMAIN-Studie (REsearching why Midwives stay or leave to Improve retention). Die Daten wurden zwischen April bis Mai 2023 unter 407 Hebammen in Großbritannien erhoben. Als Hauptgründe für eine Intention, die praktische Hebammenarbeit zu verlassen, wurden benannt:

    1. Unzureichende personelle Situation (87 %)
    2. Einfluss auf die eigene emotionale Gesundheit (79 %)
    3. Burnout/emotionale Erschöpfung (78 %)
    4. Hohe Arbeitsbelastung (78 %)
    5. Unmöglichkeit der Durchführung einer qualitativ hochwertigen Betreuung (76 %).

    Die Daten der REMAIN-Studie zeigten auf, dass der Großteil der befragten Hebammen die personelle Situation im Bereich der praktischen Hebammentätigkeit in Großbritannien unbefriedigend einschätzte und regelmäßige emotionale Erschöpfungszustände sowie eine hohe Arbeitsbelastung unter unbefriedigender Arbeitsatmosphäre erlebt wurden.

     

    Den Teufelskreis durchbrechen

     

    Die Autorinnen der Studie geben zu bedenken, dass derzeit ein Teufelskreis existiere, der sich selbst immer wieder negativ weiterentwickele. So werden zwar Hebammen ausgebildet, die im geburtshilflichen Bereich dringend als Arbeitskräfte benötigt werden. Diese Arbeitskräfte im geburtshilflichen Bereich sind jedoch deshalb so notwendig, weil existierende Arbeitskräfte häufig das System verlassen oder den Gedanken in sich tragen, das System zukünftig zu verlassen, weil die Arbeitsbedingungen schlecht sind: Es fehlt an Personal und die Arbeitsbedingungen erfüllen nicht die Bedürfnisse der arbeitenden Hebammen.

    Soll der Teufelskreis effektiv durchbrochen werden, müssen nicht nur weiterhin ausreichend Fachkräfte ausgebildet werden, sondern ergänzend die zugrundeliegenden Arbeitsbedingungen effektiv verbessert werden, damit bereits arbeitende Hebammen dem geburtshilflichen System erhalten bleiben. Der moralische Imperativ lautet: Sorg für Veränderungen im organisatorischen Bereich, um sicherzustellen, dass Hebammen emotional und physisch sicher arbeiten können.

    Quellen: Knight, M., & Stanford, S. (2022). Ockenden: another shocking review of maternity services. BMJ (Clinical research ed.), 377, o898. https://doi.org/10.1136/bmj.o898

    Moncrieff, G., Cheyne, H., Downe, S. & Hunter, B. (2023). Factors that influence midwives’ leaving intentions: a moral imperative to intervene. Midwifery.

    Nove, A., Friberg, I. K., de Bernis, L., McConville, F., Moran, A. C., Najjemba, M., Ten Hoope-Bender, P., Tracy, S., & Homer, C. S. E. (2021). Potential impact of midwives in preventing and reducing maternal and neonatal mortality and stillbirths: a Lives Saved Tool modelling study. The Lancet. Global health, 9(1), e24–e32. https://doi.org/10.1016/S2214-109X(20)30397-1

    UNFPA (2021). United Nations Polulation Fund. The State of the World´s Midwifery Report. ISBN: 9789211295092. UNFPA: New York ∙ Beate Ramsayer

    Rubrik: Beruf und Praxis

    Erscheinungsdatum: 24.08.2023